Ätna, Vesuv und Teide sind Europas bekannteste Vulkane. Aber auch in Griechenland hat feuerspeiende Erde Naturschönheiten geschaffen, die in ihrer Art einzigartig sind. Die Ägäisbewohner haben sie sogar noch eindrucksvoller werden lassen.
Santorin ist die berühmteste der griechischen Vulkaninseln. Kommt man mit dem Flieger, hat man sie gleich ganz im Blick. Man erkennt die beiden Teile ihres äußeren Ringes, die einen riesigen, vom Meer ausgefüllten Krater umkränzen, in dem wiederum zwei kleine Inselchen aus der Ägäis aufsteigen. Nähert man sich der Insel von Piräus und den anderen Kykladen aus mit dem Schiff, ist das Erlebnis noch grandioser. Die Fähren fahren in den Krater hinein. Bis zu 360 Meter hoch steigen die Kraterwände fast senkrecht aus dem Wasser empor, bedeckt von einer bis zu 60 Meter dicken, hellen Lava- und Bimssteinschicht, die die Insel wie ein Leichentuch und ein kostbarer Teppich zugleich bedeckt. Am oberen Kraterrand ziehen sich auf viele Kilometer die strahlend weißen Häuser und Kirchen der Dörfer von Santorin entlang, die bei Nacht wie Sternenketten leuchten. Im Innern des Kraters erinnern die dunklen, fast kahlen Lavainseln daran, dass der Vulkan noch immer nicht zur Ruhe gekommen ist. Zum vorerst letzten Mal kam es hier 1941 zu kleineren Eruptionen.
Highlife rund um die Uhr
Soviel Einzigartigkeit lockt Touristen in großen Scharen an. An vielen Tagen tummeln sich allein bis zu 15.000 Kreuzfahrturlauber in den engen Gassen der Inselhauptstadt. Viele von ihnen kommen da vom Kai aus auf Maultieren oder mit der Seilbahn hinauf. Sie werden zu Weinproben in Kellereien gekarrt, um die exquisiten Inselweine zu verkosten oder abends ins Kraterranddorf Oia, wo ihnen der schönste Sonnenuntergang der Ägäis versprochen wird. Wer sich für Geschichte interessiert, besichtigt die Ausgrabungen einer über 3600 Jahre alten minoischen Stadt und das Prähistorische Museum im Hauptort Fira, in dem auch einige minoische Fresken von Weltrang ausgestellt sind. Zu diesen Tagesbesuchern gesellen sich Tausende von Badeurlaubern, denn an der flach abfallenden Westküste gibt es gute Lavasandstrände. Auch als Party-Insel genießt Santorin einen legendären Ruf. Vor allem junge Asiaten kommen hierher, um zu heiraten und sich stundenlangen Foto-Shootings zu widmen. Viel Geld bleibt in den unzähligen Boutiquen, Kunstgalerien und Juweliergeschäften hängen, sogar ein eigenes Eau de Parfum wurde auf der Insel kreiert. Wer länger auf Santorin bleibt, unternimmt eine Tagestour auf der Caldera, sieht auf der Lavainsel Nea Kaimeni noch heiße Dämpfe aufsteigen und badet dort in einer von Thermalquellen aufgeheizten Bucht und unternimmt die dreistündige Standardwanderung immer hoch oben am Kraterrand entlang zwischen Fira und Oia.
Trotz aller Betriebsamkeit gibt es auf der Insel, die die Griechen auch Thira nennen, noch stille Ecken. Kaum Fremde sind in den Binnendörfern wie Vothonas oder Vourvouros unterwegs, die in langgezogene Canyons hineingebaut wurden und in denen die Menschen einst in Wohnhöhlen lebten. Noch stiller ist es auf den einzigartigen Inselfriedhöfen, die häufig prachtvollen Totendörfern gleichen. Und wer es absolut ruhig mag, verbringt einen Tag auf dem zweiten Teil des Kraterrands, der Insel Thirassia. Da gibt es nicht einmal ein Hotel.
