Es gibt Träume, die man sich selbst erfüllen kann: Eine Woche auf einem gemütlichen hölzernen Motorsegler knapp oberhalb der Wasserkante von Insel zu Insel, von Bucht zu Bucht zu gondeln, das ist für uns eine ganz neue Griechenland-Erfahrung.
Die „Panagiota“ ist einer der altmodischen (aber modernisierten!) hölzernen Motorsegler. Sie legt vom Alten Hafen in Korfu-Stadt los und schippert uns sieben Tage lang herum – zwischen der Insel und dem Festland, zwischen Paxos und Antipaxos, wie es Wind und Wellen gerade erlauben. Kapitän Vassilis entscheidet, wohin es geht. Manchmal gibt es in den winzigen Häfen keinen Platz für mehr als ein größeres Schiff. Nun, dann vielleicht morgen. Es ist ja auch egal: Wohin wir fahren, überall ist es schön. Unterwegs sein auf dem Meer ist das Programm. Wir schlafen sieben Nächte im Bauch des Schiffes in einer winzigen Kabine. Nachts schaukelt es manchmal leicht, sodass wir uns wie Babys in der Wiege fühlen. Jede Kajüte verfügt über ein eigenes Bad. Auf dem Deck ganz oben kann man sich auf flachen Liegen sonnen. Gesünder für die Haut sind die vielen Sitze draußen unter einem festen Sonnendach, denn die Intensität der Sonnenstrahlung ist auf dem Wasser sehr hoch.
Der Name des Schiffes prangt über den Fenstern.
Die Ausfahrt aus dem Hafen von Korfu
An Bord hat sich ein lustiges Völkchen zusammengefunden – aus sechs Ländern und mit fünf Sprachen, insgesamt 19 Leute. Von Anfang 20 bis Ende 70 ist jede Altersgruppe vertreten. Englisch können (fast) alle gut, also ist das die Kommunikationssprache. Trotzdem: Jeder kann auch ein bisschen Deutsch, Spanisch, Französisch oder Italienisch, sodass es lustig durcheinandergeht. Wie sagt ihr bei euch „Ok“? Na, ok! Wie heißen Kichererbsen in den verschiedenen Sprachen? Wir hatten viel Spaß dabei. Die Ausfahrt aus dem Hafen von Korfu, vorbei am Kastell, ist allein schon ein Genuss. Der Achilleon-Palast von Kaiserin Sisi liegt im Grün. Überhaupt: Die Dominanz des Grün an Land sticht hervor. Silbern glitzert wiederum das Meer. Die Steilküsten der Nachbarinseln Paxos und Antipaxos mit Faltungen, Schichtungen, Grotten und Höhlen sind sehenswert. Manchmal wirken einige Steinformationen wie aufgestapelt, mal stehen sie senkrecht nebeneinander, mal erscheinen sie rund und wulstig wie erstarrter Kuchenteig. Obenauf niedrige Kiefernbüsche, Macchie, Olivenbäume, Kiefern, Zypressen. Dazu mal eine weiße Kapelle, ein Leuchtturm.
Schwimmpausen ohne Taucherbrille
Wir lassen uns Zeit, springen täglich mehrmals mit einem Plumps vom Bordrand oder klettern über eine Treppe ins blaue Wasser. Wie klar, wie ruhig, wie sauber! Taucherbrille? Überflüssig. Man sieht jedes Fischlein auch so. Ein besonderes Schauspiel ist das Ankern in einer beliebigen Bucht. Ein junger Matrose, mal Jorgos, mal Mohammed, muss mit einem dicken Tau an Land schwimmen, das er an einem Felsen festbinden soll. Kapitän Vassilis begutachtet alles. Er schüttelt den Kopf. Nein, so hält das nicht. Einmal fand Jorgos erst beim dritten Anlauf eine geeignete Stelle. Manche schnorcheln bei diesen Schwimmpausen mit Leidenschaft. Ich schwimme lange umher, bis meine Hände schrumpelig werden wie bei Kindern, die zu lange in der Badewanne sitzen. Paddelboote werden ins Wasser geworfen, Borde für Stand-up Paddling, Schwimmnudeln, alles wird gern ausprobiert. Spaß wird großgeschrieben! Ich schwimme in eine Grotte hinein. Da schwappt es, der Hall ist lustig, die Felsdecke bröckelig. Schnell raus, ehe nachher eine Schlagzeile in den Medien erscheint wie: „Deutsche Touristin in griechischer Höhle durch Steinschlag verletzt!“
Unwiderstehliche griechische Bordküche
Der Koch wirft Brotbröckchen ins Wasser. Er will angeln, Fische anlocken. Die Besatzung geht mit uns schwimmen und mischt sich unter die Passagiere. Arbeit und Freizeit werden nicht scharf getrennt. Auch heißt Service in Griechenland nicht, dass man sich immer von den Betreuten separiert.
Mittags kocht Koch Epaminondas. So ein langer Name! Also nur Nondas! Beim Essen sitzen alle Passagiere an zwei langen Bänken zusammen. Nondas gibt sich große Mühe und bringt all das auf den Tisch, was Griechen (und wir!) gern essen. Alles sehr gut! Erstaunlich, wie er und Nelly in der winzigen Küche hantieren und Platz für alles finden. Drei Vorspeisen zur Auswahl; gute, typische Gerichte, kein „Touristenessen“. Frittierte Fischchen z. B., gefüllte Weinblätter mit Avgolemono-Soße, frischer Salat, Gemista, Moussaka, Papoutsakia: unwiderstehlich. Zum Nachtisch gibt es oft Melone, Kirschen, Apfelstücke mit Zimt und Zucker: köstlich! Das Mittagessen schmeckt so gut, dass wir am Ende zum Dank klatschen.
