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Alonissos – Teil II: Belebung der alten Oberstadt

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Auf Alonissos stößt man immer wieder auf alte Korndrescher. (Fotos: GZmm) Auf Alonissos stößt man immer wieder auf alte Korndrescher. (Fotos: GZmm)

Die Insel der Deutschen

„Unser Haus ist da, wo die Zypresse steht“, erklärt mir Waltraud am Telefon, auf meine Frage hin, ob ich bei ihr und ihrem Mann Martin vorbei schauen könnte.

Und ich wundere mich ein wenig über ihre Erklärung. Schließlich gibt es hier zu Lande ja überall Zypressen. Aber sie hatte Recht. „Mourtero“ ist eine Siedlung auf der Sporadeninsel Alonissos mit nur wenigen Häusern, zirka 15 Kilometer von Patitiri entfernt. Von weitem erkennt man das Haus bei der Zypresse sehr gut. Besser gesagt: die Zypresse vor dem Haus. Ich konnte natürlich genauso gut aus der Ferne gesehen werden. So kam mir auf halbem Wege eine freundliche Frau entgegen, stieg zu mir ins Auto und führte mich zu ihrem Haus.

(Von Marianthi Milona)

Wollen Sie einmal sehen, wie ein echtes traditionelles griechisches Haus früher ausgesehen hat? Dann fahren sie zu Waltraud und Martin. Ich fühlte mich gleich in eine andere Welt versetzt. Mir stiegen Bilder in den Sinn, als würde ich am Haus meiner Großmutter stehen. Sie hatte früher einen steinernen Backofen im Hof stehen, genauso wie Martin. Alles hat er mit seinen eigenen Händen gebaut, sagt er mir, und ich dachte, Jessas, das ist ein Tausendsassa!
Die beiden Pädagogen haben sich vor vielen Jahren ganz bewusst für ein Leben auf Alonissos entschieden. Ihren Beruf hängten sie an den Nagel und haben die Kraft der Natur auf der Insel genutzt, um neue Arbeitsbereiche zu finden. Waltraud hat sich in Kräuterheilkunde ausgebildet und dürfte vielen Lesern der Griechenland Zeitung durch ihren in unregelmäßiger Folge erscheinenden „Ratgeber“ bekannt sein. Martin bietet Alternativ-Wanderungen an. Die beiden kleinen selbstgebauten Nebenhäuschen auf seinem Grundstück verfügen über Zimmer, in denen er seine Gäste gut und gerne unterbringt.

Im einzigen echten Inseldorf

„Es war das Dorf, das mich vor 30 Jahren hier festhielt“, erklärt Martin. Er meint damit „Palio Chorio“, das alte und damals einzige Dorf auf Alonissos, das verlassen dastand. Es wurde in den 60er Jahren von einem Erdbeben heimgesucht, und die Einwohner mussten mit Unterstützung des Staates neue Häuser im heutigen „Patitiri“ bauen, das damals nur ein kleiner Hafen war. Martin kriegt heute noch eine Gänsehaut, wenn er an den Augenblick denkt, als er das Dorf in der Ferne gesehen hatte.
Inzwischen ist „Palio Chorio“ zur Attraktion von Alonissos geworden. Viele Deutsche haben ein Haus in der alten Oberstadt, diesem Bilderbuchdorf gekauft oder neu gebaut. „Unser altes Dorf würde heute nicht existieren, wären da nicht die Deutschen und später auch die Engländer gewesen, die die alte Bausubstanz respektiert und zu schmucken Häuschen im traditionellen Stil ausgebaut hätten“, erzählen mir später die Alten auf Alonissos. Tatsächlich ist der Ort zauberhaft. Auch wenn er im Laufe der Zeit viel von seinem früheren Charme einbüßen musste.
Heute führt der Hauptweg in „Palio Chorio“ an vielen Geschäften und Tavernen vorbei. Aber wenn man diese Route links liegen lässt und durch die schmalen Gassen wandert, dann ist die Einzigartigkeit des Ortes immer noch spürbar. Ich war bei Sonnenuntergang dort und ich hab verstanden, was Martin meinte, als er das Dorf beschrieb. Allerdings verstehe ich auch, dass er nicht jeden Touristen vor seiner Tür vorbeilaufen sehen wollte. Deshalb ist er nach „Mourtero“ gezogen.

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Eine Insel auch für Homöopathen

Der Leser mag sich wundern, was die Überschrift bedeuten soll. Aber es lässt sich wirklich nicht anders sagen. In den Junitagen, in denen ich auf Alonissos war, sind 150 Homöopathen aus aller Welt dort gewesen. Alonissos erwartet den Besucher mit einer weiteren Attraktion. Nur hier gibt es die bisher einzige international anerkannte Akademie für Homöopathie. Gegründet wurde sie 1995 von dem griechischen Homöopathiepionier Jorgos Vithoulkas, der selbst einen Teil des Jahres auf der Insel lebt.
Es wundert mich nicht, dass es diese Akademie ausgerechnet auf Alonissos gibt. Die Insel ist ein Naturparadies. Wo sonst kann der Mensch sich der Natur näher fühlen als hier. Und ich, ich fühle mich ganz entspannt, auch wenn ich erst ein paar Tage hier bin, auch wenn es heiß ist, auch wenn ich viel unterwegs bin und auch wenn ich am Tag arbeite. Es fällt mir nicht schwer, ein Urteil zu fällen: Alonissos ist definitiv eine Insel zum Entspannen.

