Die Ruinenstädte Mistras und Monemvasia im Wandel der Jahrzehnte
Die Peloponnes, Griechenlands Festlandssüden, ist immer eine Reise wert. Aber dieses Mal war es für mich ein Jubiläum. Exakt 40 Jahre zuvor hatte ich zum ersten Mal das Land der Hellenen besucht.
Als ich mich vor vier Jahrzehnten nach Hellas aufmachte, behauptete ein befreundeter Lehrer, der mich damals begleitete, mit fast prophetischer Weitsicht: „Griechenland ist dein Land!“ Damals habe ich sie zum ersten Male gesehen, meine Traumorte Mistras und Monemvasia – das alte kulturelle Zentrum von Byzanz und jener Felsen vor der Südostküste, der als uneinnehmbar galt. Ich war auch zwischendurch in diesen Orten, aber immer nur kurz. Dieses Mal sollten es jeweils ein paar Tage mehr werden und damit Zeit, auf alten Pfaden zu wandeln. Natürlich hat sich Vieles verändert. Früher gab es in Mistras nur ein einziges Hotel, das „Byzantion“. Es existiert noch, jetzt mit kleinem Pool im Garten, immer noch mit Ausblick auf das Dorfzentrum – von jedem Zimmer und der riesigen Lobby mit den Aufenthaltsräumen. Damals gab es auch nur eine Taverne, in der ich den 70. Geburtstag des Besitzers mitgefeiert hatte. Sie steht noch immer, ist erweitert worden, vermietet jetzt im Nebenhaus Zimmer und hat als Taverne Konkurrenz bekommen. Verschwunden ist das Büro des Dorfpolizisten, der immer neben der Taverne vor der Tür saß. Polizei müsste bei Bedarf aus Sparta anrücken, das nur ein paar Kilometer entfernt ist. Auch das Kafenion gegenüber vom Hotel besteht noch, um Außengastronomie mit Speisen vergrößert. Auch hier Erinnerungen. Vor 35 Jahren hatte das damals junge Pächter-Ehepaar den ersten Sohn bekommen, und aus diesem Anlass gab es die Getränke umsonst. Zwölf Jahre später fragte der Junge als Hilfe in den Ferien, was es sein darf.
Kongresszentrum im Despotenpalast
Natürlich kommt man nach Mistras, um die Ruinenstadt unterhalb der Frankenburg von 1249 zu erkunden. 40 Klöster und Kirchen gab es hier in der Blütezeit. Gleich zwei Paläste sind zu besuchen. Am Despotenpalast, einst Sitz des kaiserlichen Statthalters aus Konstantinopel, wird seit einem Jahrzehnt gebaut. Ein modernes Kongresszentrum soll entstehen. Die Hauptkirche, die Mitropolis, und das in Nebengebäuden untergebrachte Archäologische Museum werden fast täglich von Reisegruppen besucht. Und natürlich das noch immer bewohnte Pantanassakloster. Die im Hof sitzende Nonne sprach Griechisch mit Akzent. Sie stamme aus Bulgarien, erzählt sie, lebe seit 20 Jahren hier: „Es ist Heimat geworden!“ Die Ruinenstadt am Hang kann man durch zwei Tore betreten, das obere und das untere. Ich war auf dem Weg zum Eingang in die untere Stadt. Ein Jeep bremst. „Soll ich dich nach oben fahren?“ fragt Jannis und erklärt: „Du hast doch gestern bei uns gegessen.“ Es war der Tavernenbesitzer, der noch eine Familie aus Frankreich aufsammelte. Die zum Teil gut restaurierten, zumindest gesicherten Kirchen haben Namensschilder. Man würde sich sonst verlieren. Neben der Mitropolis, dem Soldatenheiligen Dimitrios geweiht, ist die Stelle markiert, an der nach der Vertreibung der Venezianer durch die Türken anno 1670 der Bischof aufgehängt wurde.
Der Despotenpalast von Mystras soll Kongresszentrum werden.
