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Richters erste Tage nach der Entführung

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Cover-Foto des Buches "Die Entführung des Edwart Richter. Ein diplomatisches Verwirrspiel am Olymp". Cover-Foto des Buches "Die Entführung des Edwart Richter. Ein diplomatisches Verwirrspiel am Olymp".

In der Zwischenzeit versuchte Richter auf seiner Flucht mit den Klephten alles ihm Mögliche, um eine Entdeckung seiner Person so einfach wie möglich zu machen. Obgleich die Banditen ihn durchsucht hatten, befand sich in seiner Jackentasche doch noch etwas Papier, das er während der Wanderung im Gänsemarsch in kleine Fetzen zerriss, die er hin und wieder heimlich und unbeobachtet auf den Boden fallen ließ.

Leider funktionierte dieser Trick nicht lange. Nach knapp zwei Kilometern hatten die Klephten herausgefunden, womit er beschäftigt war und nahmen ihm das Papier ab. Sie vermuteten sogar, dass er das Papier beschrieben hatte, um möglichen Verfolgern genauere Informationen zu liefern. Ein paar kleinere Blätter konnte Richter dennoch vor ihnen verstecken, die er dann nur noch an den Rastplätzen hinterließ, wenn er nicht beobachtet wurde. Aber sein Mut sank. Hatte er sich anfangs vorgestellt, die Soldaten würden seinen Spuren folgen und ihn sicher in kürzester Zeit finden, so hatte er mittlerweile begriffen, dass es wohl doch nicht so einfach werden würde. Seine Entführer hatten ihn in die Mitte genommen. Ein paar der Banditen gingen voran, andere folgten hinter ihm. Sie ließen ihm keine Möglichkeit, zurückzufallen, um die Flucht zu verlangsamen. Wenn er nicht mit ihnen Schritt hielt, forderten sie ihn harsch zur Eile auf. Gegen Mitternacht erreichten sie eines der bewaldeten Täler, die sich von den Gipfeln des Olymps nach Norden zogen. Es dauerte noch einige Stunden des Aufstiegs, während der sie sich immer wieder auch durch Unterholz zu kämpfen hatten, bis sie endlich einen Unterstand aus Steinen, Stöcken und Moos erreichten. Sie krochen hinein. Der Boden war feucht und kalt.

Auszug aus dem Buch: „Die Entführung des Edwart Richter - Ein diplomatisches Verwirrspiel am Olymp

An der Westseite des Götterberges Olymp liegt auf einer Höhe von 1.250 Metern das pittoreske Dorf Kokkinopilos oder Kokkinoplo, das seinen Namen nach dem roten Boden trägt, auf dem es steht. In dieser Region kam es im Sommer 1911 zur Entführung eines deutschen Staatsbürgers, die zu Spannungen zwischen Griechenland, der Türkei und dem Deutschen Reich führte. Edwart Richter, ein deutscher Ingenieur, hatte den Plan, als Erster den Gipfel des Olymps zu besteigen, und endete schließlich in den Händen von „Guerillabanden“, den sogenannten Klephten, die ein Lösegeld erpressen wollten. Kokkinoplo befand sich bis zur Befreiung im Oktober 1912 noch auf türkischem Gebiet; die griechisch-türkische Grenze verlief vom Ambrakischen Golf im Westen über Arta bis zum unteren Olymp im Osten. Das vorliegende Buch basiert auf der offiziellen Korrespondenz des griechischen Außenministeriums, dem Buch „The Richter Case“ von Giannis Adamou, weiteren Veröffentlichungen sowie auf Richters eigenem Buch „Meine Erlebnisse in der Gefangenschaft am Olymp nebst Schilderung der Entwicklung des Klephtenwesens.“ Am Vorabend der Balkankriege und des Ersten Weltkrieges herrschte in Europa ein ständiger Wechsel von Allianzen. Vor diesem politischen Hintergrund bereitete sich Edwart Richter Anfang 1911 in der Stadt Jena auf seine dritte Reise nach Hellas vor. Die Griechen allerdings beschlossen, ihn nach seiner Ankunft zu entführen, um so weitere Probleme in den Beziehungen zwischen Berlin und Konstantinopel zu schaffen. Das Osmanische Reich wurde in der Folge bei seinem Verbündeten Deutschland diskreditiert und zeigte Europa, dass es weder seine Bürger schützen noch seine Territorien kontrollieren konnte. Die Entführung Richters hob die Moral der in den osmanischen Gebieten ansässigen Griechen und Griechenlands im Allgemeinen sowie der griechischen Armee im Besonderen, da die Entführer einen Teil des Lösegelds den Militärs übergaben.

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