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Warum ich im Sommer eine Reise nach Santorin meide

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Foto (© Griechenland Zeitung / Marianthi Milona): Nach der Saison: friedlicher Morgen nach stürmischer Nacht. Foto (© Griechenland Zeitung / Marianthi Milona): Nach der Saison: friedlicher Morgen nach stürmischer Nacht.

Immer wieder prangt die Insel Santorin bei Rankings über die schönsten Inseln der Welt auf den vordersten Plätzen. Ihre ungebrochene Attraktivität ist aber auch mit „Kolateralschäden“ verbunden. Ein Besuch der Vulkaninsel außerhalb der Hauptsaison.

Eine große Portion Bescheidenheit und eine vernünftige Reduktion der Tourismusindustrie wären wichtige Maßnahmen, um eine der berühmtesten Inseln der Kykladen vor dem Untergang zu retten. Derartige Meldungen kann man in den vergangenen Jahren immer wieder in Reiseberichten renommierter ausländischer Zeitungen und Magazine lesen. Der Enthusiasmus der 1960er und 1970er Jahre über die Vulkaninsel scheint verschwunden zu sein. Und das bedeutet nichts Gutes. Meine letzte Reise nach Santorin absolvierte ich in der Nachsaison. Am Ende hat es mir in den Wintermonaten so gut gefallen, dass ich beschlossen habe, nur mehr zu dieser Jahreszeit dorthin zu fahren.

Nach langer Zeit zurück

Kein Strandliegen, keine Schweißausbrüche, keine Menschenmassen vor Souvenirläden, keine langen Partynächte. Heftiger Regen fällt und ein stürmischer Wind fegt über die schroffe Landschaft Santorins hinweg, als das Taxi mich für zehn Euro vom Flughafen in die Hauptstadt Fira bringt. Auf den Straßen ist wenig los, nur ein paar Einheimische sind unterwegs. Mein Hotel an der Caldera ist eines von wenigen, das das ganze Jahr über geöffnet hat. Ich fange bereits an, meinen alten Toyota, der auf den Namen „Hermes“ hört, zu vermissen: Das Taxi kann mich nicht vor der Hoteltüre absetzen, das letzte Stück muss ich meinen Koffer über einen von Schlamm und Kiesel verschmutzten, holprigen Weg selbst tragen. Winterzeit ist Bauzeit auf Santorin. Da sieht es oft so aus, als wäre man auf einer Großbaustelle. Die Mauleselkarawanen, die im Sommer die Touristen vom Fährhafen zur Hauptstadt hinauf tragen, transportieren jetzt Sandsäcke und diverses andere Material. Ihre Hufen hallen mal laut, mal leise über den steinigen Boden der Gassen der Caldera.

Kraterstimmung

Die Nacht war ungewöhnlich still. Nur der Wind pfiff hin und wieder durch die Häuserecken – wie ein Gauner, der Schmiere steht, um seine Genossen rechtzeitig vor einer unerwarteten Polizeirazzia zu warnen. Am Morgen weckt mich Möwengeschrei, das Gezwitscher von Spatzen, Mauerseglern und sogar Schwalben. Ihre gewagten Flugmanöver erinnern mich an alte Kriegsfilmszenen mit Kampfgeschwadern, nur dass man in diesem Fall keinen Bunker aufzusuchen braucht.
Wenn man an der Caldera Santorins wohnt, ist der Ausblick atemberaubend. Das Frühstück serviert der Gastgeber auf der Terrasse mit Blick auf die Kameni-Inseln, die das Zentrum des Vulkans bilden. Die Caldera gleicht einem Stillleben, die Stimmung einer Schwarz-Weiß-Fotografie von Herbert List – bis ein Katzenpaar sich miauend um ein Stück Käse streitet und irgendwo eine Schleifmaschine aufheult und wohl Schäden der vergangenen Saison ausbessert. Wenn der Abend anbricht, fühlt man sich in frühere Zeiten versetzt. Leider auch durch einen Lastwagen, der in der Ferne vor einer offensichtlich nicht ganz zeitgemäßen Müllhalde vorfährt. Vor 25 Jahren war das nicht viel anders. Die Insel hat ihr Müllproblem noch immer nicht gelöst.

