Corona fördert die Couch-Reisen. Auch ein Inselhüpfen in Griechenland ist möglich, ohne das eigene Haus zu verlassen. Wir haben über 70 deutschsprachige belletristische Titel gesichtet, von denen manche sogar verfilmt wurden. Die Handlungsorte liegen zwischen Erikoussa und Rhodos, zwischen Santorin und Lesbos. Die Autoren stammen aus aller Welt. Wir beginnen mit Korfu.
Korfu ist ein inspirierender Quell für viele Autoren jedweder Qualität. Auf Korfu ist das Erzählen ja schon seit Odysseus zu Hause. Hier berichtete der ithakische König seinem phäakischen Standesgenossen Alkinoos als Erstem die Geschichte seiner Irrfahrten – folgt man Homer ... Das kann man nicht nur in vielfältigen Übersetzungen der Odyssee nachlesen, sondern inzwischen auch als Hörbuch genießen.
Englische Brüder
Die gleiche literarische Wucht hat keiner von dessen schreibenden Kollegen der Neuzeit mehr erreicht. Die haben meist lieber Krimis verfasst. Nur einer der neuzeitlichen Autoren hatte eine poetische Ader: Der 1912 in Britisch-Indien geborene Lawrence Durrell. Ihm hat man in der Inselhauptstadt sogar ein Denkmal gesetzt. Durrell lebte von 1935 bis 1941 mit seiner Frau, seiner Mutter und seinen kleineren Geschwistern erst in Kontokali und dann in Kalami. Als die Deutschen kamen, floh er nach Ägypten und schrieb da seinen Korfu-Klassiker Prospero’s Cell, dessen deutscher Titel Schwarze Oliven lautet. Er erzählt darin vor allem von seinen Begegnungen mit Einheimischen, der Natur und der Geschichte der Insel. Mit auf Korfu war sein 13 Jahre jüngerer Bruder Gerald Durrell. Der spätere Tierfilmer und Gründer des Zoos auf der Kanalinsel Jersey beschäftigte sich hier vor allem mit der korfiotischen Tierwelt, publizierte 1956 aber auch das sehr humorvolle und leicht zu lesende Buch Meine Famille und anderes Getier über seine vier Jahre auf Korfu, das 1987 von der BBC auch verfilmt wurde. Seit 2016 produzierte der Privatsender ITV dann sogar mehrere Staffeln der Fernsehserie Die Durrells auf der Grundlage des Buchs, die auch Deutsch synchronisiert wurde.
Korfiotische Autoren
Besonders viel über Korfu lernt man aus den Romanen zweier korfiotischer Autoren des 20. Jahrhunderts. Spannend wie ein guter Thriller ist das exzellent geschriebene Buch Die Dame hinter der Vitrine des 1917 auf Korfu geborenen Spyros Plaskovitis. Darin geht es vor allem um Politik, Liebe und Korruption in den Jahren zwischen 1944 und etwa 1980. Schauplatz ist vor allem Korfu-Stadt. Besonders interessant sind die Passagen, die in den Bürgerkriegsjahren spielen. Plaskovitis war Jurist und Mitglied der Sozialistischen Fraktion im Europäischen Parlament. Protagonistin seines Buches ist eine Frau, die in den 1970er Jahren in einem Luxushotel in der Inselhauptstadt arbeitet. Das gehört einem geltungssüchtigen Hotelier, der auch mit der einheimischen Mafia verbandelt ist und auf Traditionen und Umwelt keine Rücksicht nimmt. Die Figuren des Romans sind zumeist gut etablierte Griechen und geldgierige Emporkömmlinge; auch Erotik kommt nicht zu kurz. Dimitra Kapelousou aus Agios Panteleimonas im Norden Korfus erzählt anders als Plaskovitis ihre eigene Geschichte und die ihrer Eltern und Großeltern. Die Tochter des Geigers – Eine wahre Geschichte spielt überwiegend in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts im ländlichen Milieu. Die Lebensumstände einfacher Menschen im ganzen letzten Jahrhundert werden sehr plastisch deutlich. Misslungen an der deutschen Ausgabe ist allerdings der Versuch der nicht immer treffsicheren Übersetzerin, eine korfiotische Mundart wiederzugeben – das macht die Lektüre vielleicht etwas unerbaulich. Auf Korfu und vor allem auf dessen der Nordküste dicht vorgelagerten Trabanteninsel Erikoussa spielen zwei sehr empfehlenswerte Bücher der US-Griechin Yvette Manessis Corporon. Das erste erschien 2014 unterm Titel Das Flüstern der Zypressen und erzählt romanhaft von der Rückkehr einer griechischstämmigen New Yorkerin auf die Insel ihrer Vorfahren. Das zweite, 2017 auf Englisch und 2020 auf Deutsch erschienen, ist eine Mischung aus Erzählung und Sachbuch: In Das Wunder von Errikousa geht es darum, wie die ganze Bevölkerung der Insel während der deutschen Besatzungszeit versucht, eine jüdische Familie vor dem Zugriff der Nazis zu schützen.
