Als Geheimtipp unter Griechenland-Reisenden gilt Epirus im äußersten Nordwesten Griechenlands. Die Region weist eine reichhaltige Geschichte auf und ist mit einer abwechslungsreichen Natur beschenkt, mit vielen Wäldern und Flüssen. In dieser Folge besucht der Autor u. a. Dodoni, das älteste und nach Delphi bedeutsamste Orakel des antiken Griechenland.
Der Morgen ist kühl, aber die Sonne steht schon über dem Pindosgebirge und hüllt Ioannina, von wo aus wir auch unseren dritten Reisetag beginnen, in einen goldenen Schleier. Die heutige Tour gleicht einem Streifzug durch die Geschichte Griechenlands, denn es stehen Kulturdenkmäler aus antiker, römischer, byzantinischer und osmanischer Zeit auf dem Programm. Die erste Etappe ist kurz, schon nach knapp 20 Kilometern erreichen wir Dodoni, das älteste und nach Delphi bedeutsamste Orakel des antiken Griechenland. Anders als in Delphi, wo die Priesterin Pythia als Medium fungierte, orakelten hier die heiligen Eichen, durch deren Blätter der Wind fuhr. Dieses wispernde Rascheln wurde von Priestern gedeutet und den Fragestellern übermittelt. Doch wie alles aus diesen weit zurückliegenden Tagen, so wird von der Archäologin vor Ort eingeräumt, seien dies lediglich Vermutungen. So gäbe es auch Hinweise darauf, dass für das Orakel die Flugbahnen von Tauben interpretiert oder auf Bleitäfelchen vorgefertigte Antworten per Losverfahren an die Orakelsuchenden ausgeteilt wurden. Und doch scheint das Rauschen des Windes durch die Eichenkronen bis heute kaum etwas von seiner Magie verloren zu haben, schließlich, so erfahren wir, kämen heute Menschen aus der ganzen Welt nach Dodoni, um die besondere Energie dieses heiligen Ortes zu erspüren.
Tatsächlich sitzen zwischen den weit verstreut liegenden Ruinen der antiken Anlage vereinzelt Personen in meditativer Haltung, und ich muss gestehen, dass auch mir der gesamte Ort, je weiter man sich von dem gut erhaltenen, mächtigen Theater am heutigen Eingangsbereich entfernt, seltsam entrückt wirkt.
Die gewaltige Mauer der Burg von Arta
Von der Stille der heiligen Stätte geradezu berauscht fahren wir durch das Louros-Tal, das sich in der Nähe von Fillipiada zu einer weiten Ebene hin öffnet und unseren Augen schier endlose Orangen- und Zitronenplantagen präsentiert. Ziel ist Arta und dort die wohl bekannteste Brücke Griechenlands. Doch zunächst stehen wir staunend vor dem trutzburgartigen Kubus der Parigoritissa-Kirche, die Ende des 13. Jahrhundert als Klosterkirche erbaut wurde; hinter dem Bau finden sich noch Zellentrakt und Refektorium. Nicht minder erstaunt sind wir, als wir das Kircheninnere betreten und dort auf eine waghalsige Stützpfeilerkonstruktion treffen, die das Dach mit seinen fünf Kuppeln schultert. Auch die Freskenmalerei sowie die Säulenornamentik sind mit ihren westlichen Einflüssen unüblich für byzantinische Kirchen.
Danach schlendern wir durch das belebte Arta, schauen uns die mit Silber beschlagene Ikone der Heiligen Theodora in der gleichnamigen Kirche an, machen einen Abstecher in die Markthalle und passieren schließlich die gewaltige Mauer der Burg von Arta, mit deren Bau im 13. Jahrhundert begonnen wurde. Schließlich verebben die Stadtgeräusche und wir stehen vor der wunderschönen alten Brücke mit ihren vier unterschiedlich hohen Bögen. Zwar war sie schon in der Antike bekannt, ihre heutige Gestalt aber erhielt sie in der osmanischen Zeit. Der Legende nach stürzte die Brücke beim Bau nachts immer wieder ein, und um diesen Fluch zu beenden, opferte sich die Gattin des Baumeisters und ließ sich in der Brücke einmauern. Überquert man die Brücke und damit den Fluss Arachthos, steht man vor dem ehemaligen türkischen Zollhaus – Arta fiel 1881 Griechenland zu und wurde Grenzstadt zum osmanischen Reich, zu dem damals noch der größte Teil von Epirus gehörte.
Text und Fotos: Thomas Plaul