Santorin hat die Fantasie vieler Autoren jeder Güteklasse angeregt. Herausgekommen sind vor allem Liebesromane. Literarisch wertvoll sind nur zwei der Bücher. Aber im Urlaub tut ja vielleicht auch ein wenig Herzschmalz ganz gut.
Der wohl anspruchsvollste Roman, der Santorin als Schauplatz hat, dürfte Ein Gott der Frechheit von Bestsellerautor Sten Nadolny sein. So gut wie sein Top-Hit „Die Entdeckung der Langsamkeit“ ist er aber bei weitem nicht. Er spielt in den 1990er Jahren. Auf Santorin wird der von Hephaistos in den Fels gebannte Gott Hermes wieder zum Leben erweckt. Gesehen hat das nur eine junge Ostdeutsche aus Stendal, die zum ersten Mal in ihrem Leben im westlichen Ausland ist. Sie entpuppt sich später auch als eine Tochter des Schmiedegotts. Schon als 10-Jährige hatte sie sich im Jahr 1980 in eine Hermes-Statue verliebt. Nun treiben es die beiden häufiger miteinander. Hermes ist jedoch sehr sprunghaft, dringt über den Gehörgang ins Hirn vieler Menschen ein, lernt von ihnen blitzschnell Sprachen und Dialekte. Auf Seite 50 verlässt er dann Santorin und zieht durch die Welt. Stationen seiner Reise sind Venedig, München, Wien, verschiedene US-amerikanische Städte, der Hades, Litauen, Moskau und schließlich Athen, bevor es ganz zum Schluss nach Santorin zurückgeht. Seine Erlebnisse mit den Menschen und ihren technischen Errungenschaften sind köstlich zu lesen. Eher langweilig aber gerät seine langwierige Auseinandersetzung mit Hephaistos, der ihn für sein Hauptanliegen einspannen will: die endgültige Vernichtung von Menschen und Göttern.
Historische Romane
Einen „historischen Roman“ wollte die Autorin Sara Tempel mit Die Kinder Kalliste schreiben. Selten ist ein Vorhaben so sehr missglückt. Schauplätze sind Kreta und vor allem Santorin im Jahr 1657 v. Chr. Minoer, Achäer und Phönizier sind wider alle historische Wahrscheinlichkeit Akteure in diesem wirren Machwerk, das wohl bestenfalls die Autorin versteht. Als Ich-Erzählerin tritt ein Mädchen im Jahr ihrer Frauwerdung auf, die – soweit für den Leser verständlich – die Große Muttergöttin gegen Zeus verteidigen will. Viel mehr habe ich nicht verstanden, tut mir leid – auch um die mit diesem Buch vertane Zeit. Der historische Roman Es grollten die Götter auf Santorin der Schweizer Lehrerin Verena Appenzeller bewegt sich sprachlich auf dem Niveau eines guten Jugendbuchs. Erzählt wird die Geschichte zweier junger Männer aus Santorin und Kreta, die die letzten Tage von Akrotiri zur Zeit des großen Vulkanausbruchs miterleben.
Herzblut und Schmalz
Der 2004 erschienene Roman Das Wunder der Liebe der deutsch-schweizerischen Schauspielerin Ruth Maria Kubitschek spielt zum größten Teil auf der Insel, jeweils eine kurze Sequenz entführt den Leser nach Olympia und Rhodos. Eine Frau beweist in diesem Buch in der Zeit kurz vor den Olympischen Spielen 2004, dass sich ein mutiger Neuanfang durchaus lohnen kann. Die Protagonistin Elisabeth hat 20 Jahre lang darauf gewartet, dass ihr Geliebter seine Ehefrau verlässt. Am Tag, als er dieses Versprechen wahr macht, stirbt er. Elisabeth bricht kurze Zeit später ihre Zelte in München ab, steigt auf ein Kreuzfahrtschiff und fährt in die Ägäis. Santorin schlägt sie in ihren Bann, sie bleibt dort und findet nicht nur sofort einen Job in einem Juweliergeschäft, sondern auch einen Mann fürs Leben. Nur schlichte Gemüter werden die Geschichte nicht als kitschig empfinden, aber trotzdem ist sie als sehr leichte und nur positive Urlaubslektüre gut lesbar. Man darf sich nur nicht daran stören, dass die namhafte Autorin keine lebensechten Dialoge zu verfassen vermag – so wie ihre Figuren spricht wohl kein leibhaftiger Mensch. Um eine vergangene Liebe geht es im Familienroman Das verboten Wort des britischen Vielschreibers Nick Alexander. Hier erfährt Tochter Becky, das ein Norweger namens Leif ihr Vater ist, in den