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Eine Blume aus Leidenschaft

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Foto (© Griechenland Zeitung / wa): Die Passionsblume – Passiflora caerulea et incarnate Πασιφλόρα, Ρολογιά, Ρολόι. Foto (© Griechenland Zeitung / wa): Die Passionsblume – Passiflora caerulea et incarnate Πασιφλόρα, Ρολογιά, Ρολόι.

Mit großem Elan rankt sie sich an Zäunen, Bäumen und Dächern empor, nutzt jede Gelegenheit, um sich an anderen Pflanzen festzuhalten: Die Blaue Passionsblume, Passiflora caerulea. Diese unverwüstliche, passionierte Kletterpflanze mit ihrem dunkelgrünen Blattwerk wird gerne als Schattenspender, Sichtschutz oder Windfang im Süden Europas gesehen.

Wie „Unkraut“ tauchen ihre Ausläufer aus der Erde auf und verbreiten sich mit haltlosem Eifer. Die zunehmende Wärme des Sommers lässt ihre Knospen wachsen; von Tag zu Tag werden sie ein bisschen dicker und runder. Und dann auf einmal öffnen sie sich.
Zum Vorschein kommt allerdings eine Blüte, von der man aus der Ferne weder durch ihren Duft noch durch ihre Farbenpracht beeindruckt wird. Und dennoch: Ihrer Anziehungskraft kann niemand widerstehen, wenn er genauer hinsieht und ein bisschen Zeit mitbringt. Sie bietet einen unvergleichlichen Anblick an Schönheit. Und eigentlich bedarf sie keiner Worte.

Symbol für die Leiden Christi

Wenn ich sie betrachte und bei ihr verweile, ist jedes Mal etwas Neues an ihr zu entdecken. Kaum eine andere Pflanze fasziniert mich so in ihrem Aussehen. Und nicht nur mich. Auch Seefahrer, Missionare und Abenteurer waren von ihr angetan, als sie sie in Südamerika zum ersten Mal entdeckten. So kam sie als „Amerikanische Clematis“ im 16./17. Jahrhundert nach Rom. Ein Jesuitenpater namens Ferrari aus Siena hat dann aus Samen eine Pflanze herangezogen. Doch sie wollte einfach nicht blühen! Erst nach sieben Jahren soll sie das erste Mal Knospen und auch Blüten entwickelt haben. Sicher wurde es wie ein Wunder angesehen, und die Phantasie der Christen, geprägt von ihrem Glauben, sah in den filigranen Blütenteilen ein Symbol für das Leiden Jesu: Dornenkrone, Kreuz und Nägel, die Marterwerkzeuge der Passion Christi … So die Beschreibung der Passionsblume als Symbol für das Leiden Jesu, die sich bis heute in den meisten Büchern gehalten hat. Der menschlichen Deutung scheinen ja keine Grenzen gesetzt zu sein. Dem Reichtum der Pflanzenwelt noch weniger. Doch nie und nimmer kann ich in diesem ornamentalen Kunstwerk der Natur solch Schreckliches wie Leiden und Martyrium sehen. Die Blüte der Passionsblume, dieser Kletterpflanze aus Leidenschaft, berührt mein Inneres, mein Herz, dort wo Sehnsucht und Suche nach Harmonie am stärksten sind, wo auch die Liebe sitzt. Schließlich hat doch das Wort „Passion“ noch weitere Bedeutungen, egal in welcher Sprache man nachforscht: Heftige Liebe, Leidenschaft, Gemütserregung, Pathos, leidenschaftliche Hingabe. Als Sinnbild für Ästhetik war sie das Zeichen eines Literaturordens, des Gekrönten Blumenordens aus Pegnitz im schönen Frankenland. Er beschäftigte sich unter anderem mit Natur- und Liebesgedichten und sah die Dichtung als Malerei mit Worten. Welch Gegensatz zur Leidensphilosophie! Banaler die Griechen: Sie nennen die Pflanze „rologiá“ oder schlicht „rolói“, „Uhrenstrauch“ oder „Uhr“, weil ihre Blüte an ein Ziffernblatt erinnert ...

Exotische Fruchtdrinks und Balsam für gestresste Seelen

Über 400 Arten von Passionsblumen gibt es weltweit. Im tropischen und subtropischen Amerika, in Australien, Asien, Neuseeland und auf den pazifischen Inseln sind sie zuhause. Sehr beliebt ist die Essbare Passionsblume, die Passiaflora edulis, deren Früchte unter dem Handelsnamen Maracuja bekannt sind. Sie stehen für exotische Fruchtdrinks, Marmeladen und Gelees. Auch die Früchte der Blauen Passionsblume sind essbar, wenn sie auch geschmacklich nicht an die süße Maracuja heranreichen, wohl aber im Aussehen. Wenn sie aus den kurzlebigen Blüten entstehen, formen sich zuerst grüne, eiförmige Gebilde mit glatter, dünner Haut. Zur Reifezeit wandeln sie sich dann in orangefarbene, leuchtende Früchte, deren äußere Farbe noch überboten wird durch das Innere der blutroten eigentlichen Beerenfrucht. Als anerkannte Heilpflanze gilt die Passiaflora incarnata, die Fleischfarbene Passionsblume, die ursprünglich aus den heutigen Südstaaten der USA kam. Sie wirkt entspannend, ausgleichend und nervenstärkend. Bei Wetterfühligkeit, Einschlafstörungen und Stress kann sie helfen. Auch die Blaue Passionsblume hat beruhigende Wirkung, wenn Nervosität und Angst sich durch die Träume ranken. Die Medizinmänner der einheimischen Indianerstämme in Brasilien nutzten diese schon vor hunderten von Jahren als Herzberuhigungsmittel und bei Augenkrankheiten. Die Passionsblume – eine Kletterpflanze mit Leidenschaft, die keine Leiden schafft!

5 Reife Frucht der Blauen Passionsblume

Text und Fotos: Waltraud H. Alberti

Anmerkung: Als Heilpflanze muss die Passionsblume sach- und fachgemäß angewandt werden, wenn sie bei bestimmten Leiden helfen soll. Ihre Blätter, Knospen und Blüten enthalten Giftstoffe. Die Früchte sind unbedenklich zu genießen.

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