Zimmer in alten Palästen
Von Mistras nach Monemvasia: Mit öffentlichen Bussen braucht man heute mehr Zeit als vor 40 Jahren. Die Busse sind zwar moderner geworden. Aber sie fahren nicht mehr direkt, sondern nehmen viele kleine Dörfer am Wegesrand mit, die früher mit eigenen Linien bedient wurden. Also immer wieder runter von der Hauptstraße, hinein in die Berge, oft mühsames Wenden auf den engen Gassen der Dörfer. Mehr als einmal ist ein Pkw so geparkt, dass der Bus nicht um die Ecke kann. Dann muss mit lautem Hupen der Besitzer des Hindernisses gesucht werden. Nach etwa drei Stunden kommt er in Sicht, der bis 300 Meter hohe, 1.800 Meter lange Felsbuckel Monemvasia. Der inzwischen groß gewordene Ort an Land, von dem ein Damm zur einstigen Festung führt, heißt offiziell zwar Gefira, Brücke. Die meisten Bewohner aber übertragen den Namen des Felsens auch auf die neue Siedlung. Vor 40 Jahren gab es nur hier an Land Übernachtungsmöglichkeiten. In der alten Festungsstadt Monemvasia wohnten nur noch wenige Leute. Aber die Zahl der Tagesbesucher stieg stetig. Inzwischen gibt es ein halbes Dutzend kleiner Hotels und Pensionen auf dem Felsen, oft verschwenderisch schön in alten Palästen eingerichtet.
S
chon von weitem beeindruckt der Felsbuckel Monemvasia
Mit Shuttlebus fährt zum Eingangstor
Natürlich hat auch die Zahl der Tavernen und Kafenia zugenommen. Man braucht nicht mehr zu Fuß zum Felsen zu gehen. Ein Shuttlebus fährt zum wuchtigen Eingangstor. Die Hauptkirche der Oberstadt, die der heiligen Sophia, ist restauriert, täglich geöffnet zwischen 8 und 15 Uhr. Allerdings haben die Götter vor deren Besichtigung den steilen Aufstieg gesetzt. Vier ältere Herren quälen sich von Kurve zu Kurve nach oben. Ihr Führer hält zwischendurch kleine landeskundliche Vorträge. Sie stammen aus Deutschland. Der Chef hat vor 35 Jahren auf der Peloponnes ein Häuschen erworben. Zunächst als Feriendomizil, jetzt als Alterssitz. Er lädt gelegentlich Freunde ein, um im Kleinbus Ziele der Peloponnes anzusteuern. Es ist 17 Uhr, als wir oben ankommen, die restaurierte Agia Sophia-Kirche schon geschlossen. Am nächsten Tag ist also ein erneuter Aufstieg fällig. Jede Reisegruppe, die mit Führung nach Monemvasia kommt, besucht am kleinen Dorfplatz die Kirche des gebundenen Christus. Das war eine berühmte Ikone, die vor langer Zeit abhanden gekommen ist. An etlichen Ruinen steht der Hinweis „Unknown Church“. Will sagen, man weiß nicht mehr, welche oder welcher Heilige hier verehrt wurde.
Die Agia Sophia in der Oberstadt von Monemvasia ist restauriert worden
Wildschweine und Hirtenhunde
Vor dem Kafenion bekommt man leicht Kontakt. Da besprechen zwei Griechen aus Molai, dem größten Ort der Umgebung, was sie in den vier Jahren zu tun gedenken, die sie bis zum Rentenantrag noch haben. Der Eine betreibt ein kleines Fuhrgeschäft, der Andere einen Obst- und Gemüseladen. Sollen sie wirklich aufhören? Ein junges Paar sitzt am Nebentisch. Wo kommt ihr her? Aus Holland. Die junge Holländerin spricht perfekt Griechisch. Das Geheimnis ist schnell gelüftet. Sie ist Griechin, hat nach Holland geheiratet. Als sie bei der Beschreibung ihrer Reise sind, fehlt ihnen der Name einer Tropfsteinhöhle. Den kenne ich, und schon sind wir zu Fünft eine Parea, eine Gruppe, die ein paar nette Stunden gemeinsam verlebt. Schön war auch die Begegnung mit einem jungen Deutschen, der per Handy am Busbahnhof von Sparta ein Zimmer buchte. An seinem Englisch konnte ich den Deutschen erkennen und fragte: „Darf ich raten, wohin sie fahren wollen?“ Ich kannte den Namen des Hotels. Natürlich wollte er auch nach Monemvasia. Er arbeitet in der Konsularabteilung der deutschen Botschaft in Tel Aviv. Wir verabreden uns zum Abendessen. Er hatte ganz allein Teile des Europawanderweges im Taygetosgebirge zurückgelegt, berichtete von Begegnungen mit Wildschweinen und Hirtenhunden.
