Poros liegt nur einen Steinwurf von Athen entfernt und vereint darüber hinaus noch viele weitere Vorzüge: geschäftiges Treiben im Hauptort, ruhige Strände, kulturelle Stätten und landschaftliche Schönheit. Nicht zuletzt hatte Poros eine Rolle in der Antike und spielte auch einen kleinen Part beim Aufstand von 1821 gegen die Osmanen. Unsere Tour geht heute mit einem Besuch des dortigen Klosters weiter.
Im christlichen Milieu der Zeit hatte weit über die Insel hinaus lange schon eine Quelle Bekanntheit erlangt, deren Wasser eine heilbringende Wirkung nachgesagt wurde. Aus Dankbarkeit für die Genesung von einem eigenen Leiden stiftete der Athener Erzbischof Iakovos II. an ihrer Stelle schließlich ein Kloster, das der Muttergottes 1720 in ihrer Eigenschaft als „Lebensspendender Quell“ geweiht wurde, die Ιερά Μονή Ζωοδόχου Πηγής (Ierá Moní Zoodóchou Pijís / dt.: „Heiliges Kloster des Lebensspendenden Quells“). Das Patriarchat von Konstantinopel verlieh ihm besondere Privilegien, durch die es nicht nur dem unmittelbaren Zugriff des örtlichen Bischofs entzogen war, sondern die darüber hinaus auch einen gewissen Schutz vor den türkischen Behörden boten. Vorsicht allerdings war dennoch immer angeraten, hatten die Türken doch starke Kräfte auf dem nahegelegenen Festland stationiert. Gerade während des griechischen Freiheitskampfes in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts galt dies natürlich in ganz besonderem Maße. Dessen ungeachtet aber diente das Kloster Aufständischen damals immer wieder – genauso wie auch später während der Zeit der deutschen Besatzung des Landes – als geheime Anlaufstelle. Nachdem es 1837 durch ein verheerendes Erdbeben in weiten Teilen massiv in Mitleidenschaft gezogen worden war, musste es wieder hergestellt werden.
Klosterkirche
Stützpunkt für Russlands Flotte
Im Oktober des Jahres 1828 geriet Poros sogar ins Rampenlicht der großen europäischen Politik, als nämlich Vertreter Englands, Frankreichs und Russlands, zu jener Zeit die drei „Schutzmächte“ Griechenlands, hier mit Ioannis Kapodistrias zusammenkamen, um über den Grenzverlauf und die Staatsform eines künftig souveränen Hellas zu beraten. Erst im Jahr zuvor war der aus Korfu stammende und ehemals als Staatssekretär des Äußeren in russischen Diensten stehende Kapodistrias von den Griechen zum Regierungschef berufen worden. Es dauerte allerdings nicht lange, bis er sich mit führenden Protagonisten des Freiheitskampfes überwarf, und in diesem Zusammenhang kam es 1831 auch zu einem schwerwiegenden Zwischenfall auf Poros. Seit der im Februar 1830 proklamierten Unabhängigkeit des Landes galt die Insel offiziell als Basis der griechischen Kriegsmarine. Als Kapodistrias nun die Überstellung der Flotte unter russischen Befehl anordnete, widersetzte sich deren Kommandant, der im Freiheitskampf überaus verdiente Andreas Miaoulis, und ließ im Verlauf der Auseinandersetzungen sogar zwei der eigenen Schiffe versenken. Die baldige Ermordung von Kapodistrias bewahrte den Admiral in der Folge wohl vor weiterreichenden Konsequenzen. Die Flottenbasis selbst wurde 1878 dann zwar nach Salamis verlegt, das in den späteren 40er Jahren des 19. Jahrhunderts von Ernst Ziller errichtete ehemalige Hauptgebäude des Stützpunkts, das sogenannte Προγυμναστήριο (Progimnastírio), ist aber noch immer erhalten und wird bis heute zusammen mit weiteren Anlagen als Ausbildungszentrum der griechischen Marine genutzt.
Für seine im Mittelmeer operierende Flotte baute übrigens auch Russland 1834 einen Stützpunkt auf Poros aus, der immerhin bis ins Jahr 1900 im Besitz der zaristischen Marine bleiben sollte. Mittlerweile freilich ist er längst in weiten Teilen verfallen. Seine Ruinen aber stehen unter Denkmalschutz und prägen jetzt das Bild eines der beliebten Strände der Insel.
Strand beim ehemaligen russischen Flottenstützpunkt
Attraktive Anlaufstelle
Im Verlauf des 20. Jahrhunderts, und insbesondere seit dessen 50er Jahren geriet Poros gerade aufgrund seiner landschaftlichen Schönheit zusehends ins Blickfeld von Reisenden, und so bildet der Tourismus heute auch die eigentliche Lebensgrundlage seiner Bewohner. In dieser Hinsicht durchlebt die Insel im Moment, wie schon während der gerade erst halbwegs überstandenen Wirtschaftskrise sicherlich schwere Zeiten. Und so bleibt letztlich nur auf rasche Besserung zu hoffen. Unter normalen Umständen nämlich ist Poros aufgrund seiner hervorragenden Anbindung an die griechische Hauptstadt – nur etwa eine Stunde dauert die Überfahrt im Linienverkehr von Piräus mit dem Tragflächenboot – auch für kürzere Trips ein attraktives Ziel der Athener. Aber auch ausländische Besucher finden ihren Weg hierher, und für den Jachtenverkehr ist die Insel eh eine bevorzugte Anlaufstelle im Saronischen Golf. Badegäste wissen ihre Strände zu schätzen, vom langgezogenen, mit Hotels und Wassersportanlagen hinlänglich ausgestatteten Ασκέλι (Askeli) bis hin zu der kleinen, fast intim anmutenden Bucht, die als Λιμανάκι της Αγάπης (Limanáki tis Agápis, dt. „Kleiner Hafen der Liebe“) bekannt ist. Wanderfreunde dagegen kommen in den ausgedehnten Kiefernwäldern des Eilands zur Genüge auf ihre Kosten. Die Fortbewegung ist mit Auto oder Moped völlig unproblematisch, und anders als auf Hydra oder Spetses darf auch das eigene Fahrzeug auf die Insel mitgebracht werden. Egal ob nur für eine Tagestour oder aber doch einen längeren Aufenthalt: Poros hat Touristen einiges zu bieten und ist ganz ohne Zweifel ein überaus lohnendes Reiseziel noch im Dunstkreis Athens.
Text und Fotos: Jens Rohmann
Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 747 am 21. Oktober 2020.