Am Mittwoch (28.2.) jährt sich ein tödliches Zugunglück, das sich 2023 in der Gegend Evangelismos in der Nähe von Tempi ereignet hatte. Im Gedenken an die 57 Todesopfer wurden am Vormittag die Kirchenglocken im ganzen Land 57 Mal geläutet. Vor dem Universitätsgebäude der nordgriechischen Aristoteles Universität Thessaloniki wurden die Fahnen auf Halbmast gesetzt; bei vielen der Verstorbenen handelt es sich um Studenten, die in Thessaloniki studiert hatten.
Vielerorts wurden außerdem Schweigeminuten eingelegt, und es fanden Gedenkveranstaltungen statt. Nicht zuletzt wurden aus diesem traurigen Anlass landesweit Demonstrationen bzw. Proteste durchgeführt.
Die Dachgewerkschaft Öffentlicher Dienst (ADEDY), die kommunistische Gewerkschaft PAME und mehrere Gewerkschaften des Privatsektors haben heute zu einem 24-stündigen Streik aufgerufen, mit dem auch an das Zugunglück vor einem Jahr erinnert werden soll. Auf Transparenten der Protestierenden waren u. a. Slogans wie „Unsere Kinder über allem“ oder „Das Verbrechen wird nicht vergessen“ zu lesen. Am Zentralgebäude der Griechischen Bahn in Athen hing ein großes Transparent in Erinnerung an die Todesopfer von damals.
Der Hergang des Unglücks
Der Zug Intercity 62 der Hellenic Train war in der Nacht des 28. Februar 2023 von Larissa in Richtung Thessaloniki mit 350 Passagieren unterwegs. Für etwa 16 Minuten und über mehrere Kilometer wurde der Zug auf ein Gleis umgeleitet, auf dem zu diesem Zeitpunkt der Güterzug 63503 aus der Gegenrichtung unterwegs war. Abfahrtsort war Thessaloniki in Richtung Larissa.
Schließlich rasten die beiden Züge mit hoher Geschwindigkeit frontal ineinander. Die Kollision war derart heftig, dass fast alle Passagiere des ersten Waggons des Personenzuges ums Leben kamen; ein junger Mann liegt nach wie vor auf der Intensivstation eines Krankenhauses. Beim Unglück wurden außerdem 85 Menschen verletzt, 25 von ihnen schwer.
In Folge des Zusammenstoßes kam es zu einem Brand; die dadurch entstandenen Temperaturen erreichten bis zu 1.500 Grad. Selbst Feuerwehrleute seien durch diese extreme Hitze verletzt worden – ohne dass sie mit den Flammen in Kontakt kamen.
An den Unglücksort eilten 17 Feuerwehrautos mit 150 Feuerwehrleuten, 40 Krankenwagen sowie mehr als 30 Polizisten. Zwischen dem 1. und dem 3. März wurde in Griechenland Staatstrauer ausgerufen.
Die Vorwürfe, die gegen die Verantwortlichen erhoben werden, wiegen schwer. Familienmitglieder der Überlebenden erklären, dass sechs Tage nach dem Zugunglück das gesamte Beweismaterial entfernt worden sei. Die Mutter von einem der Todesopfer hat deshalb eine Kampagne gestartet, durch die die politische Immunität von Parlamentariern bzw. Regierungsmitgliedern abgeschafft werden soll. Knapp 900.000 Bürgerinnen und Bürger haben den entsprechenden Antrag bereits unterzeichnet. In der Argumentation wird darauf hingewiesen, dass es weitere Verantwortliche für das Zugunglück gebe. Man könne nicht alles auf das menschliche Versagen des Bahnvorstehers von Larissa schieben, der bereits verhaftet wurde.
„Unbeantwortete Fragen“
Die EU-Staatsanwaltschaft untersucht unterdessen unabhängig davon Verträge, die die Wiederherstellung von Fernverkehrskontroll- und Signalsystemen des griechischen Schienennetzes betrifft. Für viele der Überlebenden und Hinterbliebenen der Tragödie ist vor allem die Frage offen, weshalb es beim Zusammenprall der beiden Züge obendrein zu einer Explosion kam, durch die Zahl der Todesopfer weiter erhöht wurde. Videos, die Beweise liefern könnten, seien verschwunden.
Staatspräsidentin Katerina Sakellaropoulou erklärte am Mittwoch: „Die Tragödie von Tempi verletzt die Gesellschaft und macht sie weiterhin wütend.“ Zusätzlich sprach sie von „unbeantworteten Fragen“. (Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)
