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Kastellorizo – letzter Außenposten Europas

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Moschee und Minarett stehen an der Hafenausfahrt. (Fotos: GZcb) Moschee und Minarett stehen an der Hafenausfahrt. (Fotos: GZcb)

133 Kilometer von Rhodos entfernt liegt ganz dicht vorm türkischen Städtchen Kas die östlichste Insel eines nicht nur politisch, sondern auch geographisch zu Europa gehörenden Landes. „Here starts Europe“ verkündete einst ein – jetzt aus Rücksicht auf die Zyprer – abgebautes Schild direkt auf der winzigen Platia des einziges Inseldorfes.

Dieses Dorf war einmal eine Stadt mit über 14.000 Bürgern und mehr als 3.000 Gebäuden. Heute zählt der Ort noch 260 Bewohner. Damals lebte man vor allem vom Handel, war wichtige Zwischenstation für Schiffe und Wasserflugzeuge auf ihrem Weg vom und aus dem Orient. Außerdem besaßen in osmanischer Zeit viele Insulaner Felder und Olivenhaine auf dem gegenüberliegenden Festland. Als die Italiener 1920 verspätet auch Kastellorizo in Besitz nahmen, gingen die verloren. Nach dem gescheiterten Kleinasien-Feldzug 1922 waren alle Hoffnungen dahin, sie wiederzuerlangen. Die erste große Auswanderungswelle setzte ein. 1926 zerstörte ein Erdbeben viele Häuser, weitere Kastellorizaner wanderten aus, die meisten davon ins britisch dominierte Ägypten.

 

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs lebten nur noch 1.500 Menschen auf der Insel. Nachdem die Briten 1943 Kastellorizo besetzt hatten, evakuierten sie die meisten von ihnen aus Angst vor deutschen Bombenangriffen zunächst nach Ägypten und in ihre Kolonie Zypern. Am 29. Oktober 1943 bombardierten die Deutschen tatsächlich die Insel und setzten dabei einige Häuser in Brand. Da die Briten es versäumten, das Feuer zu löschen, zerstörte es die meisten Häuser der Stadt. Als Entschädigung bot man den Insulanern auf Zypern und in Ägypten an, sie kostenlos nach Australien zu bringen, um sich dort ein neues Leben aufzubauen. Die meisten Kastellorizaner nahmen die Offerte an. Heute leben in Australien etwa 20.000 ihrer Nachkommen. Die meisten von ihnen haben es inzwischen zu etwas gebracht – und einen Teil ihres Vermögens in die Restaurierung und den Wiederaufbau ihrer Häuser auf der Insel investiert, sodass sich die heute als ein schmuckes Idyll präsentiert, mit dessen historischer Intaktheit sonst bestenfalls noch Symi konkurrieren kann.

Eine andere Welt Die Berge im Hintergrund gehören bereits zur Tuerkei

Eine andere Welt – Die Berge im Hintergrund gehören bereits zur Türkei.

Flugzeit 25 Minuten

Wir fliegen am Ostersamstag 2017 wieder einmal von Rhodos aus hin. Im Mai 1990 waren wir erstmals dort, damals noch mit einer Dornier DO-228. Heute kommt eine Dash 8-100 zum Einsatz, die doppelt so viele Passagiere fasst: 37. Die ist ideal für die Landebahn dort, die aus topologischen Gründen gerade einmal 798 Meter lang sein kann und die Insel in zwei Hälften teilt.  Damals mussten wir noch zwei Kilometer weit zu Fuß vom Mini-Terminal ins Dorf gehen, das Gepäck wurde von einem Traktor mit Anhänger zur Platia transportiert. Heute wartet ein flotter Minibus auf die Passagiere. Dessen Chauffeur ist zugleich der einzige Taxifahrer der Insel.

Die Größte der Kleinen

Auf der kurzen Fahrt vom Flugplatz in den Ort wird deutlich: Kastellorizo ist kein einsamer Inselzwerg, sondern das größte Eiland eines ganzen Mini-Archipels zwischen ihm und der lykischen Küste, von denen keine mehr bewohnt ist. Manche der 26 Inselchen gehören noch zu Griechenland, andere schon zur Türkei. Weil Kastellorizo mit nur neun Quadratkilometrn Fläche die größte von allen ist, wird es auf Griechisch auch als solches bezeichnet: als Megisti.

