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Medienbarometer 2024 zur Lage des Journalismus in Griechenland Tagesthema

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Unser Foto (© Griechenland Zeitung / eb) entstand auf dem Diskussionsabend der Friedrich-Ebert-Stiftung in Technopolis Unser Foto (© Griechenland Zeitung / eb) entstand auf dem Diskussionsabend der Friedrich-Ebert-Stiftung in Technopolis

Das Medienbarometer der Friedrich-Ebert-Stiftung schätzt die Lage der griechischen Medienlandschaft als schwierig ein. Experten erläutern, inwiefern politische Einflussnahme, wirtschaftliche Abhängigkeiten und neue Konfliktherde die Pressefreiheit im Land einschränken. Der Bericht ruft zu dringenden Reformen auf, um die Unabhängigkeit der Medien zu stärken.


Kürzlich wurde im Technopolis in Athen das Medien-Barometer für Griechenland vorgestellt – ein Bericht der Friedrich-Ebert-Stiftung, der die aktuelle Medienlandschaft des Landes analysiert. Der rund 50 Seiten umfassende Bericht ist eine Selbstbewertungsstudie, die die Perspektive der Insider widerspiegelt und europäische sowie internationale Standards berücksichtigt. Ein achtköpfiges Expertengremium, das Medienschaffende und Vertreter der Zivilgesellschaft umfasst, diskutierte 37 Indikatoren und vergab individuelle Bewertungen in einer anonymen Abstimmung. Die Ergebnisse bieten einen ersten Einblick in die griechische Medienlandschaft und sollen einen Dialog für notwendige Reformen fördern. Im Rahmen der knapp zweistündigen Veranstaltung wurden unter anderem die Herausforderungen der Medienfreiheit und der politischen Einflussnahme auf die Berichterstattung thematisiert. Experten diskutierten, wie Medien als demokratische Instanzen agieren können, ohne politischem oder wirtschaftlichem Druck zu erliegen. Auch das Selbstverständnis von Journalisten stand im Mittelpunkt der Diskussion.


Befunde werfen Fragen auf


Die Pressefreiheit in Hellas würde einer „ja, aber …“-Legitimation entsprechen. Diese Ansicht erfreute sich breiter Übereinstimmung bei der offenen Diskussionsrunde. Natürlich sei die Freiheit der Medien grundsätzlich im Recht verankert, jedoch ergeben sich bei genauerer Betrachtung einige Mängel. So gleiche die Struktur der griechischen Medienlandschaft einer Oligarchie. Das heißt, dass die wenigen Medienunternehmen von einigen mächtigen und reichen Persönlichkeiten geführt werden, deren Einflusssphäre breit gefächert ist. Sie erstreckt sich über politische Institutionen, kulturelle Einrichtungen bis hin zu großen Sportvereinen. Diese Personen würden erheblich von der aktuellen Mediensituation profitieren und sähen keinen Anlass, etwas zu verändern, hieß es in der Debatte.


„Ein bodenloser Abgrund“


Außerdem beschränke die Selbstzensur von Journalisten – welche nach einer bestimmten Redaktionslinie handeln müssten und deshalb auch innerhalb ihrer Strukturen einem gewissen Druck ausgesetzt seien – eine Entfaltung freier Medien. Zudem gehe ein Regierungswechsel immer mit einem Führungswechsel innerhalb staatlicher Medienanstalten einher. So werde nach einer Wahl sowohl beim staatlichen Fernsehsender ERT als auch bei der Athens-Macedonian News Agency (ANA-MPA) das Spitzenpersonal ausgetauscht. Vor allem im letzteren Fall habe dies verheerende Auswirkungen, da sich doch weite Teile der medialen Landschaft auf eben jene Agenturberichte beziehen. Das werde nicht zuletzt bei der Legitimation und Verbreitung von Hassreden („hate speech“) unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit deutlich, so das Fazit der Gesprächsteilnehmer. Nach den jüngsten Massenprotesten zum zweiten Jahrestag des Zugunglücks bei Tempi seien etwa Stimmen an die Oberfläche getreten, die behaupteten, Protestierende seien Teil einer sogenannten „woke agenda“, ein abwertender Begriff, mit dem versucht werde, etwaige Kritik an der Regierung zu delegitimieren und von Versäumnissen abzulenken. Oder wie die Moderatorin des Abends Fotini Kokkinaki die Situation in Griechenland zusammenfasste: „Es ist ein bodenloser Abgrund.“


Rege Diskussion, neue Erkenntnisse


In der anschließenden Diskussionsrunde teilten einige Journalisten ihre persönlichen Arbeitserfahrungen, die sie in Griechenland gesammelt haben, mit. Vor allem die Journalisten-Gewerkschaften waren ein viel diskutiertes Thema. Auch der grundsätzliche Konflikt zwischen dem News Room und der Social Media-Öffentlichkeit kam zur Sprache. In Zeiten einer dominanten Aufmerksamkeitsökonomie gebe es neue Konfliktherde innerhalb von Medienanstalten. So stünden etwa Interessen einer ansprechenden Aufbereitung für Social Media im Widerspruch zur redaktionellen Unabhängigkeit. Außerdem wurde die fehlende Diversität in der Branche bemängelt. Der Journalist und selbst Anhänger der LGBTQI+ Community Vassilis Thanopoulos kommentierte: „Als Journalist in Griechenland muss man viele Schwierigkeiten überwinden.“


Die Zukunft ist ungewiss


Es bleibt abzuwarten, wie der Bericht von der Medienlandschaft aufgenommen wird und was daraus für Griechenland resultiert. Die Experten hoffen jedoch, dass zumindest „akzeptiert wird, dass es ein Problem mit den Medien in Griechenland gibt“. Regine Schubert, Leiterin der Friedrich Ebert Stiftung in Athen, verwies darauf, dass der Bericht ein Werkzeug darstellen könnte, um die diskutierten Herausforderungen anzugehen.


Emily Marneth und Elias Batz

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