Das „Komitee zur Streichung der Illegitimen Schulden“ hat weitere Ergebnisse seiner Arbeit vorgestellt. Am Wochenende kam die Gruppe um die ehemalige Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou zusammen. „Wir wollen sehen, wer für das Verbrechen an unserem Volk verantwortlich ist“, erklärte die Linkspolitikerin am Samstag bei einer Eröffnungsrede die Aufgabe des Komitees. Auf einer Pressekonferenz am Montag stellte es zwei Papiere als Ergebnisse langer Recherchen vor.
Ökonom erklärt Fehler des Schuldenschnitts
Ein Bericht beschreibt die ökonomischen Widersprüche des Schuldenschnitts aus dem Jahr 2012, der Teil des zweiten Memorandums war. Dabei ging es darum, die wertlos gewordenen griechischen Staatsanleihen, die im Besitz von privaten Banken waren, mit staatlichen Geldern aufzukaufen. Dabei erwarben die internationalen Gläubiger mit den Hilfskrediten die Anleihen zu einem Preis, der höher war als der tatsächliche Wert der Papiere. Die Bankenrettung im Jahr 2012 folgte dabei der Annahme, dass es der griechischen Wirtschaft 2014 wieder besser gehen und sich die Rettung somit für die Staaten lohnen würde.
Doch der Bericht des Schulden-Komitees stellt fest, dass die von den Gläubigern verordneten politischen Maßnahmen nicht zur Gesundung der griechischen Wirtschaft beigetragen haben: „Banken zu retten, ohne den wirtschaftlichen Aufschwung zu erleichtern“, fasst das Papier zusammen, „bedeutet, schlechtem Geld gutes Geld hinterher zu werfen.“ Dabei ist die Bankenrettung bis heute nicht abgeschlossen. Ein aktueller Report des Internationalen Währungsfonds nimmt an, dass weitere 10 Milliarden Euro nötig sein werden, um die Zahlungsfähigkeit der griechischen Geldhäuser aufrecht zu erhalten. Daniel Munevar schreibt in seinem Bericht für das Komitee, dass nach sieben Jahren Bankenrettung noch immer nicht abzusehen sei, wie viele zusätzliche Steuergelder nötig sein werden, um das Finanzsystem Griechenlands zu stabilisieren. Auf der Pressekonferenz am Montag brachte der Wirtschaftswissenschaftler das Ergebnis seiner Recherche auf den Punkt: „Es zeigt sich, dass die Troika bei der Implementierung des Sparprogramms kolossal gescheitert ist.“
Durch Kürzungen im Rentensystem verarmen Pensionäre
Ein anderer Bericht des Komitees befasst sich mit dem griechischen Rentensystem. Der Wirtschaftswissenschaftler Leonidas Vatikiotis argumentiert darin, dass die Rentenversicherung in Griechenland eine Umverteilungsfunktion hat, die in anderen EU-Ländern nicht so ausgeprägt ist. So sei es zwar richtig, dass die Staatsausgaben für Renten in Griechenland vor der Krise im EU-Vergleich überdurchschnittlich hoch waren. Doch dafür seien andere Sozialleistungen wie Arbeitslosengelder und Ausgaben im Gesundheitssektor deutlich unter dem Durchschnitt gewesen. So sei die Rente in Griechenland „das letzte Instrument, um ein Mindesteinkommen zu sichern“, weil von dem Geld meist noch weitere Familienmitglieder profitieren. Durch die Kürzungen dieser Renten im Zuge der Krise sei eben dieses soziale Sicherungssystem ausgehöhlt worden. „Die Renten-‚Reformen’ sind gleichzusetzen mit einer gezielten Verarmung der griechischen Pensionäre“, schreibt Vatikiotis.
Komitee tagt seit November außerparlamentarisch
Aktuell tagt das Schulden-Komitee auf eigene Initiative hin und versteht sich als politische Gruppe. Wichtigstes Ziel ist es, die Verursacher der hohen Verschuldung zu identifizieren und einen Schuldenerlass für Griechenland zu erwirken. Diese Gruppe ist Nachfolger eines Untersuchungsausschusses, der am 4. April 2015 durch das Parlament auf Initiative von Konstantopoulou beschlossen wurde. Sein Auftrag war es, herauszufinden, wie es zu der enorm hohen Staatsverschuldung kommen konnte. Im Juni publizierte das Komitee erste Ergebnisse in einem Report. Im November letzten Jahres wurde der Ausschuss dann aber aufgelöst – vorzeitig und aus Angst vor unangenehmen Enthüllungen, wie Konstantopoulou sich das abrupte Ende erklärt: „Der Premierminister (Alexis Tsipras, Anm. d. Red.) gab vor, uns zu unterstützen“, sagte die Politikerin. „Doch dann hat er unsere Arbeit durch Propaganda untergraben.“
Seit November letzten Jahres arbeitet die Gruppe daher auf eigene Initiative hin außerparlamentarisch weiter. Involviert sind unter anderem die SYRIZA-Abgeordnete im Europaparlament Sofia Sakorafa und der französische Aktivist Eric Toussaint, der bereits Mitglied eines ähnlichen Schulden-Prüfungskomitees in Ecuador war. (Griechenland Zeitung/mk)
Unser Foto (© Markus Kowalski) zeigt das Schuldenkomitee bei einer Eröffnungsveranstaltung am vergangenen Samstag. Zu sehen sind von links nach rechts Thanos Kontargiris, Leonidas Batikiotis, Zoe Konstantopoulou und Giorgos Kasimatis.
