„Ireon“ heißt das Dorf. Es liegt an der Südküste der ostägäischen Insel Samos, und sein Name entspricht der griechischen Bezeichnung für das antike „Heraion“, das berühmte Hera-Heiligtum in der Schilflandschaft der Flussmündung gleich nebenan. Eher zufällig sind wir in diesen kleinen Ort geraten und haben dort mehrere Tage verbracht.
Er zieht sich mit nur drei durchgehenden parallelen, wenige Male auch quer gekreuzten Straßen an einem flachen Strandstreifen entlang bis hin zum Fuß eines Steilhanges – auf der einen Seite eingerahmt vom Meer, auf der anderen vom dichten Grün der fruchtbaren Küstenebene. Im Grunde ein winziger Ort, den man in wenigen Minuten durchlaufen hat – von der Straßenbrücke am Ortseingang bis zum romantischen bunten Bootshafen am anderen Ende, aber durch und durch ein kleines Seebad mit einer für solch kleinen Ort ganz erstaunlichen touristischen Infrastruktur.
Mythische Geburtsstätte
Mögen auch die Strände im Norden zwischen der Inselhauptstadt Vathy, der „Tiefen“, und dem Fährhafen Karlovasi, insbesondere in den Orten um die touristische Hochburg Kokkari, mit sandigen, oft felsgerahmten Buchten schöner sein und sich mit allen denkbaren Einrichtungen für einen florierenden Fremdenverkehr erschlossener darstellen, so sammeln sich doch im Südosten am Ausgang der landschaftlich besonders beeindruckenden Meerenge zwischen Samos und der türkischen Halbinsel Mykale die sehenswerten Höhepunkte der Insel.
An diesem spektakulären Küstenstreifen bildet das Dörfchen Ireon den Endpunkt vor dem wilden, gebirgigen, nur teilweise zugänglichen Westen von Samos, den man allerdings von hier aus mit dem Boot erkunden kann. 7,5 Kilometer sind es nur zu dem reizvollen, direkt auf den Fundamenten der antiken Hauptstadt gegründeten Städtchen Pythagorion, dessen weiter, von Lokalen aller Art umstandener kreisrunder Hafen ebenfalls antiken Ursprungs ist.
Wahrzeichen nahe des Ortes Ireon: der Heratempel auf archäologischem Gelände.
Touristen aus aller Welt
Der moderne Name des betriebsamen Mittelpunkts erinnert an den bedeutenden antiken Mathematiker und Philosophen Pythagoras (540-500 v. Chr.), der hier zu Hause war. Ein weiterer touristischer Magnet ist dort das von Eupalinos, einem genialen Ingenieur des Tyrannen Polykrates, im 6. Jahrhundert v. Chr. über 1.200 Meter hin quer durch einen Berg gezogene unterirdische Aquädukt, in das man eine ganze Strecke lang „abtauchen“ kann. Und nur zwei Kilometer, fast zu Fuß erreichbar, ist von Ireon aus das vom Deutschen Archäologischern Institut Athen erforschte und betreute Heraion – jenes Heiligtum mit den gut erhaltenen Resten einer Abfolge dreier monumentaler Tempel bei der Stätte, wo dem Mythos nach die Göttin Hera geboren wurde. Und nicht zuletzt befindet sich in jener Ecke der Insel der Flughafen, über den Touristen aus aller Welt auf Samos eintreffen. Von ihm ist das Dorf Ireon höchstens vier Kilometer entfernt.
Der Ort verfügt über eine Fülle anziehender Tavernen, Cafés und Bars. Mehrere davon direkt am Meer, andere im Ortskern, wo sie sich, dekoriert mit kleinen Lichtern, meist romantisch hinter dem Blattwerk oder den Blütenvorhängen dichter Lauben verstecken. Über die gepflasterte, autofreie kleine „Platia“, einem Paradies für spielende Kinder, weht Abend für Abend der Duft frisch gebackener Kalamari und gegrillter Souflakia. Hier schließt sich eine kleine touristische Basarstraße an, in der man Strandzubehör und Souvenirs aller Art finden kann …
Zuhause im Hotel „Spiti"
Zwischen ehemaligen Fischerkaten, in die mitunter gut bestückte Lebensmittelläden – Pantopoleia – eingezogen sind, haben sich in Ireon die kleinen Hotels sowie Gastzimmer vermietenden Privathäuser, die das Ortsbild bestimmen, mit ein- bis höchstens zweistöckigen Neubauten eingerichtet. Eines von ihnen ist zum Beispiel die kleine hübsche Villa des auf acht Zimmer beschränkten Hotels „Spiti“, wo eine deutsche Wirtin mit ihrer griechischen Familie einheimische Gastfreundschaft mit deutschem Frühstück verbindet. – Das Dorf Ireon bietet ein Paradebeispiel für die zurückhaltende Bebauung, dank der sich so oft griechische Küsten trotz Fremdenverkehrs ihren ursprünglichen Charakter bewahrten konnten.
Text und Fotos von Ursula Spindler-Niros