In der Unterstadt Monembasias findet man gute Unterkünfte.
Zeitverschwendung – Zeitgewinn
Der Rückweg von Monemvasia nach Athen gestaltete sich wieder sehr zeitaufwändig. Die Dame im Büro der Busgesellschaft empfahl ein Taxi bis Molai, von wo mittags ein Bus nach Sparta führe. In Molai schüttelte ihre Kollegin den Kopf: „Den Bus gibt es seit zwei Jahren nicht mehr!“ Also warten. Aber was hatte vor 40 Jahren ein alter Grieche den ungeduldigen Nordeuropäern gesagt? „Warum redet ihr von, weil es auch hier genug zu sehen gibt!“ Recht hatte er.
Text und Fotos: Konrad Dittrich
Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 692 am 18. September 2019.
Auf der Kleininsel hat Umweltschutz Priorität
Tilos ist ein Inselzwerg im südlichen Dodekanes zwischen Rhodos und Kos. Pauschaltourismus gibt es hier nicht, Antikes ebenso wenig. Man kommt zum Baden und zum Wandern auf gut markierten Wegen.
Von den Touristenmassen verschont – Strand mit 60 Sonnenschirmen
„Ankommen und entschleunigen“. So lautet das Urlaubsmotto auf der Kleininsel Chalki. Beim „Tagesgeschäft“ in einem der wenigen Cafés kann man so einiges beobachten.
Beim stundenlangen Sitzen in Tavernen und Cafés fällt eines besonders auf: Auf Chalki gibt es keinerlei streunende Hunde – und in 48 Stunden haben wir nur eine einzige Katze gesehen. Die Kastrationsbemühungen der Tierfreunde scheinen hier fast zum Aussterben der Miezen geführt zu haben, die doch eigentlich zum Land gehören wie Ouzo und Souvlaki. Am anderen Ende der Uferpromenade sitzt man auf der Terrasse des einzigen Inselhotels besonders schön und hat den ganzen Ort vor Augen. Erbaut wurde der gesamte Gebäudekomplex des „Aretanassa“ im vorletzten Jahrhundert als kommunales Schwammlager. In den 1980er Jahren nutzte es die Gemeinde als Gäste- und Seminarhaus, denn damals trug Chalki den von der UNESCO verliehenen Titel „Insel der Freundschaft der Jugend der Welt“, war für kurze Zeit internationale Begegnungsstätte. Dann verfiel der Bau. Zwei Millionen Euro aus EU-Fördermitteln ermöglichten schließlich den Umbau zum schicken Hotel, das jetzt seit drei Jahren von der Gemeinde an private Pächter vergeben ist. Drei junge Einheimische haben hier Arbeit gefunden.
