Der Bahnhof in Káto Lechoniá ist ein Schmuckstück, ein Bauwerk aus der Gründerzeit, mit Vordächern aus Holz, das Gebäude an sich aus solidem Stein, ockerfarbig der Verputz. Außer uns und einigen Individualtouristen steht eine lustige griechische Reisegruppe am Bahnsteig.
Die ersten Lieder werden geschmettert: „Ta traina pou figane …“ – „Die Züge, die abgefahren sind.“ Am Fahrkartenschalter finden wir die Verantwortliche für die Pilion Bahn, Vasso Preppa. Es ist 10 Uhr. Der Motor der von der Firma Schöma in Diepholz/Deutschland hergestellten Lok läuft bereits. Endlich pfeift Frau Preppa, die gleichzeitig auch Zugbegleiterin ist, kurz auf ihrer Trillerpfeife, und wir zuckeln und ruckeln auf der 15,5 Kilometer langen Strecke hinauf ins Gebirge.
Die schmalste Schmalspurbahn
Gebaut wurde die Eisenbahn von 1894 bis 1903 von der Mt. Pelion Railway, die Spurweite beträgt 60 Zentimeter, es ist die schmalste erhaltene Schmalspurbahn in Griechenland. Zuckeln ist wohl der richtige Ausdruck für die Fahrt: Die Höchstgeschwindigkeit beträgt gerade mal 20 km/h. Dennoch ist der Lokführer mit seinem Beifahrer ständig auf der Hut, es kann immer wieder zu unverhofften Zwischenfällen kommen, erklären sie mir, was ich zunächst nicht so recht glauben will. Doch plötzlich springt von rechts eine Schafherde auf die Gleise, nur ein paar Meter vor der Lok. Gezwungenermaßen muss der Zug gestoppt werden. Aber zum Glück, sagt Frau Preppa, die kurz zu uns nach vorn an die Lok kommt, müsse man es mit dem Fahrplan nicht gar so genau nehmen. Ein paar Minuten mehr oder weniger? Man sei schließlich ein Ausflugszug! Die Fahrgäste hätten zum Glück alle etwas Zeit mitgebracht.
An flotte 160 km/h gewöhnt
Die beiden Lokführer erklären daraufhin nicht ohne Stolz, dass sie eigentlich an ganz andere Geschwindigkeiten gewohnt seien. Im Normalfall steuern sie Hochgeschwindigkeitszüge, die laut Vorschrift über weite Strecken stabil mit 160 km/h über die Gleise donnern. Jedes Wochenende, wenn die Pilion-Bahn verkehrt, werden zwei der Berufslokführer von der Griechischen Bahn (OSE) für das Bummelbähnchen abgestellt, eine nette Abwechslung, räumen die beiden ein.
Die Schafsherde läuft langsam wieder von den Gleisen, ein Hirte ist auch jetzt nirgendwo zu sehen. Kurzer Pfiff, die Maschine mit ihren 240 PS ruckelt weiter die allmähliche Steigung hinauf. Immer wieder führt das Gleisbett durch Kurven, es geht über interessante Viadukte und zweimal durch einen Tunnel, dessen Wände noch von Rauch geschwärzt sind, denn früher waren hier natürlich nur Dampflokomotiven im Einsatz.
Zwischenstopp vor dem Ölmuseum
Konstruiert wurde diese malerische Bahnstrecke von dem italienischen Architekten Evaristo de Chirico. Sein Sohn, der in Volos geborene Giorgio de Chirico, machte sich später als ein Vorläufer der surrealistischen Malerei einen Namen. Der Senior legte auf jeden Fall eine ingenieurtechnische Glanzleistung hin: 250 Höhenmeter mussten auf einer Strecke von nur 15 Kilometern überwunden werden.
Zielpunkt unserer Reise ist Miliés. Doch zunächst legt der Zug einen – dieses Mal regulären – Zwischenhalt in Ano Gazáa ein. Hier gibt es ein kleines Museum der „Olive und des Öls“, das in der früheren Ölmühle untergebracht ist. Die Touristen bewundern zwei riesige hölzerne Ölfässer, die so groß sind, dass man sich darin ein richtiges ein Zimmer einrichten könnte. Dem alten Diogenes wären die Fässer sicher wie ein Palast vorgekommen: Eines von ihnen fasst 9.000 Liter. Der Eintritt zum Museum ist übrigens gratis, man kann verschiedene Produkte erwerben, die aus Oliven hergestellt werden, natürlich Olivenöl, eingelegte Oliven, Olivenseife … Wer kein Interesse an einem schnellen Museumsbesuch hat, der kann im gemütlichen Bahnhofscafé, unmittelbar am Bahnsteig, einen Kaffee genießen.
Text und Fotos: Jan Hübel
Dies ist nur der Anfang der Reportage über die Pilion-Bahn. Den kompletten Text finden Sie im Griechenland Journal Nr. 1 (Sommer 2014), das Sie in unserem Shop erwerben können (dort finden Sie auch das komplette Inhaltsverzeichnis).
Darüber hinaus: Das Griechenland Journal Nr. 2 ist bei uns in der Redaktion fest in Arbeit und erscheint in einigen Wochen. Darin erfahren Sie u. a. etwas über ein Weingut in Pieria, über griechische Mode in Zeiten der Krise, wir nehmen Sie mit auf eine literarische Reise nach Lesbos und unser Reiseautor Klaus Bötig stellt seine Lieblingshotels vor. Außerdem kocht man für uns im „Bärendorf“ Arkochori in Nordwesten des Landes, das für seine freiheitsliebenden Widerstandskämpfer und mutigen Frauen bekannt ist. Und wir unternehmen eine interessante Tour mit dem Kreta-Kenner Wassilis Dornakis und noch vieles mehr ... Lassen Sie sich überraschen!