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Kastelorizo - Kleines Paradies am Ende der Welt

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Die Insel hat ihren Namen vom „Roten Kastell“ – Castello Rosso Die Insel hat ihren Namen vom „Roten Kastell“ – Castello Rosso

Die Landung am frühen Morgen mit der kleinen Propellermaschine ausschließlich von Rhodos aus ist nicht einfach, zählt die Landebahn doch lediglich 798 Meter, herausgeschlagen aus einer Felswand, die die Sicht auf jegliches Leben auf dieser entlegensten bewohnten Insel Griechenlands versperrt. Nur ein kleines Gebäude steht wie verlassen am Rande, spendet Schatten für die wenigen Reisenden, die es hierher verschlagen hat.

Nach der Ankunft heißt es warten auf das einzige Taxi hier, das alle Reisenden der Reihe nach ins Hafenörtchen Megistri transportiert. Man teilt sich Taxi und Fahrpreis mit den anderen Wartenden.

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Die Landebahn ist nicht einmal 800 Meter lang

Megisti, das ist der bereits in der Antike erwähnte Name der Insel. „Die Größte“ könnte er bedeuten, da sie die Größte ist von einer kleinen sie umgebenden Inselgruppe. Es soll aber auch einen ersten Siedler in der Antike gegeben haben, Megisteas, der dieser Insel seinen Namen gab. Der heutige Name Kastellorizo ist die Ableitung von dem mittelalterlichen Namen „Castello Rosso“ (Rote Burg) – wegen des Baumaterials und des roten Felsens, auf den die Ritter des Johanniterordens sie im 14. Jahrhundert errichteten. Von dort oben bietet sich ein grandioser Rundumblick, vor allem in Richtung Kleinasien. Es sind tatsächlich nur knapp vier Kilometer bis zum kleinen Hafenörtchen Kaş direkt gegenüber auf der türkischen Seite.

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Mitten drin im beschaulichen Leben

Die Fahrt mit dem Taxi dauert nur wenige Minuten, bis wir im Ortszentrum direkt am Hafen abgesetzt werden. Das Farbenspiel der ringsherum kleinen traditionellen Häuser – typisch für die Inseln des Dodekanes – umfassen die Hafenbucht wie eine bunte Halskette und lassen uns die Strapazen der langen Reise von Athen über Rhodos hierher schlagartig vergessen. In Megisti ist man sofort mitten drin im beschaulichen Leben der Insel. Mit einer der Fähren hier anzukommen, ist eine andere Art erster Begegnung. Die Bucht umfängt den Gast wie mit offenen Armen.
Wir ziehen mit unserem Gepäck an der langen Promenade entlang zu unserer Unterkunft, in eines der liebevoll restaurierten traditionellen Häuser. Wie überall in Griechenland ist das Willkommen außerordentlich herzlich, gepaart mit dem Angebot eines ausgiebigen Frühstücks – kostenlos. Vier Tage haben wir nun Zeit, uns hier umzuschauen, zu entdecken, zu entspannen und uns kulinarisch verwöhnen zu lassen, kurzum: die Seele baumeln zu lassen.

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Frischer Fisch in Bucht-Taverne

Friedliches Verhältnis mit den türkischen Nachbarn

Um die dreihundert Einwohner leben fest auf diesem beschaulichen Eiland, erfahren wir bald, nur ein paar von ihnen verlassen für die Wintermonate diese Sommeridylle und ziehen sich hauptsächlich nach Rhodos zurück. Die Übrigen pflegen einen regen Austausch mit dem hier teilweise fest stationierten Militärpersonal, den zahlreichen Fischern, die die kalte Jahreszeit dazu nutzen, ihre Boote, Zubehör und ihre Häuser instand zu halten. Und das Kommen und Gehen von Touristen und Kleinhändlern aus Kaş bricht ebenfalls nie ab. Das Verhältnis mit dem gegenüber liegenden Nachbarn ist hier überaus friedlich, man besucht sich für die Einkäufe ebenso wie man sich gegenseitig zu den Dorffesten einlädt. Im Kleinen ist oft Vieles einfacher als im Großen.