Nur tagsüber gut besucht
Eine landschaftlich ganz anders gestaltete, aber nicht minder schöne Vulkaninsel ist Nissyros vor der kleinasiatischen Küste. Zwischen 10 und 16 Uhr wird sie zwar von Tagesausflüglern überschwemmt, die vom nahen Kos aus mit Ausflugsbooten herüberkommen; in den übrigen 18 Stunden des Tages aber ist Nissyros ein ganz ruhiges Eiland. Nähert man sich mit dem Schiff, sieht es wie eine grüne, gebirgige Insel aus. Nissyros offenbart sein schönes Geheimnis erst, wenn man auf kurvenreicher Straße den Hang inseleinwärts hinauffährt. Dann steht man nach einer Viertelstunde auf dem Rand einer 3,5 Kilometer langen und 1,5 Kilometer breiten Caldera, die ringsum von steilen Hängen umrahmt wird. Die eine Hälfte ist grün, dient Schafen und Kühen als Weide. Die andere gleicht einer Mondlandschaft, in die noch einmal sieben weitere, kleinere Krater eingestreut sind. In den größten von ihnen, den Stefanos-Krater, führt ein Weg hinein. In ihm sind die Steine teilweise so heiß, dass man auf ihnen Spiegeleier braten könnte; aus dem weichen Boden steigen Schwefeldämpfe und Heißwasserblasen auf. Direkt auf den Kraterrand haben die Insulaner zwei Dörfer gesetzt, von denen Nikia als eins der schönsten ägäischen Dörfer überhaupt bezeichnet werden darf. Und auch der Hafenort Mandraki, der sich über einen Kilometer lang am Meer entlang zieht, hat fünf Sterne verdient. Sein Dorfplatz gehört zu den intimsten Griechenlands.
Bilderbuch der Geologie
Während auf Nissyros noch 1881 die letzten vulkanischen Aktivitäten verzeichnet wurden und sich sogar 2021 neue Erdspalten aufgetan haben, schläft Feuergott Hephaistos auf dem westkykladischen Milos schon seit etwa 60.000 Jahren. Aber unter der Insel mit mehreren alten Lavadomen kocht und dampft es in einer Magmakammer in sechs bis acht Kilometern noch gewaltig. Aus ihr steigen an mehreren Stellen heiße Quellen und Schwefeldämpfe auf. An einem der etwa 100 Inselstrände, dem Paliochori Beach, ist sogar der Sandstrand vor einer Taverne so heiß, dass man in ihm über Nacht in großen Töpfen Essen garen kann. Die Ergebnisse der lange zurück liegenden vulkanischen Aktivitäten machen Milos heute zur bedeutendsten Bergbauinsel der Ägäis. Jetzt werden vor allem Bentonit und Perlit in großen Mengen im Tagebau gewonnen. Bis vor kurzem gewann man auch Kaolin, Baryt und Schwefel. In der Steinzeit war der Obsidian von Milos im ganzen Mittelmeerraum begehrt, denn aus ihm konnte man messerscharfe Klingen herstellen.
Milos kann man am besten bei einer ganztägigen Inselumrundung mit dem Boot erkunden. Manchmal fährt man dabei so dicht an spektakuläre Gesteinsformationen heran, dass man sie anfassen kann. Der Bug des Schiffes schiebt sich in Felstore und Grotten hinein und fährt ganz dicht an den unterschiedlichsten Küstenformationen vorbei. Mal leuchten sie schwefelgelb, dann wieder rostrot, tiefschwarz, gar grünlich und bläulich. In Sarakiniko ist die ganze Küste kreideweiß, im alten Bergwerk von Vani bilden Manganknollen ein senkrechtes, rot-graues Pflaster direkt überm Meer. Bei den Glaronissia, auf denen tatsächlich Hunderte von Möwen nisten, steigt Säulenbasalt aus dem Wasser, wie man ihn sonst in Europa nur in Island und am nordirischen Giant's Causeway sehen kann. Angelegt wird meist auch auf dem nahen Kimolos, das in weiten Teilen einer dunklen Steinwüste gleicht, aber auch schöne Strände und ein idyllisches Inseldorf besitzt.
Island an der Ägäis
Eher lieblich ist die Lavalandschaft von Methana. Das ist zwar nur gefühlt eine Insel, weil sie über einen ganz schmalen Isthmus noch mit dem Peloponnes verbunden ist; soviel Ruhe wie hier findet man aber in keinem der anderen vulkanischen Gebiete des Landes. Ans Dorf Kaimeni Chora (Verbranntes Dorf) reicht eine rote, noch immer nahezu nackte Lavazunge aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. bis unmittelbar an die Terrasse einer urigen Taverne heran, beim Wandern über das ausgedehnte Lavafeld etwas oberhalb des Dorfes entdeckt man in unzähligen Lavaspalten anspruchslose kleine Pflanzen. Wer es kennt, fühlt sich nach Island versetzt – blickt aber aus dieser Urlandschaft auf den Saronischen Golf hinaus, sieht da die Inseln Angistri und Ägina und an manchen Tagen sogar die Küste vor Athen.
Text und Fotos: Klaus Bötig