Urlauber, kommst du nach Hellas – fahr nicht an Korinth vorbei. Die Stadt am Golf, bei den Römern der „Ort an zwei Meeren“, steht bei vielen im Ruf, nichts Besonderes zu bieten. Sie hat sich in den letzten Jahren herausgemacht. Außerdem findet man den Namen Korinth oder Kórinthos gleich fünf Mal auf der Landkarte. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass für jeden Geschmack etwas dabei ist.
Aufmüpfiges Volk
Fünf Mal Korinth! Da haben wir zunächst die heutige Stadt, die darunter leidet, dass sie mehrere Male von Erdbeben verwüstet wurde. Dem Lebenswillen der Bewohner – heute gut 30.000, mit umgebenden Orten doppelt so viele – konnte das nichts anhaben. Sie bauten ihre Heimat wieder auf. Dann gibt es, sieben Kilometer entfernt, das „alte Korinth“, Archaía Kórinthos, der Ort, in dem Paulus predigte, an den er seine Briefe richtete, mit denen er manchen Disput ausfocht, denn die Korinther – das mussten die Römer immer wieder erfahren – waren ein aufmüpfiges Volk. Als Nummer Drei gibt es die Bezeichnung Akrokorinth, die Stadt auf dem Berge, eine Festung in 575 Metern Höhe, die so schnell niemand bezwingen konnte. Viertens haben wir in der Nähe des antiken Korinth das heutige, das neue Dorf Altkorinth. Schmucke Häuser sieht man schon bei der Anfahrt. Im Ort selbst viel Gastronomie und Souvenirläden, denn die alten Mauern und Tempelreste locken Tagesbesucher in Scharen an. Und schließlich gibt es, Nummer Fünf, den Kanal von Korinth. Der Bau wurde schon in der Antike geplant, von Kaiser Nero im Jahr 67 sogar begonnen, ausgeführt aber erst Ende des 19. Jahrhunderts. Er verkürzt die Fahrt um die gefährlichen Kaps der Peloponnes um rund 400 Kilometer.
Wirtschaftliche Bedeutung hat der Kanal heute nicht mehr. Die Schiffe sind einfach zu groß geworden. Auf kleineren Kreuzfahrtschiffen aber ist die Fahrt durch die Schlucht des Kanals immer wieder eine Attraktion, auch wenn Kapitäne, etwa auf der in die Jahre gekommenen MS BERLIN fluchen, weil die Durchfahrt eine verteufelt schwierige Sache ist; trotz dreier Lotsen an Bord. Ein Schiff, das theoretisch gerade noch durchpasst, schafft es selten ohne Wandberührung. Es braucht nur stark windig zu sein; dann nutzen die 60 Meter hoch aufregenden Wände auch nicht viel.
Gefüllte Straßencafés
Die moderne Stadt hat sich herausgeputzt. Die neue Marina am Golf mit Cafés und Ruheplätzen lädt zum Verweilen ein. Im Zentrum sind Fußgängerzonen entstanden. Die Straßencafés sind immer gut gefüllt. Freilich haben Griechen nicht Unrecht, die darauf hinweisen, dass Kaffeebars in den wirtschaftlich schwierigen Zeiten das Einzige sind, was läuft. Bei einem kleinen Kaffee verbringen manche Griechen den halben Tag.
Im neuen Dorf wartet die Gastronomie auf Gäste.
Die Tourismusverantwortlichen weisen gern auf das neu gestaltete Geschichts- und Volkskundemuseum in der Nähe der Marina hin. Am Kanal hat sich ein moderner Extremsport etabliert. Bunjee-Springer behaupten, dass der Nervenkitzel zwischen den hochhaushohen Wänden weltweit seinesgleichen sucht.
Am Rande des neuen Dorfes bei den Ausgrabungsstätten sind riesige Parkplätze entstanden. Wenn im Hafen von Piräus mehrere Kreuzfahrtschiffe liegen, mit jeweils einigen tausend Passagieren, bietet sich der Busausflug nach Alt-Korinth an. Dann reiht sich im Dorf Bus an Bus, denn für die Ausflügler braucht man schon mal 30 Busse pro tausend erlebnishungriger Gäste.
Die neue Marina von Korinth lädt zum Spazieren ein.
