Login RSS

Umweltfreundlich und -bewusst in einer Höhle von Oia Tagesthema

  • geschrieben von 
Vom Hafen Skala nach Fira (© aus dem 2020 im Athener Verlag Patakis erschienenen Buch „Robert A. McCabe/Μαργαρίτα Πουρνάρα: Σαντορίνη – Εικόνες μιας άλλης εποχής“) Vom Hafen Skala nach Fira (© aus dem 2020 im Athener Verlag Patakis erschienenen Buch „Robert A. McCabe/Μαργαρίτα Πουρνάρα: Σαντορίνη – Εικόνες μιας άλλης εποχής“)

Junge Menschen aus dem Ausland entdeckten schon in den 1960er Jahren die exklusiven Schönheiten der Kykladeninseln. Besonders Santorins. Unsere Autorin erinnert sich, wie es damals war, als sie sich mit Gleichgesinnten entschied, eine Bimssteinhöhle in Oia zu erwerben.

Ich kam zum ersten Mal 1960 mit dem uralten Schiff „Achilleos“ (Bruderschiff „Agamemnon“) in Piräus an, um aber dann, nach etwa einem halben Tag Aufenthalt im Hafen und einer schnellen, etwas ängstlichen Akropolisbesichtigung – man wollte ja schließlich das Schiff nicht versäumen –, weiterzureisen, über Alexandria, Port Said und Zypern bis Beirut. Dort wollte ich Archäologie studieren, was ich dann auch von 1960 (BA 1963) bis 1967 (MA) tat.  Beide Schiffe sind inzwischen längst verschrottet. Seufzer!

Bewunderung für unsere Zisterne

In den späteren Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts erstanden wir zusammen mit griechischen Freunden eine Bimssteinhöhle in Oia (Perivola) auf Santorin. Ich war damals überrascht, wie viele Deutsche dort schon vor mir angekommen waren, viele unter ihnen aus Bayern. Das Bimssteinhaus besaß eine sehr große und tiefe, lebenswichtige Zisterne, denn es gab ja sonst kein Wasser. Bei einem späteren Besuch eines jungen amerikanischen Architekten bei uns traute ich meinen Ohren nicht, als er nach einem Blick in die tiefe und geräumige Zisterne meinte, dass man die ja wunderbar trockenlegen könnte, um einen weiteren Wohnraum zu gewinnen. Meine kurze Frage war nur: „Ja, und wie kommt dann das Wasser ins Haus?“ Regenwasser sammelte sich auf der oberen Dachterrasse und lief dann durch ein Regenrohr auf die untere Terrasse; von dort unterhalb der geräumigen Wohnhöhle und von dem winzigen Küchenraum mit winziger Kochfläche in die tiefer-liegenden Zisterne. Wir waren nie ohne Wasser, und viele Einheimische bewunderten unsere Zisterne, weil sie natürlich wussten, wie lebensnotwendig in diesem Kontext eine große Zisterne war. 

Touristen auf schlauen Eseln

Wir verbrachten dort total gesunde Ferien, denn es gab bei jedem Aufenthalt viel zu tun.  Die Wände drinnen und draußen mussten frisch geweißelt werden. Das erhöhte, im Kykladenstil erbaute Klo funktionierte ohne Wasser. Stattdessen benutzten wir überreichlich vorhandene Vulkanasche, sehr umweltfreundlich und -bewusst! Zur damaligen Zeit gab es nur einen oder zwei kleine Busse von Fira nach Oia in der Woche, und das auf einer nicht asphaltierten Straße. Deswegen wanderten wir oft vergnüglich hin und zurück über den uralten Fußweg oberhalb der Straße mit hinreißender Aussicht rundum. Auch erinnere ich mich sehr wohl an die schlauen Maulesel, die es immer fertigbrachten, die Touristinnen und Touristen aus dem In- und Ausland, ganz nahe am Lava- oder Bimssteinfelsen entlangzuführen, was jedes Mal die Gefahr in sich barg, dass die Haut an mindestens einem Knie vom Gestein aufgeschürft würde.

Besagte Höhle musste ich allerdings Jahrzehnte später aufgeben, weil ich ab einem gewissen Alter nicht mehr den Berg hinaufgekommen wäre. Auch auf Esels- oder Maultierrücken traute ich mich nicht mehr so ganz. Dennoch habe ich Santorin damals eigentlich bedauert, als dort der Flughafen gebaut wurde und noch viele andere „moderne“ Errungenschaften eingeführt wurden, die dann schließlich diese großartige und malerisch-dramatische Vulkaninsel zu einem der vielleicht bekanntesten und meistbesuchten und -fotografierten Reiseziele in Griechenland gemacht hat.

