Zum ersten Mal seit Jahrzehnten, vielleicht sogar in der Geschichte des modernen griechischen Staates, wies das Land 2015 eine ausgeglichene Zahlungsbilanz auf. Das Zahlungsbilanzdefizit betrug 2015 nach Angaben der Bank von Griechenland (BvG) lediglich 7,5 Mio. Euro – im Vergleich zum einem Defizit von 3,77 Mrd. Euro im Jahr 2014. Für 2014 hatte die BvG ursprünglich einen Überschuss gemeldet, doch wurden ihre Statistiken seitdem revidiert.
Obwohl sie eine eher abstrakte Größe ist, verdeutlicht die Zahlungsbilanz am dramatischsten, wie sich die griechische Wirtschaft im Lauf der großen Rezession verändert und ausbalanciert hat. Vor dem Ausbruch der Krise im Jahr 2008 lag Griechenlands Zahlungsbilanzdefizit auf dem offensichtlich unhaltbaren Niveau von mehr als 30 Milliarden Euro pro Jahr. Seitdem passierten im Wesentlichen zwei Dinge: die Einfuhren von Gütern fielen, während zur gleichen Zeit die Exporte und der Tourismus auf Rekordhöhen kletterten.
Erzwungener Drang nach ausländischen Märkten
Griechenland importierte im Jahr 2008 Güter im Wert von 41 Mrd. Euro. Im Jahr 2013 fiel dieses Volumen fast auf die Hälfte (22,2 Mrd. Euro). Seit diesem Zeitpunkt stiegen auch die Einfuhren wieder, bleiben aber auf einem deutlich niedrigeren Niveau als vor der Krise: Im Jahr 2015 beliefen sie sich auf 30,5 Mrd. Euro – 1,5 % unter dem Vorjahreswert. Diese Entwicklung ist verständlich, wenn man bedenkt, dass der Privatkonsum aufgrund der Krise deutlich fiel und die Privatinvestitionen einbrachen. Beides wirkte sich negativ auf Bestellungen und Lieferungen von Verbrauchs- und Investitionsgütern aus dem Ausland aus.
Der Tourismus passte sich schneller an
Der blendende Erfolg des griechischen Tourismus im vergangenen Jahr hat mehrere Väter. Auf der einen Seite passte sich der Tourismus schneller an die neue wirtschaftliche Realität an als manche andere griechische Wirtschaftszweige: Die Gehälter gingen schneller zurück als in anderen, stärker reglementierten Bereichen, und dies half der hiesigen Tourismusindustrie, gegenüber anderen konkurrierenden Urlaubsländern wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Tourismuseinnahmen schnellten im Jahr 2015 auf den Rekordwert von 14,2 Mrd. Euro, 6 % höher als im Vorjahr. Zum Vergleich: Im Olympia-Jahr 2004 verdiente Griechenland lediglich 10,3 Mrd. Euro an Devisen ausländischer Urlauber und in den Jahren unmittelbar danach wurde die 12-Milliarden-Euro-Grenze nie überschritten.
Das Unglück anderer, traditioneller Urlaubsländer im östlichen Mittelmeer spielte aber sicherlich auch eine Rolle beim griechischen Urlaubsboom. Terror-Anschläge gegen Touristen in Ägypten, Tunesien und zuletzt auch in der Türkei lassen Griechenland als einen attraktiven, sicheren Urlaubsort erscheinen. Es bleibt abzuwarten, ob die Flüchtlingskrise in der Ägäis potenzielle Besucher aus dem Ausland heuer abschrecken könnte.
Dimos Chatzichristou
Den gesamten Beitrag zu diesem Thema finden Sie in der Griechenland Zeitung Nr. 518, die in dieser Woche erscheint: am Dienstagnachmittag als pdf im Internet, am Mittwoch am Kiosk.
Foto:(© Eurokinissi)