Reisebekenntnis

Santorin gehörte schon immer zu meinen absoluten Lieblingsinseln in Griechenland. Gerade deshalb fahre ich nur noch in der Nebensaison dorthin. Nur noch dann, wenn die Wolken die Insel in einen Mantel aus Nebel hüllen und ich endlich wieder Bilder von idyllischen und einsam anmutenden Gassen schießen kann. Ja, nur dann möchte ich zu dieser „Perle der Ägäis“, wie Santorin auch gerne genannt wird, reisen. Der Grund: In der High Season hat Santorin für mich nicht mehr viel Genüssliches zu bieten. Es ist zu einem überreizten, überteuerten, unnatürlichen Lebensraum geworden. Würde diese alte Insel sprechen können, ginge ihr Protest-Schrei durch die Welt. Deshalb glaube ich, dass es für Santorin ein Reiseverbot geben müsste, damit sie wieder zu Atem kommt. Aber wer sollte diesen Vorschlag wirklich ernst nehmen? Wo gibt es denn sonst auf der Welt ein derart fantastisches Wohnerlebnis am Rande eines Vulkankraters? Und warum sollte die Insel auf ihre touristischen Einnahmequellen verzichten?

Streifzüge im Süden der Insel

Ein anderes wichtiges Kriterium, das für eine Winterreise spricht, ist die Tatsache, dass man Einheimische zum Reden findet. Man trifft sie in den wenigen geöffneten Lokalen. Zum Mittagessen fahre ich Richtung Osten nach Kamari, wo das Restaurant „Bacchus“ köstliche Hausmannskost zu realistischen Preisen anbietet. An diesem Tag schmoren zarte Artischocken mit Kartoffeln in Zitronensauce im Kochtopf. Andere Gäste bestellen die klassische Bohnensuppe mit einer getrockneten Zwiebel als Beilage, Oliven und frisch gebackenes Brot. Auch der Kartoffelsalat spricht mich an. Der wird anders als in Deutschland nicht mit Mayonnaise, sondern mit Tomaten, Zwiebeln und Kapern in Olivenöl serviert. Nach dem Essen mache ich einen Abstecher zum langen Strand vom Kamari, an dem ich die ungewöhnlichsten Hühnerställe Griechenlands entdecke. Würde ich es nicht besser wissen, würde ich sie glatt mit ostfriesischen Strandumkleidekabinen verwechseln.

Hinauf nach Emborio

Von Kamari fahre ich etwas weiter hinauf zum alten Handelsstädtchen Emborio (dt.: Handel). In den schmalen Gassen verliert man sich als Fremder schnell. Man sollte sich Schilder oder Gebäude merken, wenn man aus diesem Labyrinth wieder zurück auf die Hauptstraße finden möchte. Emborio ist in den letzten Jahren aufwändig restauriert worden – eine Mammutaufgabe, die längst noch nicht abgeschlossen ist. Aber viele alte Häuser werden zu Airbnb aufgerüstet. Zum Glück finden die Tausenden Griechen, die auf Santorin eine gute Arbeit finden, in Orten wie Emborio, Pyrgos, Vothonas und Exo Gonia noch bezahlbare Mietunterkünfte. Sie wurden in den letzten Jahrzehnten immer mehr aus den Hauptorten Santorins verdrängt, damit dort noch mehr Touristenherbergen entstehen können.

Atemberaubend der Ausblick von Profitis Ilias
Atemberaubend - der Ausblick von Profitis Ilias

Katzenpaar an der Caldera
Katzenpaar an der Caldera

Text und Fotos von Marianthi Milona

Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 696 am 9. Oktober 2019.

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