Der griechische Nationalfeiertag 2021 am kommenden 25. März wird ein besonderer sein. An diesem Tag vor nunmehr 200 Jahren begannen die Hellenen auf dem Peloponnes ihren Freiheitskampf gegen die Osmanen, die das Land seit der Eroberung des byzantinischen Konstantinopels im Jahre 1453 besetzten.
Acht Jahre dauerte ihre Revolution (1821 bis 1829), die erst mit dem Eingriff Großbritanniens, Frankreichs und Russlands zugunsten der Griechen von Erfolg gekrönt war. Ihre Hoffnung auf einen unabhängigen Staat nach fast 400 Jahren ununterbrochenem Widerstand gegen die türkische Besatzung ging 1830 in Erfüllung. Diesen besonderen historischen Jahrestag begeht jetzt der Athener Verlag der Griechenland Zeitung mit der Veröffentlichung einer überarbeiteten deutschen Übersetzung des Romans „Held von Kastropyrgos“ von M. Karagatsis. Unter diesem Pseudonym veröffentlichte der Schriftsteller Dimitrios Rodopoulos (1908-1960) 15 Romane und diverse Erzählbände, die ihn als einen der bedeutendsten Prosaautoren der modernen griechischen Literaturgeschichte ausweisen.
In seinem Roman, der auch auf der Halbinsel Peloponnes mitten in der Zeit des griechischen Aufstandes spielt, beschreibt Karagatsis nicht nur reale geschichtliche Hintergründe und real existierende Akteure, die in diese Ereignisse verwickelt waren. Mit einem wachen und unvoreingenommenen Blick seziert und analysiert er auch Allgemeinzustände und individuelle Befindlichkeiten. Außerdem verarbeitet der Autor die wahre Geschichte eines seiner Vorfahren. Wie der Romanheld Michalos Russis war auch sein Urgroßvater während der Fremdherrschaft der Osmanen oberster Verwalter (Kotzainbassis) einer kleinen peloponnesischen Stadt auf dem Peloponnes. Um sein Schicksal mit einzuflechten, hat Karagatsis eine Autobiografie seines Vaters Georgios Rodopoulos herangezogen, in der das Leben des Urgroßvaters geschildert wurde. Das Dasein von Michalos Russis, der der griechischen Elite angehört, wird von klaren Werten bestimmt: Geld und Wohlstand, Liebe zum Leben, Abscheu vor dem Tod. Der Gutsherr hat sich bestens mit den türkischen Besatzern arrangiert. Er hält wenig von Umstürzen, der Geist der Revolution ist ihm zuwider. Er ist ein Bilderbuch-Opportunist, der sein Mäntelchen geschickt nach dem Wind hängt und nach einem Fast-Absturz mit etwas Glück wieder nach oben gespült wird.
Geschichte in literarischer Abhandlung
Der unerwartet erfolgreiche Verlauf des Aufstandes seiner Landsleute zwingt ihn aber, sich der Sache der griechischen Nation anzuschließen: Er kommt durch Zufall an die vorderste Front und wird dort unfreiwillig zum Helden. Bleibende Aktualität kommt dem Roman von M. Karagatsis zu, weil er die Wirren von Kriegen darstellt, durch die Menschen aus ihrem Alltag gerissen und zur Flucht gezwungen werden. Es ist ein Buch über Liebe, Lüge und Verrat. Es ist aber auch ein Buch über das Bemühen, in undurchsichtigen Zeiten am Leben zu bleiben. Der „Held von Kastropyrgos“ trägt in literarischer Form dazu bei, die Ereignisse in Griechenland von vor 200 Jahren besser einordnen und verstehen zu können.
Quelle: Rezension aus dem Luxemburger Wort / mpw vom 30. Januar 2021
M. Karagatsis: Held von Kastropyrgos. Ein Schicksal aus dem griechischen Befreiungskrieg 1821. 264 Seiten, fest gebunden, 19 x 12 cm. Verlag der Griechenland Zeitung, Athen 2021.
ISBN: 978-3-99021-039-0