TouriRep_2.jpg

Alter Inselbus mit Stil (Foto: © Robert A. McCabe)

Hindernisse für „Pistazienplantage“

Wir erstanden damals nicht nur die Höhlenwohnung, sondern sogar ein kleines Feld gleich nach dem letzten, winzigen Kirchlein auf dem alten Fußweg von Oia nach Fira. Dort pflanzten wir zwanzig Pistazienbäumchen an – kein einfaches Unternehmen. Wir ließen zuerst eine Zisterne ausschachten, um die Bäumchen anfangs zu bewässern.  Aber das ist eine weitere, lange Geschichte. Die Zisterne wurde zu spät, nämlich nach den letzten Regenfällen gegraben, sodass sie leer blieb. Ich versuchte dann um Ostern herum, einen sehr kräftigen Maulesel zu überreden, beladen mit zwei Behältern, die mit Wasser aus der Zisterne der Schule gefüllt wurden, den schmalen Weg von der Dorfschule bis zur letzten Kirche und dem Feld zurückzulegen. Weder Karotten noch freundliches Zureden halfen, bis schließlich ein großer und kräftiger Hamburger oder Bremer Hanseat namens Lutz vorbeikam und es tatsächlich fertigbrachte, das Tier zu bewegen. Also wurde die leere Zisterne auf dem Feld langsam und mühselig gefüllt, denn sonst wäre sie in der folgenden Sommerhitze zerbrochen.

Geduld einer Ortsfremden

An einem schon späten Abend, nach Sonnenuntergang, als ich die letzten Wasserbehälter in die Zisterne entleerte, merkte ich plötzlich, dass ich beobachtet wurde. Und tatsächlich saß ein Mann oberhalb des Feldes auf einem Stein. Er grüßte sehr freundlich und stellte sich als ein Mitglied der Nomikos-Familie* vor. Er meinte, er hätte eigentlich noch nie eine Ortsfremde so geduldig mit einem Maulesel und Wasserbehältern umgehen sehen wie mich. Deswegen hatte er mich schon einige Zeit mit Verwunderung beobachtet. Aber das Ende dieser hoffnungsvollen Geschichte war, dass die Pistazienbäumchen, zwanzig weibliche und einige wenige männliche, zwar nicht verdursteten, aber wieder zu wilden Pistazienpflanzen wurden. Ich habe es immer noch vor, mir einmal anzusehen, ob wenigstens einige wenige dieser Pflanzen überlebt haben – wild oder nicht.

TouriRep_3.jpg

Szene auf Santorin 1962 (Foto: © Ioannis Lambrou)

Der Ring aus Santorin

Mit der Insel Santorin verband mit jedenfalls symbolisch jahrzehntelang ein Ring – wo immer ich mich aufhielt. In den 1960er Jahren gab es in Fira, der Inselhauptstadt, nur ein einziges Lädchen mit feinstem Silberschmuck. Ich erinnere mich, dass ich damals, trotz akutem Geldmangel, nicht widerstehen konnte, dort einen wunderschön gewirkten Ring zu erstehen, den ich fast ein halbes Jahrhundert täglich trug – bis, ja bis ich ihn dann im Jahre 2021 im chaotischen Beirut, nach einem der vielen Händewaschen, die die Corona-Pandemie mit sich brachte, den Ring liegen ließ und natürlich nicht mehr wiederfand. Leider. Dieser Ring von der Vulkaninsel wurde so oft bewundert, dass ich nur hoffen kann, dass das weibliche Wesen, das ihn an sich nahm, so viel Freude an diesem kleinen Schmiedekunstwerk hat wie ich über die vielen Jahre. Fira ohne Lalaounis und Konsorten war eine Reise wert, und ich bin glücklich, dass ich diese Reise damals nach Santorin erleben konnte.

*Bekannte Reederfamilie der Insel, die in unterschiedlichen Bereichen international tätig ist

Text: Helga Seeden, Phd, Prof. Emerita, studierte Archäologie in Beirut: lebt jetzt in Athen.

Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 822 am 4. Mai 2022.

Nach oben

 Warenkorb