In den Reihen der größten griechischen Oppositionspartei, des Bündnisses der Radikalen Linken (SYRIZA), herrscht Aufruhr. Ganz unerwartet hatte Parteichef Stefanos Kasselakis am Samstag (17.2.) die SYRIZA-Wähler dazu aufgerufen, auf der Internetplattform iSyriza im Rahmen einer digitalen Umfrage über eine Änderung des Namens, des Symbols und sogar der politischen Richtung der Partei abzustimmen: Der Kurs müsse umgestellt werden von „links“ auf „Mitte links“.
Proteste aus den eigenen Reihen
In den sozialen Medien erklärte Kasselakis, es sei an der Zeit, dass Griechenland und SYRIZA „nicht an alte Praktiken festhalten“, vielmehr müsse man sich langsam aber sicher „erneuern“. Die Gegenwart beschrieb er als eine „Regierungs-Dystopie“, zu Deutsch: eine nicht erstrebenswerte Gesellschaft. Ziel müsse es sein, „Griechenland in einen Rechtstaat“ zu verwandeln.
Die abrupte Entscheidung des Parteichefs provozierte heftige Proteste hochrangiger SYRIZA-Funktionäre. Noch am Montag soll das Politbüro einberufen werden. Druck in diese Richtung macht vor allem Olga Gerovassili – u. a. Vizepräsidentin des Parlaments –, die dem ehemaligen Parteichef und Ministerpräsidenten Alexis Tsipras sehr nahe steht. Ihrer Ansicht nach könnten derartige Entscheidungen lediglich von Parteikongressen entschieden werden. Sie warnte gleichzeitig vor der Gefahr einer Zersplitterung von SYRIZA.
Weiterer Protest kam von Pavlos Polakis, der Kasselakis bei seiner Wahl zum Parteichef im Herbst vorigen Jahres stark unterstützt hatte. Der aus Kreta stammende Politiker war allerdings in letzter Zeit deutlich auf Distanz zu seinem Zögling gegangen, u. a. wegen unterschiedlicher Meinungen über Rüstungsverträge und die standesamtliche Ehe homosexueller Paare.
Besonders kritisch ist die derzeitige Lage, weil schon am Donnerstag dieser Woche (22.2.) der vierte Parteikongress von SYRIZA beginnt. Vermutungen, dass sich die Partei danach auflösen könnte, wurden bereits laut. Auch der Vorsitzende der „Neuen Linken“ Alexis Charitsis, die sich von SYRIZA abgespalten hatte, nachdem Kasselakis dort das Steuer übernommen hatte, meldete sich zu Wort. Er kommentierte, dass die jüngsten Entwicklungen ein Beweis dafür seien, dass man damals die richtige Entscheidung getroffen habe. Die „Neue Linke“ ist derzeit mit elf ehemaligen SYRIZA-Abgeordneten als sechsstärkste Kraft im Parlament vertreten.
„Plan für den griechischen Traum“
Für viele der bei SYRIZA verbliebenen 36 Volksvertreter dürften die Kasselakis-Pläne allerdings nicht wie ein Blitz aus heiterem Himmel wirken. Vom 19. bis 21. Januar waren 33 von ihnen in seinem Ferienhaus auf der Insel Spetses zu Gast. Dort wurde ein „Nationaler Plan für den griechischen Traum“ präsentiert. Als Ziele wurden ein effizienter Staat und mehr Gleichberechtigung in der Gesellschaft genannt. Der Vorsitzende der SYRIZA-Parlamentsfraktion Sokratis Famellos forderte damals „tragfähiges Wachstum und soziale Gerechtigkeit“. – Ob das Gros der Genossen auch beim Parteikongress am Wochenende Kasselakis die Stange halten wird, bleibt abzuwarten. (Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)