Antike Ersatzteile
Die Wege im Gelände der antiken Stadt sind vorgezeichnet. Geschichten vom Apollotempel, von der Quelle der Peirene, vom predigenden Paulus wissen die Reiseleiter spannend zu erzählen. Nicht vergessen werden darf auf dem Gelände von Alt-Korinth das Museum. Ein Philhellene aus den USA hat es um 1930 gestiftet. Die Bestimmungen seines Testamentes wurden von Tochter Ada Small Moore eingehalten. Sie kam 1931 aus Chicago zur Einweihung. Inzwischen ist das Museum erweitert und modernisiert. Vieles findet man auch in anderen Museen. Aber wo gibt es eine Sammlung antiker Ersatzteile für menschliche Körperglieder? Wie man zu Zeiten des Hippokrates allerdings Arme oder Beine am lebendigen Rumpf befestigte – das bleibt ein Geheimnis.
Im Museum wird eine haarsträubende Geschichte erzählt. Auf einer großen Tafel ist sie nachzulesen. 1990, so steht dort englisch und griechisch, seien Diebe in einer Sommernacht durchs Dach eingestiegen und hätten 286 antike Stücke von unschätzbarem Wert gestohlen. Den Nachtwächter, den es auch damals gab, habe man betäubt und geknebelt. Mehr als ein Jahrzehnt dauerte die Suche. Dann habe man die Kunst aus Korinth in den USA entdeckt. Seit 2004 steht fast alles wieder an Ort und Stelle. Ob es deshalb in Alt-Korinth heute auffallend viel Wachpersonal gibt?
Wein aus der Nemea-Region
Die meisten Besucher Alt-Korinths bleiben nur einige Stunden. Wer mit dem Pkw hier ist oder sich ein Taxi leistet, kann die paar Kilometer nach Akrokorinth einplanen. Der Blick auf die Stätten der antiken Häfen zu beiden Seiten des Isthmus, der Meerenge, ist fantastisch. Aber auch zu Fuß schafft man das in rüstigen Zeiten. Mehr als eine knappe Stunde braucht man für den Aufstieg nicht. Abwärts geht’s schneller. Die Mauern oben sind bis heute beeindruckend. Sie umschlossen und umschließen große Teile der Bergspitze. In der Nähe des Eingangstores kann der verstaubte Wanderer den Durst stillen. Selten schmeckt ein eisgekühltes Bier besser als nach einem solchen Marsch.
Übrigens braucht man keinen Wagen, wenn man in der modernen Stadt sein Quartier aufgeschlagen hat. Pro Stunde mindestens einmal fährt der lokale Bus, für 1,80 Euro pro Strecke. Parkplatzsuche bleibt einem dann erspart. Freilich übernachten die wenigstens Touristen in Korinth. Aber auch von der Argolis, etwa aus den Urlaubshotels in Nafplion oder Tolon ist der Weg nicht allzu weit. Und wenn man schon in der Gegend ist, könnte man sich auch den Ort ansehen, den Freunde griechischen Weines auf jeden Fall vom Namen her kennen, Nemea. Auch hier ist es der alte Teil, der für Besucher von besonderem Reiz ist, das Stadion, das Museum und die Tempelreste.
Thermalquellen ums Eck
Von Korinth aus lohnt auch ein Aufenthalt im nahe gelegenen Badeort Loutraki mit seinen vorzüglichen Hotels, viele im Belle-Epoque-Stil. Hier kann man etwas für seine Gesundheit tun. Die heißen Quellen werden seit der Antike für die Gesundung und Wellness genutzt. Heute weiß man um die heilende Wirkung von Schwefel und Bikarbonat-Ionen, die im heißen Loutraki-Wasser enthalten sind. Das städtische Thermalbad bietet sehr gut ausgestattete und preiswerte Arrangements an.
Von Athen aus ist Korinth mit dem modernen Vorortzug zu erreichen, der direkt vom Flughafen Richtung Kiato fährt. Für den sogenannten Proastiakos hat auch Korinth eine neue Bahnstation bekommen, vier Kilometer vom Zentrum entfernt. Am alten Bahnhofsgebäude kommen die Busse aus Athen an, und der Bus ist nach wie vor das bekannteste öffentliche Verkehrsmittel in Griechenland.
Text und Fotos: Konrad Dittrich