Auch auf Korfus Trabanteninsel Erikoussa spielt ein unterhaltsamer Roman
Krimis vor allem
Deutsche Autoren von Rang haben Korfu bisher nicht zum Schauplatz ihrer Geschichten gewählt. Aber eine Reihe von Schriftstellernden lässt Krimis hier spielen. Der bisher erfolgreichste von ihnen war wohl der 2010 jung verstorbene Robert Bäuerle, der unter dem Pseudonym Roberto Bardez sehr flott und spannend geschriebene Titel veröffentlichte. Er wohnte seit 2000 ganzjährig im nordwestkorfiotischen Bergdorf Afionas, das samt seiner Bewohner auch Zentrum seiner Geschichten war. Als fachmännischer Berater stand ihm dabei oft ein ganz in der Nähe wohnender ehemaliger Kommissar des LKA Stuttgart zur Seite. Der beste der drei Bände ist wohl Harko und das tote Mädchen am Strand. All seine Schauplätze sind einfühlsam beschrieben und auch vom Urlauber leicht aufzufinden. Nur die beschriebene Verfolgungsjagd durch die engen alten Gassen mancher Bergdörfer sollte man besser nicht nachahmen. Spannend sind auch die drei auf Korfu spielenden Krimis der 1948 in Haifa geborenen und in Deutschland aufgewachsenen Ronnith Neumann, die auf Korfu und in München lebt. Die mehrfach preisgekrönte Autorin, die kurze Sätze ohne Verben liebt, veröffentlichte 2007 und 2011 die beiden Titel Tod auf Korfu und Das Orakel von Korfu. Protagonistin der Geschichten sind der Hauptkommissar Alexandros Kasantzakis und die Polizeifotografin Kristina Tzavrou. Beide Fälle haben Gegenwartsbezüge: Im ersten geht es auch um die deutsch-griechische Vergangenheit, im zweiten auch um Kosovoalbaner auf der Insel. In Neumanns neuestem Korfu-Krimi führen ihre Recherchen die Kriminalisten Stelios Angelis und Stefania Stefanidou u. a. auch nach Santorin und nach Monemvassia auf der Peloponnes. Wer statt Krimis lieber Liebesromane liest, wird vom Psychotherapeuten Klaus Biedermann gut bedient, der neben vielen anderen Aktivitäten seit über 30 Jahren auf Korfu auch eine Sommerakademie betreibt, in der es vor allem um Burn-in statt Burn-out geht. Seine gefühlvolle Geschichte Wie vor Jahr und Tag betrachtet der Autor auch als seine ganz persönliche Liebeserklärung an Korfu, wo es ihm die Umgebung von Afionas besonders angetan hat.
Afionas ist Schauplatz mehrerer Korfu_Krimis
Kaiserliche Majestäten
Ein Einzelbau und sein Garten, das Achillion, sind die größte Touristenattraktion auf Korfu. In diesem Schlösschen verbrachten einst erst Kaiserin Elisabeth von Österreich, genannt Sisi, und später dann der deutsche Kaiser Wilhelm II. Urlaubstage unter südlicher Sonne. Der Athener Konstantinos Anastasios Christomanos, der 1888 bis 1891 in Österreich Philosophie studierte, wurde danach für drei Jahre der Griechischlehrer und Vorleser der Kaiserin. 1898 erschienen zwei Monate nach der Ermordung Sisis seine Tagebuchblätter, in denen er seine Erinnerungen an die gemeinsam auf Korfu und anderswo verbrachte Zeit festhielt. Der spätere Bewohner des Achillion, der deutsche Kaiser Wilhelm II., hat sogar selbst ein Buch über seine Zeit auf der Insel verfasst: Erinnerungen an Korfu. Es erschien erst lange nach seiner Abdankung im Jahr 1924, umfasst stolze 148 Seiten. Er outet sich darin nicht nur als eitle Majestät, sondern auch als begeisterter Hobby-Archäologe, der selbst mit Hand anlegte bei den Ausgrabungen des Artemis-Tempels.
Den sterbenden Achill ieß Kaiserin Sisi im Achillion aufstellen
INFO
Einige der vorgestellten Titel sind nur noch gebraucht, aber leicht übers Internet (z. B. www.booklooker.de) erhältlich. Manche Werke gibt es auch als E-books.
