Hatten seit dem Sturz der Militärdiktatur im Jahr 1974 nahezu abwechselnd die beiden Traditionsparteien PASOK und Nea Dimokratia (ND) den Auftrag für eine Regierungsbildung erhalten, so sieht die politische Lage inmitten der Finanz- und Wirtschaftskrise etwas anders aus: Den letzten Umfragen zufolge könnten ab Montag zehn Parteien im Parlament vertreten sein. Dass eine einzige Partei eine regierungsfähige Mehrheit erhalten könnte, ist nicht sehr wahrscheinlich. Die große Unbekannte bei allen Schätzungen ist die Zahl der unentschiedenen Wähler. Einer von vier wusste bis vor kurzem nicht, wem er am Sonntag seine Stimme schenken soll.
Großveranstaltung der PASOK
Der Wahlkampf
endet am heutigen Freitag mit einer Großveranstaltung der bisher
stärksten Parlamentspartei, der sozialistischen PASOK, um 19.00 Uhr
am Athener Syntagma-Platz. Programmatisch gewidmet ist die
Veranstaltung dem „Schutz der Demokratie und der Institutionen“.
Der Parteichef der Sozialisten Evangelos Venizelos stellte bereits
am Donnerstag in einer Rede auf der Insel Rhodos fest, dass diese
Wahlen „die Zukunft des griechischen Volkes für die kommenden 20
Jahre“ beeinflussen werden.
Samaras fordert starkes Mandat
Seine letzte
Rede vor dem Urnengang hält am heutigen Freitag auch der
Vorsitzende der konservativen Partei Nea Dimokratia (ND) Antonis
Samaras. Um 19.30 Uhr spricht er im nordgriechischen
Alexandroupolis. Am Donnerstag rief er vom Athener Zappion-Palais
aus die Wähler dazu auf, ihm ein starkes Mandat zu geben, „um alles
zu verändern“. Dabei betonte der konservative Politiker, der seit
November die Übergangsregierung unter dem Technokraten Loukas
Papadimos unterstützt hatte: „Griechenland kann es schaffen.“
Sichtlich im Bemühen, potentielle ND-Wähler auf Kurs zu bringen,
machte er auch darauf aufmerksam, dass er mit keiner anderen Partei
koalieren werde.
SYRIZA will Memorandum kündigen
Bei diesen
Wahlen befürchten die beiden Großparteien PASOK und ND vor allem,
Wählerstimme an Linke sowie an neu gegründete Parteien zu
verlieren. Eine Partei, die von diesem Trend profitierten könnte,
ist die Linksallianz Syriza. Deren Fraktionsvorsitzender Alexis
Tsipras hat immer wieder die anderen beiden linken Parteien, KKE
und DIMAR, zu einer Koalitionsregierung aufgerufen –allerdings
erfolglos. Heute Abend spricht Tsipras um 20.00 Uhr noch einmal am
Aristotelous-Platz in Thessaloniki. Bereits am Donnerstagabend
stellte der 1974 in Athen geborene Linkspolitiker während einer
Wahlveranstaltung am Athener Omonia-Platz fest, dass eine
Linksregierung den Kreditvertrag mit den Europäischen Partnern
annullieren würde. Man würde das mit der Troika aus Europäischer
Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem
Währungsfonds geschlossene Memorandum aufkündigen.
„An vorderster Front gegen den Sturm“
Nicht
beteiligen an der von Tsipras vorgeschlagenen Linkskoalition will
sich die Generalsekretärin der Kommunistischen Partei Griechenlands
(KKE) Aleka Papariga. Um 11.30 Uhr hat sie heute in Athen die
Antidrogenorganisation OKANA besucht. Um 13.00 Uhr hielt sie eine
Rede vor den Angestellten eines Athener Hotels. Immer wieder betont
die Kommunistin, dass ihre Partei nach den Wahlen an „vorderster
Front gegen den Sturm, der nach den Wahlen kommen wird“ stehen
werde.
„Harte Verhandlungen mit der Troika“
Der
ebenfalls im vorigen Parlament vertretene Vorsitzende der
orthodoxen Volkssammlung LAOS, Jorgos Karatzaferis, übte am
Donnerstag während einer Wahlrede in Thessaloniki scharfe Kritik
sowohl an der PASOK als auch an der ND sowie an deren Vorsitzende
Evangelos Venizelos und Antonis Samaras. Um 20.00 Uhr wird er im
Friedens- und Freundschaftsstadium bei Athen seine letzte Wahlrede
halten.
Die bereits im Europaparlament etablierten Ökologen/Grüne, die den
Einzug in die Volksvertretung während der vergangenen
Parlamentswahlen im Herbst 2009 nur knapp verfehlt hatten, wollen
heute Abend um 20.00 Uhr ihre Wahlveranstaltung in Thessaloniki
durchführen. Am Donnerstag stellten sie vor ihren Büros am Athener
Koumoundourou-Platz fest, dass eine „harte Verhandlung mit der
Troika“ nötig sei.
Der Vorsitzende der Partei „Demokratische Linke“ (DIMAR) Fotis
Kouvelis stellte am Donnerstag während einer Rede im
nordgriechischen Thessaloniki fest, dass die Stimmen für seine
Partei „ein Ablehnungsvotum gegen die Misere, die Ungerechtigkeit
und die Furcht“ sei. Seine letzte Wahlrede hält Kouvelis heute in
Heraklion auf der Insel Kreta.
Der ehemalige ND-Parlamentarier und Gründer der Partei „Unabhängige
Griechen“ Panos Kammenos stellte am Donnerstag während seiner
Wahlrede fest, dass seine Partei bereit sei, „die Regierung des
Landes zu übernehmen“. Seine abschließende Ansprache hält Kammenos
heute Abend um 19.00 Uhr an der Athener Dionysiou-Areopagitou
Fußgängerzone unterhalb der Athener Akropolis.
Die ehemalige ND-Außenministerin und Gründerin der Partei
„Demokratische Allianz“ Dora Bakojanni zeigte sich in ihrer Rede im
Athener Vorort Peristeri am Donnerstag zuversichtlich, dass ihre
Partei am 7. Mai im griechischen Kabinett sitzen werde. Heute Abend
hält sie eine Rede im Kulturzentrum „Athinaida“ im Athener
Stadtteil Votanikos.
Die aus der PASOK stammende Parteigründerin der Sozialen
Übereinkunft Louka Katseli will heute in Larissa und Volos vor dem
Wahlvolk sprechen. Am Donnerstag stellte sie während ihrer Rede in
einem Athener Stadtteil fest, dass „die Maßnahmen des Memorandums
das Land in einen Zahlungsausfall“ führen würden. (Griechenland
Zeitung / eh)