Dort wo die Einheimischen unter sich sind
Nach Korfu tuckern wir zuerst bis nach Antipaxos, das nicht viel anders aussieht als die große Schwester. Zwischen den weißen Felsen liegen feine Sandstrände, karibisch anmutende Lagunen. Auf Paxos selbst biegen wir dann in den langen Kanal ein, der Enge zwischen einer vorgelagerten Insel und dem Dorf Gaios. Kleine und große Boote kommen uns entgegen, auch zwei größere Ausflugsschiffe. Viele teure Yachten sind unterwegs. Es wird gehupt, macht Platz! Was für ein Gedränge auf dem Wasser. Es gibt nur wenige Ankerplätze für Schiffe mit einem gewissen Tiefgang. Unsere „Panagiota“ schickt sich an, rückwärts einzuparken, und unsere Crew manövriert sie sicher in eine enge Lücke. Der Steg wird heruntergelassen, wir gehen von Bord, Ausschwärmen zum Essen und Erkunden! Der Ort liegt ausgestreckt entlang der Bucht verlockend in der Sonne. Mehrere klassizistische Bauten, ein Platz mit einer rot gestrichenen Kirche, hübsche Lokale, eine zentrale Platia. Unglaublich üppige, farbintensive Blumen und Ranken, viele Weinblätterdächer geben dem Ganzen einen malerischen Anstrich. Wir biegen ein in die Gassen mit Bars und Restaurants sowie etlichen Andenken- und Klamottenläden. Bald geraten wir in die hinteren Reihen, dort wo die Einheimischen unter sich sind. Wir stoßen auf einen kleinen Stand, den Mädchen aufgebaut haben – mit Muscheln, Schnecken und selbst bemalten Steinen, die sie geschäftstüchtig verkaufen wollen. Die Jungs sitzen gegenüber zusammen, jeder guckt intensiv auf sein Handy. Wenn einer was Lustiges gefunden hat, recken alle die Hälse und wollen das auch mal sehen. Die Mädchen machen derweil ordentlich Kasse.
Von Gaios nach Lakka
Nach Gaios geht es weiter nach Lakka im Norden. Der Hafen liegt in einer tief eingeschnittenen Bucht. Die Farben gelb, ocker, rosa und weiß dominieren. Auch hier herrscht ein Gewimmel an Booten. Die Tische und Stühle von Lokalen stehen direkt auf dem Beton des Hafenrands. Wir drehen eine Runde durchs Dorf und setzen uns in ein traditionelles Kafenion auf ein Abendbierchen. Hier gibt es zum Getränk nicht die inzwischen oft üblichen Touristen-Nüsschen, sondern noch die traditionellen Gurken- und Fetastücke. Eine weitere Spazierrunde brauchen wir dann, bis wir den perfekten Platz am Wasser mit Aussicht und dem passenden Angebot gefunden haben. Auf rot karierten Tischdecken liegen mit Oliven bedruckten Sets aus Packpapier. Tomatokeftedes und Spetsofai werden uns serviert. Dazu eine Karaffe weißen Hausweins. Später vielleicht mehr Mezedes, tha doume. Kein Brot? Hat der Wirt nicht, nur Pittabrot. Was? In Griechenland – und kein frisches Brot? Der Wirt lächelt verlegen und zuckt mit den Schultern. Nach einer Weile bringt er ein Körbchen mit frischem Brot. Mit einem Triumphlächeln stellt er es uns auf den Tisch. Der Bäcker nebenan war noch offen. Bravo!
Italienisch anmutendes Parga
Nach dem Inselhopping nähern wir uns dem Festland. Die Ruinen der venezianischen Festung auf der vorgelagerten Halbinsel vor Parga an der griechischen Westküste liegt sehr romantisch hoch oben auf der linken Seite der Einfahrt. Der Ort zieht sich den Hang hoch. Die Farben sind nicht die gewohnt klassisch griechischen, sondern eher italienisch anmutend. Auf der rechten Seite der Bucht liegt ein Inselchen mit zwei weißen Kapellen – für Maria und den heiligen Prokopios. Insgesamt eine intime Atmosphäre, die eine langen Hafenfront, an der sich ein Lokal an das andere reiht, ergänzt. Leinen los, es geht in Richtung Sivota, etwas weiter im Norden. Sivota ist eine neuere Siedlung mit einem historischen Kern, von dem aber nicht mehr viel zu sehen ist. Wir ankern direkt vor der Strandpromenade. Es ist viel los, die Nähe zum Fährhafen Igoumenitsa macht sich bemerkbar. Nicht zuletzt locken dort auch zwei familienfreundliche Strände. Bei ihrem Anblick sind wir dennoch froh, dass wir nie im Menschengetümmel schwimmen mussten. Was für eine ruhige, erholsame Reise! Gesegelt wurde übrigens gar nicht. Kein kleines bisschen! Wozu die Arbeit mit dem Ein- und Ausrollen der Segel, wenn man einen verlässlichen Motor hat. Auch bei den vielen anderen Segelyachten, an denen wir vorbeifahren, sehen wir kaum mal ein aufgespanntes Segel. Vielleicht ist tatsächlich zu wenig Wind? Die „Panagiota“ ist ein Motorsegler. Es kommt darauf an, was man betont.
Text und Fotos von Hiltrud Koch
Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 883 am 20. Juli 2023.