Am morgigen Donnerstag findet in Griechenland ein Generalstreik statt. Es ist der 36. Ausstand dieser Art seit 2010, als die Finanz- und Wirtschaftskrise in Griechenland öffentlich registriert worden ist. Beobachter rechnen mit einer massenhaften Beteiligung.
Zum Protest aufgerufen haben die beiden Dachgewerkschaften Öffentlicher Dienst (ADEDY) und der Privatwirtschaft (GSEE). Deren Hauptkundgebung findet um 11.00 Uhr am Athener Klafthmonos-Platz statt. Von dort aus werden die Demonstranten Richtung Parlament marschieren. Die kommunistische Gewerkschaft PAME wird separat um 10.30 Uhr am Omonia-Platz eine ähnliche Kundgebung in der Hauptstadt durchführen.
Ganz unterschiedliche Berufsgruppen
Am Ausstand beteiligen werden sich Mitglieder ganz unterschiedlicher Zünfte, darunter nicht nur kampferprobte Gewerkschaften wie etwa die des staatlichen Energieproduzenten DEI, sondern auch Wissenschaftler, Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Krankenhauspersonal, der Rettungsdienst EKAV, Apotheker, Händler, Kleinindustrielle, Bäcker, Händler der Wochenmärkte, Tankstellenbesitzer und Lastwagenfahrer. Die Vereinigung der Lastwagenbesitzer will ihren Ausstand zu einem Dauerstreik ausweiten.
Nah- und Fernverkehr betroffen
Massiv beeinträchtigt werden am Donnerstag vor allem auch der öffentliche Nah- und Fernverkehr. Die Seemannsgewerkschaft PNO legt nicht nur am Donnerstag, sondern auch am Freitag für jeweils 24 Stunden Arbeit nieder – dadurch kommt der Fährverkehr abermals komplett zum Erliegen. Zudem wollen die Seeleute über eine weitere Ausdehnung ihrer Proteste beraten. Ganztägig wollen auch die Mitarbeiter der griechischen Bahn OSE dafür sorgen, dass sich kein Rad mehr dreht. Dem Streik angeschlossen haben sich auch die Taxibesitzer: Rund 30.000 Taxis, die normalerweise in ganz Griechenland unterwegs sind, bleiben in den Garagen.
Auch der Athener Nahverkehr wird am Donnerstag ganz oder teilweise zum Erliegen kommen. Die Angestellten der Elektrobahn ISAP (Grüne U-Bahnlinie), der Oberleitungsbusse werden sich ganztägig der Arbeit verweigern. Davon betroffen ist auch die Athener Vorortbahn „Proastiakos“, die u. a. den Athener Internationalen Flughafen Eleftherios Venizelos bedient. Die Athener U-Bahn (Attiko Metro) wird lediglich zwischen 10.00 und 16.00 Uhr verkehren, wie es heißt, um den Zugang der Demonstranten zu den Protestkundgebungen zu erleichtern. Aus dem gleichen Grund werden morgen die blauen Stadtbusse und die Straßenbahn Tram nur zwischen 9.00 und 21.00 Uhr verkehren.
Beeinträchtigt wird schließlich auch der Luftverkehr; die Fluglotsen werden zwischen 8.00 und 12.00 Uhr in den Ausstand treten. Besonders betroffen sind voraussichtlich die Inlandsdestinationen nach bzw. von Paros, Milos, Kalymnos, Leros, Astypaläa, Ikaria und Kythira.
Verschärfter Widerstand der Bauern
Deutlich verschärfen wollen auch die Landwirte ihre Proteste. Sie sperren mit ihren Traktoren bereits seit Tagen stundenweise Abschnitte auf Nationalstraßen sowie Grenzübergänge. Am Dienstag und Mittwoch versorgten sie aufgebrachte LKW-Fahrer, deren Fahrzeuge sich über mehrere Kilometer an Grenzübergängen stauten mit Essen und Getränken. Am Donnerstag wollen sich viele Bauern ebenfalls in Athen zu einer Kundgebung einfinden. In der nordgriechischen Stadt Thessaloniki wollen sie sogar mit ihren Traktoren einfahren, was für Verkehrsbehinderungen sorgen dürfte. Viele Straßenabschnitte sollen am Donnerstag ganztägig blockiert werden – lediglich Kundgebungsteilnehmern soll freie Durchfahrt gewährt werden.
Um über den Generalstreik berichten zu können, legen die Journalisten bereits am heutigen Mittwoch ihre Arbeit nieder. Es werden keine Informations- oder Nachrichtensendungen in Radio und Fernsehen ausgestrahlt. Am Donnerstag erscheinen aus dem gleichen Grund keine Zeitungen.
Aller Voraussicht dürfte es mit Abstand der größte Massenprotest werden, mit dem sich die Regierung aus dem Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) und den rechtspopulistischen Unabhängigen Griechen (ANEL) seit Übernahme der Amtsgeschäfte vor einem Jahr konfrontiert sieht. Gerichtet ist der Widerstand vor allem gegen die geplante Reform der Sozial- und Rentenversicherung, die mit den internationalen Gelgebern vereinbart wurde.
Elisa Hübel
Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt ein Plakat am Athener Syntagmaplatz vor dem Parlament, auf dem zum Generalstreik aufgerufen wird. Am Donnerstag werden sich hier wesentlich mehr Menschen einfinden …