Der „Flughafenbus“ hält auf der winzigen Platía des Ortes, die sich direkt zur langen, schmalen Hafenbucht hin öffnet. Alle drei Ufer sind von meist zweigeschossigen Häusern mit ziegelgedeckten Satteldächern bestanden. Zwischen weiße Fronten mischen sich viele Pastelltöne; die Türen, Fensterrahmen und -läden sind häufig knallblau, -grün oder -rot gestrichen. Vor Erdbeben und Bombardierung kletterten hinter der ersten Reihe viele weitere Häuser die niedrigen Hänge empor, heute ist das nur noch stellenweise der Fall. Zwei Kirchenkuppeln und ein filigraner Kirchturm setzen markante Punkte im Weichbild des Ortes. Dazu tritt eine kleine Moschee mit niedrigem Minarett auf einer Seite der Hafeneinfahrt. Dem längst nicht mehr genutzten, aber gut gepflegten islamischen Gotteshaus gegenüber steht der einzige nicht ins ansonsten völlig einheitliche Ortsbild passende Neubau des Städtchens, das zweigeschossige Hotel „Megisti“ aus den 1970er Jahren. Damals war es das einzige auf der Insel. Mehrere andere sind inzwischen dazugekommen. Insgesamt zählt Kastellorizo heute etwa 260 Fremdenbetten.

Mit der Dash8 100 von Olympic fuer 98 Euro von Rhodos nach Kastelorizo

Mit der Dash 8-100 von Olympic für 98 EuroMit der Dash 8-100 von Olympic für 98 Eurovon Rhodos nach Kastellorizo

Tourismus

Wir ziehen unsere Koffer 200 Meter weit vom Bus in unser kleines Hotel. Böller knallen, Kinder proben wie überall in Hellas für Ostern. Nach einem Viertelstündchen sind wir wieder draußen, tun, was man auf Kastellorizo so tut: in einer der vielen Café-Bars und Tavernen am Hafen sitzen. Zwischen Häuser und Meer passt meist gerade einmal eine Tischreihe, man könnte beinahe die Füße ins Wasser halten. Alle Lokale sind gut gefüllt, denn außer den Gästen aus den komplett ausgebuchten Hotels sind auch noch über 200 Rhodier da, die auf der Blue Star Patmos übernachten. Die hat wie jedes Jahr zu Ostern am Karfreitag hier festgemacht und fährt erst am Ostermontag wieder zurück. Sie liegt quer zum Kai im Hafenbecken und riegelt es fast vollständig gegen das offene Meer ab. Ein Tampen ist sogar quer übers Hafenbecken vom Bug zur anderen Seite gespannt. Es hängt jedoch so weit durch, dass die drei türkischen Ausflugsdampfer, die täglich aus dem nur 30 Minuten entfernten Kas hierher kommen, gerade noch darüber hinweg tuckern können.

Die Tagesausflügler aus der Türkei sind inzwischen die wichtigste Einnahmequelle der Insulaner. Anders als die Griechen trübt noch keine Krise ihre Konsumlaune, anders als die Mittel- und Nordeuropäer bestellen sie wie einst die Hellenen viel mehr, als sie verzehren können. Die meisten Speisekarten in den Inseltavernen sind dreisprachig (griechisch, englisch, türkisch); Tavernenwirte und Bootsvermieter haben auch türkische Mobilfunknummern, damit sie von Gegenüber kostengünstig telefonisch zu erreichen sind.

Taeglich zu Gast Ausflugsboote aus dem tuerkischen Kas

Täglich zu Gast Ausflugsboote aus dem türkischen Kas

Die Verbindung zwischen Kas und Kastellorizo ist jedoch keine Einbahnstraße. Im Sommer fährt auch ein kleines Ausflugsboot von der Insel hinüber aufs Festland - und für die Kastellorizaner selbst ist Kas ganz einfach der nächste größere Ort. Da gehen die Inselbewohner zum Frisör und zum Zahnarzt, von dort beziehen sie frisches Obst, Fleisch und Gemüse.