Wenig Strand
Ein Grund dafür, dass Chalki von Touristenmassen verschont bleibt, sind die sehr bescheidenen Bademöglichkeiten. Vor dem Hotel Aretanassa und einigen Ferienhäusern nahe der Marina kommt man über Stufen und Leitern ins Meer, und man kann sich auf kleinen Terrassen sonnen. Brauchbare Badestrände sind nur der Potamos und der Kania Beach. Zu beiden fährt mehrmals täglich der kleine Inselbus. Den Potamos Beach erreicht man vom Hafen aus aber auch in 15 bis 20 Minuten zu Fuß. Die Straße dorthin hat ein in Florida zu Geld gekommener Chalkier finanziert; sie heißt denn auch Boulevard Tarpon Springs. Der Potamos Beach ist nur etwa 70 Meter lang, aber feinsandig. Er fällt ganz kinderfreundlich sanft ins Wasser ab. Liegestühle unter 60 Sonnenschirmen stehen auf einer baumfreien Terrasse über dem Strand, eine Taverne liegt am Strandende. Von deren Wirt kann man sich den Weg zur fünf Minuten entfernten Kapelle Agii Anagyri zeigen lassen, die in einem kleinen Olivenhain liegt. In der Antike stand an ihrer Stelle ein Apollon-Tempel, von dem Steinblöcke in den umliegenden Feldmauern verbaut wurden. Noch viel kleiner als der Potamos Beach ist der grobsandig-kieselige Kandia Beach, wo sich knapp 50 Liegestühle dicht aneinander drängen. Einige von ihnen stehen sogar im Schatten einer Tamariske und eines Ölbaums. Eine schlichte Ouzeri sorgt hier fürs leibliche Wohl – vor allem mit frischem Fisch und sonnengetrocknetem Oktopus. Unterkünfte gibt es an beiden Stränden keine.
Kein Besichtigungsstress
Sehenswürdigkeiten mit Baedeker-Stern hat das ausgesprochen felsige und baumarme Chalki auch nicht zu bieten. Wer die Mühe nicht scheut, kann am Potamos Beach vorbei vom Hafen aus in etwa 50 bis 60 Minuten auf den 305 Meter hohen Kastro-Hügel hinaufwandern (der Inselbus fährt außer im heißen Hochsommer nur freitags hinauf). Ihn krönen die Ruinen einer Burg aus der Zeit der Johanniterritter, die ja zwischen 1209 und 1521 von Rhodos aus über den gesamten Dodekanes herrschten. Gleich unterhalb der Burg stehen die verfallenen Häuser des Chorio, des alten Hauptorts der Insel. Er soll einmal 4.000 Bewohner gezählt haben. In den 1960er Jahren verließen ihn seine letzten Bewohner. Jetzt wohnen wieder ein paar Menschen hier, haben alte Häuser restaurieren lassen. Zwischen Kastro und Chorio sind einige antike Quader in Mauern verbaut, Archäologen haben auch die Überreste eines Apollon-Heiligtums ausgemacht. Dem Laien sagen sie nichts.
Zur Ruhe kommen
Als zweite Sehenswürdigkeiten gilt das alte Kloster Agios Ioannis Alarga im äußersten Inselwesten, rund acht Kilometer vom Hafen entfernt. Auch dahin fährt manchmal der Inselbus. Beim Kloster lebt heute nur noch eine Viehzüchterfamilie, aber die Gebäude sind recht gepflegt. In der Klosterkirche haben sich mittelalterliche Fresken erhalten. Wer länger auf Chalki bleibt, kann einmal in der Woche auch an einem etwa fünfstündigen Bootsausflug zur unbewohnten Insel Alimnia teilnehmen, wo man an einem Kiesstrand mit Kiefernwäldchen baden kann. Mehr an Zerstreuungsmöglichkeiten hat Chalki dann aber wirklich nicht zu bieten. So kann, wer's erträgt, hier wirklich vollkommen zur Ruhe kommen – wahrscheinlich mehr als auf irgendeiner der anderen Inseln in der Ägäis. Wir haben es nicht ausprobiert, sondern sind nach 48 Stunden weitergefahren nach Tilos.
(Griechenland Zeitung / Klaus Bötig)
Diese Reportage erschien in der Griechenland Zeitung Nr. 688 am 7. August 2019.
Chalki: Vom Trubel in die Stille
Chalki ist ein Trabant von Rhodos. Der Unterschied zwischen beiden Inseln ist fast so groß wie der zwischen Erde und Mond. „Ankommen und entschleunigen“ lautet auf Chalki das Urlaubsmotto.
Auf geht's zu einer kleinen Inselrundfahrt
Im Juli vor zwei Jahren erschütterte ein heftiges Erdbeben die Insel Kos. Zwei Menschen starben. Einige historische Gebäude sind bis heute deutlich vom Beben gekennzeichnet. Dem Tourismus schadet das nicht – er boomt weiter.