Der Nationalpark Parnitha (Εθνικός Δρυμός Πάρνηθας) ist ein beliebtes Naherholungszentrum, das sich am Berg Parnes (ngr. Parnitha) im Nordwesten Attikas erstreckt. In verhältnismäßig kurzer Zeit zu erreichen können die gestressten Athener hier zumindest für einige Stunden der Hektik des Alltags entfliehen, um in der Ruhe der Natur ein wenig Entspannung zu finden. Teil des Nationalparks ist an den südlichen Ausläufern des Parnes das Gebiet von Tatoi, Freunden der griechischen Antike als Dekeleia bekannt. Auch heute noch findet der alte Begriff bisweilen als offizielle Bezeichnung Verwendung (Δεκέλεια).
Es war von Anbeginn die Absicht Georg I. gewesen, seinen Landsitz in Tatoi auch landwirtschaftlich zu nutzen. Damit sollte er eine Tradition begründen, die sich auch unter seinen Nachfolgern beständig fortsetzte. Noch König Paul ließ in den frühen 1950er Jahren neue, große Stallungen für die Viehzucht errichten. Die Erzeugnisse des königlichen Landguts umfassten vor allem Fleisch und Milchprodukte, aber auch Wein kam zum Anbau. Sie wurden zur Deckung des Eigenbedarfs verwendet, die entsprechenden Überschüsse waren aber auch auf dem Athener Markt eine durchaus beliebte Ware.
1880 war noch im Jahr ihrer Geburt eine Tochter des Königspaares gestorben, Prinzessin Olga. Es wurde beschlossen, sie in der Nähe des Palastes auf einem Hügel namens Paleokastro zu bestatten. An diesem Platz hatten die Spartaner im späten 5. Jahrhundert v. Chr. jene Festung angelegt, die der letzten Phase des Peloponnesischen Krieges ihren Namen gegeben hat („Dekeleischer Krieg“). Mit der Beisetzung der kleinen Prinzessin nahm hier nun der königliche Friedhof von Tatoi seinen Anfang. Seither wurden und werden die Mitglieder der Familie auf diesem Hügel zu Grabe getragen.
Gräber mit schlichten Marmorplatten
Die Kirche des Friedhofs wurde nach Plänen des Architekten Anastassios Metaxas gebaut und ist der Auferstehung Christi geweiht. Dem ursprünglichen Plan Metaxas‘, unter dem Boden der Kirche eine Gruft anzulegen, erteilte Georg eine Absage: Er wollte dereinst unter der Sonne und dem Himmel „seines Griechenlands“ beerdigt werden. Und so sind tatsächlich die allermeisten Gräber in Tatoi in lockerer Folge zwischen den Bäumen des Waldes in die Erde eingelassen, abgedeckt in aller Regel nur durch eine schlichte, mit Inschrift versehene Marmorplatte. Lediglich Konstantin I., der Nachfolger Georg I., seine Gemahlin Sophia sowie ihr Sohn Alexander fanden ihre letzte Ruhestätte in einem Mausoleum, das Georg II., ebenfalls ein Sohn Konstantin I., nach seiner Rückkehr auf den griechischen Thron 1935 nahe der Kirche hatte errichten lassen. Die Beisetzung konnte 1936 erfolgen, nachdem man die sterblichen Überreste des im Exil verstorbenen Konstantin, jene seiner Mutter Olga sowie die seiner Frau Sophia aus Florenz nach Athen heimgeholt hatte.
Pläne von einem Museum sind im Gespräch
Georg I. fiel 1913 einem Attentat in Thessaloniki zum Opfer. So wie er es gewünscht hatte, wurde er vor der Kirche des Friedhofs unter freiem Himmel beigesetzt. Die Katastrophe, die den Landsitz, den er für seine Familie geschaffen hatte, drei Jahre später heimsuchte, erlebte er nicht mehr. 1916 nämlich fielen etwa drei Viertel des Areals einem verheerenden Brand zum Opfer. Weite Teile des Waldes, aber auch mehrere Gebäude wurden zerstört. Aufgrund der turbulenten politischen Verhältnisse der folgenden Zeit ging der Wiederaufbau eher schleppend voran, und im Sommer 1945 führten die Auseinandersetzungen während des griechischen Bürgerkriegs erneut zu einem vernichtenden Großbrand. König Paul, der nach dem Tod seines Bruders Georg II. 1947 den Thron bestiegen hatte, setzte alles an eine rasche Wiederherstellung der Anlage. Er beschloss auch, dass Tatoi nicht länger nur der Landsitz, sondern vielmehr ständiger Wohnsitz der königlichen Familie sein sollte. Die offizielle königliche Residenz im Athener Zentrum hatten seine Vorgänger schon längst vom großen Palast am Syntagma-Platz in den so genannten Neuen Palast (Νέα Ανάκτορα) verlegt, der heute als Sitz des griechischen Staatspräsidenten dient (Προεδρικό Μέγαρο). Auch der letzte griechische König, Pauls Sohn und Nachfolger Konstantin II. wohnte mit seiner Familie in Tatoi, bis er am 13. Dezember 1967 mit einem Putschversuch gegen die damalige Militärjunta scheiterte und das Land verließ.
Heute ist der Landsitz von Tatoi, nach einer vor dem Europäischen Gerichtshof erwirkten Abfindung des ehemaligen, nunmehr im Londoner Exil lebenden Königs, im Besitz des griechischen Staates. Und nachdem die Anlage mit ihren etwa 30 Gebäuden lange Zeit weitgehend dem Verfall preisgegeben war, steht sie mittlerweile unter Denkmalschutz. Den offiziellen Planungen zufolge soll sie künftig als Museum fungieren. Die für einen solchen Zweck notwendigen, sehr umfangreichen Restaurierungsarbeiten sind im Gange, und es bleibt nur auf einen raschen Fortschritt zu hoffen, damit nicht noch mehr der teilweise überaus maroden Bausubstanz auf immer verloren geht.
Um den Landsitz von Tatoi zu besuchen, kann man Athen beispielsweise über die Ethniki Odos oder auch, von Kifissia aus kommend, über die Od. Tatoiou nach Norden verlassen. Man hält sich dann Richtung Varibobi (Βαρυμπόμπη / Varibombi)). Nach 4,3 km biegt man nach rechts in Richtung Tatoi ab (Schild, griechisch beschriftet). Dieser Straße folgt man weitere 4,4 km, bis man auf der rechten Seite das eingangs genannte äußere Tor mit dem Wächterhäuschen sieht.
Zum königlichen Friedhof gelangt man, indem man sich am inneren Tor nicht nach links hinauf zum Palast wendet, sondern etwa 200 m bis zu einer Kreuzung weitergeht, von der aus man links die Polizeistation sieht. Hier hält man sich nach rechts und folgt – vorbei an den neuen Stallungen – dem Weg, bis man nach ungefähr 20 Minuten den Friedhof erreicht.
Jens Rohmann
Fotos: © Eurokinissi