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Essbare Stacheltiere

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Wehe, Sie haben einen Stachel der an den griechischen Küsten anzutreffenden Seeigel im Fuß! Befeuchten Sie den abgebrochenen Stachel mit Olivenöl, damit er sich von selbst aus Ihrer Haut herauslöst! Die golfballgroβen Nützlinge halten sich bis zu einem Meter Tiefe im Flachwasser auf, ernähren sich vom Algenbewuchs und säubern auf diese Weise das Meer.


In der Antike wies Plinius in seiner Naturgeschichte auf ihre Funktion als Sturmwarnungssystem hin, weil manche Seeigelarten sich nicht nur zur Tarnung, sondern zudem bei heraufziehenden Gewittern mit Steinen und Muscheln beschweren, um sich in der stürmischen See mehr Halt zu verschaffen. Während eines Festmahls nannte ein Spartaner die ihm vorgesetzte stachelige Speise einst ein „gemeines Gericht“ weil er, statt das weiche Innere zu verzehren, in die harte Schale biss.
Aus dieser Anekdote geht hervor, dass Seeigel bereits vor langer Zeit eine geheime Delikatesse waren. Um die Meeresfrucht zu genießen, bedarf es allerdings einiger Mühe. Dabei eignet sich nur ein geringer Anteil zum Verzehr: die Eierstöcke oder Gonaden der zweigeschlechtlichen Tiere. Das Fleisch ist an der Wandung der Schale befestigt und von leuchtendem Orangerot. Für den achtzigjährigen Sotiris sind die frischen rohen Eierstöcke eine Götterspeise. Um einen Sack Seeigel zu ernten, fuhr er den ganzen Morgen über mit seinem Boot an der steinigen Küste entlang. Er weiβ von Kindesbeinen an, wie man die Stacheltiere aus dem Meer fischt, ohne sich dabei zu verletzen. Damit ist die Arbeit jedoch längst nicht getan. Die Seeigel gehören frisch verzehrt, weshalb Sotiris gleich bei seiner Ankunft im Hafen einen Panzer nach dem andern fachmännisch mit dem Messer öffnet, das leuchtend orangerote Fleisch aus dem Inneren kratzt und die frischen Gonaden auf einen Teller legt. Da proportional zu ihrer Größe nur ein kleinster Anteil essbar ist, häuft sich ein kniehoher Haufen Stachelschalen zu seinen Füßen, während der Teller nur knapp mit den frischen Eierstöcken gefüllt ist. Weil die Ernte einer Handvoll Gonaden mit viel Aufwand verbunden ist, sind Seeigel eine selten anzutreffende Delikatesse. Sie können als achinόs gemistόs zubereitet werden, als Seeigel mit einer Reisfüllung. Doch für Sotiris kommt solch eine Zubereitung nicht in Frage. Er besteht darauf, die Seeigel ohne Zutaten zu essen – roh, nur etwas Brot in den Saft tunken: vom Meer in den Mund! Der Geschmack? Es ist, als zerginge einem die pure Essenz des Meeres auf der Zunge!  (Griechenland Zeitung / Linda Graf)

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