Nicht alle Inselbesucher reisen legal ein. Auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise im Winter 2015/16 kamen fast täglich Flüchtlinge an; einmal waren es sogar 1.000 an nur zwei Tagen. Jetzt landen nur sporadisch überwiegend Syrer in kleinerer Zahl an. Die meisten haben Geld genug dabei, um sich ein Hotelzimmer zu leisten. Wegen der  besonderen Bedeutung der Insel als Außenposten der Nation werden sie jeweils sofort mit der nächsten Fähre über Rhodos in die Hot Spots auf anderen Inseln weitergeleitet. Nun hoffen die Insulaner natürlich wie alle Griechen, dass Erdogan nicht verrückt spielt und sich ans Flüchtlingsabkommen hält ...

Hauptbeschaeftigung auf Kastellorizo Am Wasser sitzen

Hauptbeschäftigung auf Kastellorizo – Am Wasser sitzen

Was tun?

Wir sind für 72 Stunden auf Kos. Zeit genug, unentwegt Kaffee zu trinken und die Tavernen zu testen. Zeit genug auch, Insel und Ort zu durchforsten. Wir laufen hinauf zur kleinen türkischen Festung direkt oberhalb der Moschee, in der zwei Wärter das kleine, aber liebevoll gestaltete Inselmuseum verwalten. Fünf Minuten weiter bergan stehen die Außenmauern des ritterzeitlichen Castello Rosso, das der Insel ihren Namen gab. Am Uferrundweg unterhalb des Kastells steigen wir Treppen hinauf zur Fassade eines lykischen Felsgrabs. Außerhalb des Städtchens wandern wir hinauf zum verlassenen Kloster Agios Georgios tou Vounou aus dem 18. Jahrhundert und zur Burg Paliokastro, die von der langen Inselgeschichte erzählt. Hier oben lag die Akropolis des antiken Megiste, von dem nur noch ein mächtiger Turm aus hellenistischer Zeit zeugt. Die Burgmauern sind teilweise byzantinisch, ebenso drei kleine, blendend weiß gekalkte Kapellen mit rotem Dach.

Eine Wohltat fuers Auge Die Pastelltoene der Haeuser

Eine Wohltat fürs Auge – Die Pastelltöne der Häuser

Die Hauptsehenswürdigkeit der Insel erreichen wir nur per Boot. Antonis Patiniotis bringt uns in seinem offenen Motorboot hin (30 Euro/2 Personen, ab 4 Personen 10 Euro/Person).  20 Minuten dauert die Fahrt.  Dann müssen wir uns auf den Boden legen, denn die Einfahrt in die „Blaue Grotte“ von Kastellorizo ist ganz eng und weniger als einen Meter hoch. Wir entern eine Felskathedrale: 150 Meter lang, 37 Meter breit, bis zu 40 Meter hoch. Das bis zu 20 Meter tiefe Wasser schimmert in den kräftigsten Blau-, Grün- und Türkistönen; im Sommer dürfen Bootspassagiere sogar kurz darin schwimmen.

Bootsmann Antonis faehrt in die Blaue Grotte hinein

Bootsmann Antonis fährt in die Blaue Grotte hinein.

Ansonsten ist Kastellorizo ganz gewiss kein Ziel für einen Badeurlaub. Das Hafenbecken dient an heißen Tagen als Pool, Badeleitern erleichtern Ein- und Ausstieg. Der Vorteil: Man kann zwischen zwei Gläsern Frappé oder Ouzo mal eben ins kühle Nass klettern.

Einen winzigen Grobsand-Kiesstrand gibt es an der Mandraki-Bucht am nördlichen Stadtrand, im Sommer fahren Motorboote in drei Minuten hinüber zur Felsscholle von Agios Georgios. Da gibt es sogar eine Beach Bar, Sonnenschirme und -liegen werden vermietet. Im Sommer herrscht da High Life bis spät in die Nacht hinein, wird uns erzählt.

Text Klaus Bötig

Weitere Informationen:

Anreise: Mit Olympic Airways von Rhodos (hin und zurück ca. 98 Euro). Mit Blue Star Ferries von Piräus, Kalymnos, Kos, Nissyros, Tilos, Symi  und Rhodos (Rhodos hin und zurück 39 Euro, Mo. und Fr., Fahrzeit 3:40 ab Rhodos).

Website: www.kastellorizo.com

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