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Um uns einen ersten Überblick zu verschaffen, lassen wir uns von Giorgios, einem der „Daily Cruises“-Anbieter, mit seinem Motorschlauchboot an der Küste entlang zu einem der Höhepunkte dieser Insel fahren, der Blauen Grotte. Ich habe nie verstanden, warum die von Capri die einzig besungene und am meisten fotografierte sein soll. In den griechischen Inselparadiesen habe ich weit mehr Zwillingsgrotten entdecken dürfen. Aber diese hier ist ein Must! Poseidon ist uns gütig gestimmt, das Meer ist ruhig, der Wasserstand um die Mittagszeit noch niedrig. Dennoch müssen wir uns auf den Bootsboden setzen und die Köpfe einziehen, um durch den schmalen Mund in das Innere zu gleiten. Noch ganz in geduckter Erwartungshaltung finden wir uns in einer anderen Sphäre wieder, unwirklich, betäubend blau. Wir sitzen stumm und schauen überwältigt. Die Grotte ist unerwartet groß, das satte Blau atemberaubend. Giorgios beleuchtet für uns die mit Stalaktiten und Stalagmiten bestückte Höhlendecke.

Sprachloses Gefangensein in der Schönheit

Das liebt er so an seinen Ausflügen, erzählt uns Giorgios, als wir wieder entlang der zerklüfteten Buchten im gleißenden Sonnenlicht über die sanften Wellen preschen: das „sprachlose Gefangensein in der Schönheit dieser Grotte“, das er jedes Mal in den Gesichtern der vielen Touristen entdeckt, sobald sie ihre Köpfe wieder erheben dürfen. Seit seinem zehnten Lebensjahr ist sein Boot sein Metier – vom Großvater an die Familie weitergegeben. Hinzu kommen mittlerweile Einkommen durch ein kleines Café im Erdgeschoss des Elternhauses an der Promenade sowie durch Zimmervermietung im eigenen Haus gleich nebenan. So sind hier in diesem kleinen Paradies am Ende der Welt alle zusammen: Eltern, Ehefrau, die beiden Kinder und natürlich die Sommergäste.
Und natürlich fragen wir ihn, inwieweit die Menschen hier die Auswirkungen der Krise spüren. „Alle“, sagt er ernst, „spüren die Krise. Aber hier hat jeder seine Aufgaben und eine gute Nachbarschaft. Die Ansprüche sind nicht so groß wie in den Großstädten des Festlandes.“ Wieder erkennen wir: Im Kleinen scheint vieles einfacher als im Großen. Auf die Frage, was er sich von der Zukunft wünscht, antwortet er, dass sich seine Heimatinsel „irgendwann wieder zu einem blühenden Kleinod entwickelt mit mindestens zehntausend Einwohnern wie vor dem Zweiten Weltkrieg“.

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Zwischen den Booten schwimmen Meeresschildkröten

Am Agios-Giorgios-Strand mit dem kristallklaren Wasser und nur mit dem Boot erreichbar lässt uns Giorgios für die restlichen Sonnenstunden zum Schwimmen und Entspannen zurück, bevor er uns am Abend wieder auffischt und nach Megisti zurückbringt.
Die zahlreichen Restaurants bieten mittags wie abends eine fantastische Auswahl an Gerichten der griechischen Küche, der Fisch ist täglich fangfrisch. Hier genießt man und beobachtet dabei von den Tischen aus das Flanieren und Treiben entlang der Promenade sowie die großen Meeresschildkröten, die zwischen den kleinen angetauten Fischerboten umher schwimmen.

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Im zweiten Teil der Kastelorizo-Reportage lesen Sie u. a. von den engen Bindungen der Insel zu Australien, einer Liebesgeschichte, Kirchen und Klöstern, aber auch von der Hilfe für Flüchtlinge.

Text und Fotos von Lydia Klütsch

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