Griechenlands viertgrößte Insel galt in der Antike als Besitz des Sonnengottes Helios. Der verwöhnt sie bis heute mit reichlich Sonnenschein. An über 300 Tagen im Jahr lässt sich Helios auf Rhodos blicken, scheint dabei über 3.000 Stunden lang auf Strände, Berge, Steilküsten, Dörfer, archäologische Stätten und eine einzigartige mittelalterliche Stadt.
Die bis zu 1.215 Meter hohe, teilweise dicht bewaldete Insel Rhodos in Sichtweite der kleinasiatischen Küste ist abwechslungsreich genug, um auch drei Wochen lang jeden Tag etwas Spannendes erleben zu können. Wer Rhodos einmal umrunden will, legt dabei 189 Kilometer zurück. Unterkunftsmöglichkeiten gibt es in jedem Küstenort, in vielen Bergdörfern und sogar in den Wäldern am Berg Profitis Ilias. Wassersportstationen finden sich an vielen Stränden, aber es gibt auch Tauchschulen, einen Golfplatz und gute Reitställe. Weinkellereien laden zu Verkostungen ein, kleine Nachbarinseln wie Symi, Chalki und Tilos sind auch auf eigene Faust gut als Tagesausflugsziele erreichbar.
Mandraki
Wow – schöner kann ein Hafen kaum sein! Und Sie sitzen mittendrin, auf der hyper cool gestylten Floating Bar Kontiki. Schlecken ein Eis, nippen am Ouzo, gönnen sich den Lobster. Ringsum Segelyachten, Ausflugs- und Fischerboote. Auf dem Kai ein paar alte Windmühlen mit roten Kappen. Angler unter den Säulen an der Hafeneinfahrt, die in der Antike der legendäre Koloss von Rhodos überspannte. Bauten wie aus 1001er Nacht am Ufer, vor gut 80 Jahren erbaut von italienischen Faschisten, die von einem Italia Ultramare träumten. Am schönsten ist die Markthalle Nea Agora mit Konditoreien an der Wasserfront und Gyros-Buden im Innenhof. Und dahinter der gewaltige Großmeisterpalast aus dem Mittelalter, als Rhodos ein Kreuzritterstaat war.
Mittelalterattribute in der Stadt
Altstadt
Das Beamen klappt: Durch mächtige Stadttore geht es hinein in die riesige Altstadt, in der kein Neubau das mittelalterliche Bild trübt. Hohe Absätze bleiben im Pflaster aus senkrecht gestellten Kieselsteinen hängen, durch enge Gassen schleichen die Kätzchen, an kleinen Plätzen ragen die Minarette alter Moscheen in den blauen Himmel. Durch die Hauptgasse Odos Sokratou drängen sich vielleicht die Massen, aber schon ein paar Schritte abseits scheint es, als könnte jederzeit ein Held in Ritterrüstung um die Ecke kommen. Ein paar kleine Cafés, Tavernen und Werkstätten haben sich in 700 Jahre alten Häusern angesiedelt – und nachts trifft sich die griechische Jugend in den Bars und Clubs um die Ibrahim-Pascha-Moschee bei Wasserpfeife und Craft Beer, während die meisten Urlauber in Faliraki abrocken.
Das romantische Lindos mit seinem Tempelberg
Lindos
Bilderbuchdorf gewünscht? In Lindos ducken sich weiße, kubische Häuser mit Regenwasser sammelnden Flachdächern dicht an dicht in ein Felstal zwischen Strand und Akropolis. Die Gassen sind autofrei, nur Esel tragen Urlauber hinauf auf den Götterberg. Da umringen Mauern aus Kreuzritterzeiten ein zierliches Tempelchen aus der Antike. An der Felswand gegenüber schauen antike Grabeshöhlen wie hohle Augenlöcher aufs Dorf hinunter, wo viele der Flachdächer jetzt von Tavernen als Aussichtsterrassen genutzt werden. In der Dorfkirche trägt der hl. Christophorus einen Hundekopf, am Fuß des Akropolisfelsens haben die Menschen vor 2.400 Jahren ein Theater aus dem Stein gehauen. In der geschützten Bucht mit dem goldgelben Strand legen Ausflugsboote an, drehen Wasserskiläufer ihre Runden. Wer bis abends bleibt, kommt in den Genuss der angestrahlten Akropolis unterm weiten Sternenhimmel.
Prassonissi
Sahara am Meer: An der Südspitze der Insel treffen zwei superbreite Sandstrände aufeinander, führen als schmales, oft vom Meer überspültes Sandband hinüber zu einem Inselchen. Wind- und Kitesurfer fühlen sich wie im Paradies, denn für fast jede Windrichtung und Kompetenzstufe ist das Revier ideal. Zwei Stationen sorgen für Equipment und Unterricht, ein paar Tavernen fürs leibliche Wohl. Zum Baden kommt man eher nicht hierher, denn Schatten gibt es nirgendwo.
Agios Nikolaos Foundoukli
Agios Nikolaos Foundoukli
Rhodos ist doch viel zu touristisch? Stimmt nicht. Sobald Sie die Küsten verlassen, erleben Sie ungemein viel Ursprüngliches und Natur pur. Immerhin ist Rhodos ja die viertgrößte griechische Insel – da führen die Dörfer im Binnenland durchaus noch ein untouristisches Eigenleben. Wälder und Felder gehören zum Landschaftsbild – und einsame Kirchlein wie Agios Nikolaos Foundoukli am Weg von der Ostküste auf den zweithöchsten Inselberg, den Profitis Ilias (798 Meter). Trauernde Eltern haben es vor über 500 Jahren mit Wandmalereien zum himmlischen Wohl ihrer früh verstorbenen Kinder ausschmücken lassen. Manchmal weiden Ziegen und Schafe auf dem Kirchhof, und immer ist der Platz im ganz stillen und grünen Tal ideal für ein Picknick.
Klaus Bötig
Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 740 am 2. September 2020.