sich ihre Mutter Laura 24 Jahre zuvor auf Santorin Hals über Kopf verliebte. Becky entlockt ihrer Mutter immer mehr Einzelheiten über die damalige Affäre. Santorin als Schauplatz der Geschichte wird recht bildhaft geschildert, sodass sich für Liebhaber solch emotionaler Geschichten die Lektüre durchaus lohnt. Noch bis zum April 2022 müssen deutschsprachige Leser auf die Übersetzung des Debütromans Ein Sommerhaus auf Santorin der in England lebenden, aber in den USA geborenen Samantha Parks warten. Auf Englisch ist das Buch bereits 2019 erschienen. Es geht darin um eine junge Anna, die aus ihrem verkorksten Leben fliehen will und auf Santorin landet, wo sie von ihrem Vater ein Sommerhaus geerbt hat. Und da verliebt sie sich prompt in einen gewissen Nikos. Naja …
Noch mehr Santorin
Der 1980 in der DDR geborene deutsche Autor Michael Posch hat im griechischen Krisenjahrzehnt vier Monate auf Santorin verbracht und dort als Tour-Guide gearbeitet. Er ist stolz darauf, in seiner Zeit auf der Insel nie Nachrichten geschaut oder Zeitung gelesen zu haben. Zuvor hatte er einige Jahre erfolgreich im Vertrieb von Telekommunikationsdienstleistungen gearbeitet, sah in Geld und kollegialer Anerkennung seine höchsten Ziele. In seinem im Selbstverlag erschienenen Buch Nächster Halt Santorini schildert er nun seine positiven Begegnungen mit vielen Griechen und auf der Insel arbeitenden Ausländern sowie einigen Touristen. Sie alle trugen dazu bei, sein Leben positiv zu verändern. Das liest sich manchmal recht naiv und schönfärberisch, aber auf jeden Fall schnell weg. Keine Belletristik, aber nette Büchlein über Santorin hat die deutsche Innenarchitektin Heide Bauerle geschrieben und gestaltet. Hauptfigur ihres mit vielen Zeichnungen illustrierten Buches Panigyria. Die Santoriner Feste des Thusneldos ist ein orthodoxer Priester, der von Kirchweihfest zu Kirchweihfest zieht und nicht nur die gesegneten Speisen schätzt, sondern auch den köstlichen Wein. Das Buch ist auch ideal für alle, die Griechisch lernen, denn alle Texte sind auch ins Neugriechische übersetzt. Die KochKunstReise Santorin der gleichen Autorin ist Rezepten von der Insel gewidmet, illustriert mit Aquarellen und Federzeichnungen.
Spärlich bedacht
Die westlichen Kykladen haben bisher kaum Aufmerksamkeit bei ausländischen und griechischen Autoren gefunden. Nur für Serifos ist ein – zudem auch noch recht guter – Roman zu finden: Im Schatten der Liebe des Italieners Massimiliano Palmese. Wer den Klappentext auf der Buchrückseite liest, erahnt oft schon, worum es im Buch geht, Ende inklusive. Carlos und seine Partnerin Paula fahren wie jedes Jahr nach Griechenland. In Brindisi begegnet ihnen Anna, die früher einmal die Geliebte von Carlos Vater war. Deren Tochter Senia war Carlos’ erste große Liebe. Auf Serifos begegnet er ihr wieder. Das Schicksal nimmt seinen Lauf. Das Buch ist flüssig geschrieben. Wer schon einmal auf der Insel war, erkennt Schauplätze wieder. Störend ist nur ein sich wiederholender Übersetzungsfehler: Carlos geht häufiger „auf die Chora“… Ähnlich wie den westlichen Kykladen ergeht es auch Amorgos. Es ist vor allem im Titel des biografischen Romans Die Amorgos-Verschwörung von Elias Kulukundis präsent, in dem ein Stück Zeitgeschichte spannend aufgeblättert wird. Der 1937 in London geborene und in New York als Sohn einer wohlhabenden Reeder-Familie aufgewachsene Autor bricht mit der Familientradition und schließt sich 1967 dem linken Widerstand an. Als sein Schwiegervater, ein ehemaliger Zentrumspolitiker und Minister, von der Junta nach Amorgos verbannt wird, beschließt er, ihn zu befreien. Er trifft berühmte Griechen im Exil, darunter Andreas Papandreou, Konstantinos Mitsotakis und Melina Mercouri. Schließlich bricht er zu einer Segeltour nach Amorgos auf und vollendet sein Vorhaben erfolgreich. (Griechenland Zeitung / Klaus Bötig)