Neue Bekanntschaften unter den Deutschen

Auch unter Griechen gilt Alonissos als die „Insel der Deutschen“. 25 Deutsche leben das ganze Jahr über auf der Insel, die anderen zirka hundert pendeln. Für eine Insel mit nur 2.000 griechischen Bewohnern ist das nicht wenig. Die ganz kalten Monate in Deutschland und dann wieder zurück auf „ihre“ Insel.
So lerne ich mit jedem weiteren Tag auf Alonissos noch mehr Deutsche kennen. Ich erfahre z. B. von Maria, die wegen der Homöopathie nach Alonissos gekommen ist, dass sie nur noch hier leben möchte. Ich treffe an ihrem letzten Abend die niederrheinische Homöopathin Barbara Schelhorn, die ihre Mutter zum ersten Mal in ihrem Häuschen auf Alonissos mitgebracht hat. Sie hat sich gleich nach Gründung der Akademie für Homöopathie durch Jorgos Vithoulkas ein Haus gekauft.

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In all den Jahren sei nichts an der Liebe und Begeisterung für Alonissos verloren gegangen, erklärt sie. „Ich hab relativ schnell gemerkt, dass ich immer wenn ich hier bin, in kürzester Zeit absolut erholt bin“. Eine Woche sei wie drei Wochen Urlaub woanders. So fing das an. Man kommt an am Festland und dann fährt man mit der Fähre. Und dann geht’s eigentlich schon los, dass man denkt, das kann eigentlich gar nicht wahr sein. Das Meer, eventuell Delphine unterwegs. Und wenn man um Alonissos herumfährt und gleich oben die alte Stadt sieht, da schlägt das Herz höher, das ist schon ein bisschen wie zu Hause. Und auf dem Weg zum Haus riecht es nach Feigen und nach diesen Blumen, die heißen: „Je länger, je lieber“. Ganz starker Geruch!
Die zirka 2.000 griechischen Einwohner auf Alonissos haben sehr schnell erkannt, dass die deutschen Einwanderer ihnen mit ihren Fähigkeiten zu einem höheren Lebensstandard verhelfen. Denn sie haben in „ihre“ Insel investiert. Wie Joachim. Er hat sich bereits vor zehn Jahren beruflich auf Alonissos etabliert. Seine Zahnarztpraxis erspart vielen Insulanern eine lange und teure Schiffsfahrt zum Festland. Doch in der letzten Zeit bekommen auch die Deutschen mit, dass es in Griechenland kriselt. Joachims Patienten kommen jetzt immer seltener – sie müssen Zahnbehandlungen selbst bezahlen.
Trotzdem zieht Joachim das griechische Abrechnungssystem vor: „Ich sag immer, in Deutschland gibt’s eine „Hintenrum-Abrechung“, betont er. „Das Geld für die Behandlung kriegt man erst in einem dreiviertel Jahr. Man verliert den Bezug zum Patienten und zur erbrachten Leistung. Und hier kommt der Patient und fragt: Was kostet das? Und das krieg ich dann in bar in die Hand gedrückt“. Ich denke, da hat er gar nicht mal so unrecht.
Und da ist noch eine Begegnung, von der ich unbedingt erzählen muss: Als ich die Nummer von Sigrid bekomme und um ein Treffen bitte, sagt sie: „Du findest uns dort, wo die alten Alonia (Tennen) sind“. Ich wusste sofort, was sie meinte. Ich hatte diese runden Flächen beim Aufstieg nach Palio Chorió bereits gesehen. Sigrid hat dort mit ihrem Mann ein neues Grundstück gekauft und drei schmucke Häuschen hingestellt. In einem davon lebt sie nun ganzjährig.
Sie schwärmt pausenlos von Alonissos, so wie sie zu erzählen beginnt. Zum Beispiel wie unbeschreiblich schön der Blick morgens von ihrem Fenster sei und dass sie so enttäuscht von Deutschland und den deutschen Politikern gewesen sei. Ihre zögerliche Haltung hätte den Griechen ein Mehrfaches an Schulden zugeführt. Sie stellt fest, dass Deutschland ein Exportland sei und dass die Deutschen letztendlich doch viel an Griechenland verdienen würden. Jedenfalls hätten sie und ihr Mann die Entscheidung für ein Leben in Griechenland nicht bereut. Und beim Abschied, als wir vor ihrer kleinen Hauskapelle stehen, die sie der Hl. Irene geweiht hat, sagt sie: „Ich hoffe, dass wir uns wieder sehen, bevor die Bäume groß werden“. Eine wirklich schöne Art, „Auf Wiedersehen“ zu sagen.

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Besinnliches zum Abschluss der Reise

Als ich die Fähre wieder zurück zum Festland nahm, fühlte sich mein Herz auf einmal ganz schwer. Ich musste an Sigrids Satz denken. Mir wurde auf einmal schlagartig klar, dass ich mich gar nicht genug bei diesen Menschen bedankt hatte. Bei Sigrid dafür, dass man den Mut und die Kraft für einen Neuanfang immer finden kann. Bei Joachim, der mir klar gemacht hat, dass weniger manchmal mehr ist. Bei Waltraud und Martin, die mir die Erinnerung an das Griechenland meiner Kinderzeit zurück gebracht haben und der glücklichen Tage von einst. Aber auch bei Maria, die mir zu verstehen gab, dass es manchmal im Leben nicht ausreicht, nur gebildet zu sein, sondern ein Stück soziale Intelligenz vonnöten ist, um gemeinsam durch das Leben zu gehen. Eine Eigenschaft, die sie bei Griechen immer wieder erlebt und ungemein schätzt.
Hier endet meine Geschichte zu Alonissos. Nur von einer Begegnung habe ich, liebe(r) Leser/in, noch nicht erzählt. Von Theresa und ihrer Arbeit auf Alonissos will ich ein anderes Mal berichten.

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