Auf der Suche nach Stränden und Geschichte Ost-Kreta hat für seine Besucher zahllose paradiesische Bademöglichkeiten in seinem Repertoire. Wir steuern den von der EU mit der "Blauen Flagge" ausgezeichneten Strand in Ammoϊdi nahe von Aghios Nikσlaos an.
Aghios Nikσlaos an. Hier tummeln sich Touristen aller Herren Länder. Die "Blaue Flagge" steht für Sauberkeit. Diese Sauberkeit wird auch durch einen Meßpunkt des griechischen Umweltministeriums bestätigt. Der Strand ist tatsächlich gepflegt. Bei den vielen Familien und der guten Organisation (Duschen, Kioske und was sonst das Herz begehrt) hat man fast den Eindruck, in einem Schwimmbad des Nordens zu sein.
Dunkle Geschichte, schöner Strand
Einen Grad poetischer geht es am nächsten Tag in Seissi zu. Ausgesprochen wird dieser Ort wie der Name der legendären österreichischen Kaiserin. Seissi liegt etwa 30 km von Neαpoli entfernt, und hat mit der Monarchin natürlich nicht das geringste zu tun. Wir nähern uns diesem Küstenort, der uns durch einen malerischen Hafen lockt über die Selinαri-Schlucht. Auf der recht steil hinabführenden alten Nationalstraße kommt man am Kloster des Aghios Geσrgios (Heiliger Georg) vorbei. Hier ist der Straßenrand mit Fahrzeugen vollgeparkt. Vor der Weiterfahrt sorgen viele Autofahrer für den Reise-Segen und küssen die Heilige Ikone. Wir fahren weiter und schon nach wenigen Minuten taucht vor uns das Meer auf. Die Schlucht öffnet sich und vor uns liegt Milato, ein kleiner Ort mit Kieselstrand, kleinem Hafen und archäologischen Stätten. In einer Höhle bei Milato spielte sich 1823 im Rahmen des Befreiungskampfes gegen die osmanische Herrschaft ein schreckliches Drama ab. 3.700 Griechen wurden dort eingeschlossen und nach einer Belagerung großteils getötet. Viele Frauen wurden als Sklavinnen verschleppt. Diese dunkle Geschichte lassen wir hinter uns und gelangen auf etwas verschlungenen Wegen von Ano Seissi (Ober-Seissi) hinunter zum Zentrum des Ortes. Man erkennt an den Gebäuden und an der Atmosphäre, dass es hier vor wenigen Jahren nur Olivenbäume, Meer und Felder gab. Das ist jetzt anders: Zahlreiche Geschäfte, Touristenläden, Tavernen, Autovermietungen und Cafes haben sich etabliert. Am netten kleinen Hafen gibt man uns Tipps, wo die besten Strände zu finden sind. Wir entscheiden uns für einen der naheliegendsten, für den Hotelstrand "Kalimera Kriti". Ein Pförtner weist uns verlegen darauf hin, dass beim Zutritt durch das Hauptportal des Hotels ein Eintritt von 15 Euro verlangt werden müsse, aber gleich nach dem Tennisplatz rechts führe ein Weg zu einer kleinen Kieselbucht, von der aus man ebenfalls zum künstlich angelegten Hotelstrand gelangen könne. Bald darauf rekeln wir uns unter den Hotelsonnenschirmen (3 Euro) auf Hotelliegen (2 Euro) und fanden nichts Störendes an den Beach-Volleyball spielenden und laut zählenden Italienern und Briten: - "twentyone to sixteen"; "twentytwo to sixteen". Am grün gestrichnen Kiosk bestellen wir uns den üblichen Frappe. Bei einem Spaziergang entdecken wir auch an diesem Strand die "Blaue Flagge"; das Wasser ist klar und selbst an diesem etwas windigen Tag fast ohne Wellen, da die Bucht durch eine Mole geschützt ist.
Der Fall von Vrachαssi
Auf dem Rückweg werden wir mit einem verkehrstechnischen Paradoxon konfrontiert. Der existierenden Abfahrt von der neuen Nationalstraße nach Seissi entspricht keine Zufahrt Richtung Neαpoli und so nehmen wir wieder den gleichen Weg "nach Hause". Hinauf in die Berge, Kurve um Kurve, Serpentine um Serpentine bis wir durch Vrachαssi kommen, wo uns ein makabres Rathaus erwartet, geschmückt mit einer schwarzen Fahne, darunter in schwarzen Buchstaben geschrieben "Molσn lave" (Komm und hol's Dir!). Die Trauer, die der Ort ausstrahlt, ist politischer Natur und rührt von einer Eingemeindung, gegen die sich die Bevölkerung wehrt. Sie wollen ihren eigenen Bürgermeister stellen und veranstalteten deswegen im August gemeinsam mit zwei, drei anderen Orten eigene Wahlen. Dabei wurde darüber entschieden, ob man an den Kommunalwahlen im Oktober teilnehmen soll oder nicht. Ein alter Mann am Kiosk teilt uns vertraulich mit, daß der Ort eigentlich bereits seit mehr als 20 Jahren "tot" sei. Die alte Nationalstraße, so sagt er, "führte direkt durch Vrachαssi und brachte Menschen und Geld ins Dorf. Die heutige neue Nationalstraße umfährt hingegen den Ort, daher der Verfall." Tatsächlich erblicken wir viele verlassene Häuser. Aus dem einstigen Dorf mit pulsierendem Leben wurde ein abgelegenes Nest.
Robert Stadler
Foto: © Griechenland Zeitung / Melissa Weyrich, Kreta