Einen beträchtlichen Schritt in eine ungewisse Zukunft wagten Angeliki Papadatou und ihr Mann Nikos Antoniou 2016: Das Paar zog von Baden Württemberg ins arkadische Dorf Sapounakaíika, oberhalb des Badeorts Paralia Tirou auf der östlichen Peloponnes.
Freilich gab es für das umgekehrte Migrieren ins ökonomisch instabile Griechenland einen guten Grund: Nikos’ deutsche Mutter musste altersbedingt Haus samt Ferienunterkunft aufgeben. „Wir wollten das Schiff nicht einfach sinken lassen“, erklärt Angeliki. Das Anwesen am steilen Hang mit dem steinernen Landhaus und den Gästehäusern, die sich auf einer Terrasse weiter unten befinden, liegt halb im Wald, der sich oberhalb des Grundstücks erstreckt. Sie ist gelernte Tänzerin – die ihre Kenntnisse über die Körperarbeit vor Ort als Yoga-Pilates-Lehrerin einsetzt. Er ist Architekt. Beide haben sich in den Kopf gesetzt, den Ort noch paradiesischer zu machen, als er ohnehin schon war. Die Voraussetzungen waren nicht schlecht. Hier bieten sie eine beseelte Abgeschiedenheit, die bei überarbeiteten Menschen oft ganz oben auf der Wunschliste steht. Orangen und Olivenbäume, überhaupt die immergrünen Zypressen erinnern an legere Tischgesellschaften aus Filmen, die in Südfrankreich spielen, in denen dann meist auch noch ein Familiengeheimnis gelüftet wird. Angeliki und Nikos sind schnell bereit, ihres zu teilen: Sie verraten gern, wo sich menschenleere Strände in der Nähe verstecken.
Produkte aus Eigenproduktion
Die magische und kultivierte Naturidylle um Sapounakaíika hat dauerhaft ein paar Westeuropäer angezogen, die sich hier ihren Platz an der Sonne eingekauft haben. Nikos sanierte für einige neue Nachbarn deren griechische Landhäuser. Bei wolkenlosem Himmel unternehmen Teilzeit-Einheimische und Urlauber ausgiebige Wanderungen in den Wald. Angeliki läuft manchmal mit und zeigt, was da so alles wächst und gedeiht. Es ist noch nicht so lange her, dass Nikos an den Felsen oben im Wald von Fachleuten sechs Kletter-Routen abstecken ließ. Zwei leichtere davon kraxelte bereits sein neunjähriger Sohn. „Man muss kein Profi sein, um zu klettern“, versichert Nikos. Jetzt steht er im Hühnerstall im Garten, hält kurz inne, prüft die Futterstelle und das Nest. Häufig gibt’s zum Frühstück frische Eier aus eigener Produktion sowie Gemüse und Obst aus dem Garten für die Gäste. Das Brot aus dem Holzofen wird von den Frauen aus dem Dorf gebacken, Honig und Käse werden von lokalen Herstellern geliefert. Den Gästen, oft sind es auch junge Familien aus Athen, wird in den modern-minimalistisch eingerichteten Studios Meerblick mit Komfort geboten. Aber reiner Dienstleistungskonsum ist hier nicht zu erwarten; stattdessen stößt man auf so etwas wie Kibbuz-Anleihen – draußen, neben dem Bücherregal-für-alle stehen im Gemeinschaftskühlschrank selbstgemachte Marmeladen und Getränke – die Blechdosenkasse baumelt als ein Vertrauensbeweis am Griff. An die Zimmertüren hat Angeliki selbstgenähte Taschen gehangen, darin: leere Flaschen. Die können die Gäste bei einem kurzen Spaziergang mit frischem Quellwasser auffüllen. „So spart man natürlich Plastikflaschen“, sagt sie. Das mag beim ersten Eindruck vielleicht etwas banal klingen, aber ökologisches Bewusstsein steckte in Griechenland lange in den Kinderschuhen. Noch vor knapp zwei Jahrzehnten erzeugten die Griechen prozentual gesehen mehr Müll als andere EU-Bürger. Insofern markiert die Einführung des Entgelts für Plastiktüten seit 2018 tatsächlich einen Wandel. Bis 2021 sollen nun auch Einwegkunststoffe verboten werden.
Trutziges Umweltengagement
Das ökologische Engagement endet hier nicht an der Grundstückgrenze: Angeliki hat etwas im Kleinen versucht – nämlich im Dorf Mülltrennung zu etablieren. Die Gemeinde bietet es nicht an. Auf dem kleinen Marktplatz in Sapounakaíika und im Badeort Tyros hat sie Tonnen für Plastikflaschen aufgestellt, noch im Sommer sammelten Viele aus dem Dorf mit. Auf Initiative des Elternbeirats fuhren sie die Plastikflaschen selbst zur nächsten zentralen Sammelstelle, doch nach einer Weile wurde die Aktivität boykottiert. Nur eine Idee sei es gewesen, meint Angeliki, „es gibt noch viel größere Probleme zu lösen“. Aufgeben kommt erst mal nicht in die Tüte, stattdessen versucht sie, mit ihren Mitstreitern eine Kooperative zu gründen.
Text und Fotos: Elisabeth Heinze