Das „Komitee zur Streichung der Illegitimen Schulden“ hat weitere Ergebnisse seiner Arbeit vorgestellt. Am Wochenende kam die Gruppe um die ehemalige Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou zusammen. „Wir wollen sehen, wer für das Verbrechen an unserem Volk verantwortlich ist“, erklärte die Linkspolitikerin am Samstag bei einer Eröffnungsrede die Aufgabe des Komitees. Auf einer Pressekonferenz am Montag stellte es zwei Papiere als Ergebnisse langer Recherchen vor.
Ökonom erklärt Fehler des Schuldenschnitts
Ein Bericht beschreibt die ökonomischen Widersprüche des Schuldenschnitts aus dem Jahr 2012, der Teil des zweiten Memorandums war. Dabei ging es darum, die wertlos gewordenen griechischen Staatsanleihen, die im Besitz von privaten Banken waren, mit staatlichen Geldern aufzukaufen. Dabei erwarben die internationalen Gläubiger mit den Hilfskrediten die Anleihen zu einem Preis, der höher war als der tatsächliche Wert der Papiere. Die Bankenrettung im Jahr 2012 folgte dabei der Annahme, dass es der griechischen Wirtschaft 2014 wieder besser gehen und sich die Rettung somit für die Staaten lohnen würde.
Doch der Bericht des Schulden-Komitees stellt fest, dass die von den Gläubigern verordneten politischen Maßnahmen nicht zur Gesundung der griechischen Wirtschaft beigetragen haben: „Banken zu retten, ohne den wirtschaftlichen Aufschwung zu erleichtern“, fasst das Papier zusammen, „bedeutet, schlechtem Geld gutes Geld hinterher zu werfen.“ Dabei ist die Bankenrettung bis heute nicht abgeschlossen. Ein aktueller Report des Internationalen Währungsfonds nimmt an, dass weitere 10 Milliarden Euro nötig sein werden, um die Zahlungsfähigkeit der griechischen Geldhäuser aufrecht zu erhalten. Daniel Munevar schreibt in seinem Bericht für das Komitee, dass nach sieben Jahren Bankenrettung noch immer nicht abzusehen sei, wie viele zusätzliche Steuergelder nötig sein werden, um das Finanzsystem Griechenlands zu stabilisieren. Auf der Pressekonferenz am Montag brachte der Wirtschaftswissenschaftler das Ergebnis seiner Recherche auf den Punkt: „Es zeigt sich, dass die Troika bei der Implementierung des Sparprogramms kolossal gescheitert ist.“
Durch Kürzungen im Rentensystem verarmen Pensionäre
Ein anderer Bericht des Komitees befasst sich mit dem griechischen Rentensystem. Der Wirtschaftswissenschaftler Leonidas Vatikiotis argumentiert darin, dass die Rentenversicherung in Griechenland eine Umverteilungsfunktion hat, die in anderen EU-Ländern nicht so ausgeprägt ist. So sei es zwar richtig, dass die Staatsausgaben für Renten in Griechenland vor der Krise im EU-Vergleich überdurchschnittlich hoch waren. Doch dafür seien andere Sozialleistungen wie Arbeitslosengelder und Ausgaben im Gesundheitssektor deutlich unter dem Durchschnitt gewesen. So sei die Rente in Griechenland „das letzte Instrument, um ein Mindesteinkommen zu sichern“, weil von dem Geld meist noch weitere Familienmitglieder profitieren. Durch die Kürzungen dieser Renten im Zuge der Krise sei eben dieses soziale Sicherungssystem ausgehöhlt worden. „Die Renten-‚Reformen’ sind gleichzusetzen mit einer gezielten Verarmung der griechischen Pensionäre“, schreibt Vatikiotis.
Komitee tagt seit November außerparlamentarisch
Aktuell tagt das Schulden-Komitee auf eigene Initiative hin und versteht sich als politische Gruppe. Wichtigstes Ziel ist es, die Verursacher der hohen Verschuldung zu identifizieren und einen Schuldenerlass für Griechenland zu erwirken. Diese Gruppe ist Nachfolger eines Untersuchungsausschusses, der am 4. April 2015 durch das Parlament auf Initiative von Konstantopoulou beschlossen wurde. Sein Auftrag war es, herauszufinden, wie es zu der enorm hohen Staatsverschuldung kommen konnte. Im Juni publizierte das Komitee erste Ergebnisse in einem Report. Im November letzten Jahres wurde der Ausschuss dann aber aufgelöst – vorzeitig und aus Angst vor unangenehmen Enthüllungen, wie Konstantopoulou sich das abrupte Ende erklärt: „Der Premierminister (Alexis Tsipras, Anm. d. Red.) gab vor, uns zu unterstützen“, sagte die Politikerin. „Doch dann hat er unsere Arbeit durch Propaganda untergraben.“
Seit November letzten Jahres arbeitet die Gruppe daher auf eigene Initiative hin außerparlamentarisch weiter. Involviert sind unter anderem die SYRIZA-Abgeordnete im Europaparlament Sofia Sakorafa und der französische Aktivist Eric Toussaint, der bereits Mitglied eines ähnlichen Schulden-Prüfungskomitees in Ecuador war.
Markus Kowalski