Lange Zeit war Griechenland ein wichtiges Zentrum der europäischen Seidenweberei, und noch heute erinnert der Name Metaxourgío (Μεταξουργείο, dt.: Seidenfabrik) für eines der alten, traditionellen Viertel in der Athener Innenstadt daran, dass 1855 dort die bedeutendste Seidenfabrik des gesamten Balkanraums in Betrieb genommen worden war. Chinesische Billigimporte sowie die Verbreitung von Kunstseide ließen das griechische Seidengeschäft im späten 19. Jahrhundert jedoch weitgehend einbrechen.
Beheimatet war die Seidenproduktion ursprünglich im Alten China. In Griechenland sind erste Importe von dort im 5. Jahrhundert v. Chr. nachweisbar, und nicht zuletzt infolge der weit nach Osten ausgreifenden Feldzüge Alexanders des Großen in der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. gerieten entsprechende Stoffe zusehends in den Blick der Griechen. Rasch entwickelten sie sich zu einem überaus begehrten Luxusgut in Hellas und Rom, das seit dem 2. Jahrhundert v. Chr. über die Seidenstraße – teils auch auf dem Seeweg über Indien – in den Westen transportiert wurde. Andere Seidensorten wie beispielsweise von der Insel Kos konnten mit der echten chinesischen Ware nicht als gleichrangig mithalten.
Der entscheidende Coup gelang dann in der Mitte des 6. Jahrhunderts, als unter Kaiser Justinian die für die Herstellung des Stoffs so wichtige Seidenraupe (Bombyx mori) selbst nach Konstantinopel gebracht werden konnte. Versteckt in ihren Reisestöcken sollen zwei christliche Mönche Eier von Raupen aus Ostasien dorthin geschmuggelt haben. Damit konnte sich das Byzantinische Reich in der Folge zunächst ein Seidenmonopol in Europa sichern. Mitte des 12. Jahrhunderts jedoch entführte der sizilische Normannenkönig Roger II. Raupen und Weber aus Theben und Korinth nach Palermo, um dort eine eigene Seidenproduktion aufzubauen. Nichtsdestotrotz aber wurde auch auf dem Balkan weiterhin das lukrative Geschäft mit der Seide betrieben.
Heute spielt die Seidenmanufaktur für die griechische Wirtschaft kaum noch eine nennenswerte Rolle. Sie konzentriert sich im Wesentlichen auf den äußersten Nordwesten des Landes mit dem in dieser Hinsicht einst blühenden Ort Soufli im griechisch-bulgarisch-türkischen Grenzgebiet. Dort dokumentiert ein örtliches Seidenmuseum auch eindrucksvoll die Geschichte des edlen Stoffs. (Griechenland Zeitung / Jens Rohmann)