Der Untergang eines völlig überfrachteten Flüchtlingsbootes in internationalen Gewässern vor Griechenland forderte in der vorigen Woche mutmaßlich 646 Menschenleben. Über den genauen Hergang dieser Katastrophe wird noch ermittelt.
Am vorigen Mittwoch (14.6.) ereignete sich 47 Meilen vor der Küste der Peloponnes die größte Flüchtlingskatastrophe, die Griechenland je erlebte. Bisher konnten 78 Leichen geborgen werden, 568 Menschen gelten offiziell als vermisst. Allem Anschein nach sind sie mit dem gesunkenen Fischerboot, auf dem sie von der libyschen Hafenstadt Tobruk nach Italien unterwegs waren, mit auf den Meeresgrund gerissen worden, der in dieser Region eine Tiefe von rund 5.000 Metern erreicht. Unter den Opfern sind vor allem auch Frauen und Kinder, die man in die unteren Räume des maroden Kutters eingepfercht hatte. Die dort Eingeschlossenen hatten keinerlei Chance, dem Desaster zu entkommen. Die Männer mussten sich mehrheitlich auf den beiden Oberdecks aufhalten, weshalb 104 von ihnen gerettet werden konnten.
Kurz nach der Havarie
Überlebende berichten, dass sie nicht einmal Platz hatten, ihre Beine auszustrecken. Man habe meist Rücken an Rücken gesessen, um im Sitzen schlafen zu können.
Obwohl man kaum noch mit Überlebenden rechnen kann, wurden die Suchaktionen auch am Sonntag weiter fortgesetzt. Daran beteiligen sich eine Fregatte der griechischen Marine sowie ein Rettungshubschrauber.
Bei Pylos im Süden der Peloponnes
Ungeachtet des schrecklichen Endes war die gesamte Überfahrt für die Betreffenden – pro Person mussten sie dafür 5.000 Euro bezahlen – ein Albtraum. Augenzeugen berichten, sie hätten so gut wie keinen Proviant bei sich gehabt und auch kein genießbares Trinkwasser. Man habe ihnen versprochen, dass das Reiseziel Italien nach zwei Tagen erreicht werde; bis zum Zeitpunkt des Untergangs seien es bereits sieben gewesen. Zudem habe man während der gesamten Fahrt mit wechselnden Wetterbedingungen zu kämpfen gehabt. Das Schiff habe mindestens fünf Mal einen Maschinenschaden aufgewiesen, was wohl auch zu seinem Untergang führte.
Auf der Suche nach Vermissten
Diese Ansicht vertritt auch die britische Rundfunkanstalt BBC. Die Maschinen des Fischkutters seien vor dem Kentern für mehrere Stunden ausgefallen. Die griechischen Behörden erklären hingegen, dass das Boot vor seinem Untergang in Bewegung gewesen sei. Dort habe man jegliche Hilfe abgelehnt, die die unmittelbar vor Ort anwesende Küstenwache angeboten habe. Vom Boot der Küstenwache aus habe man eine Seilverbindung zum Unglücksboot hergestellt, um an Bord zu gelangen, damit man sich ein konkretes Bild von der Lage habe machen können. Der Zutritt sei den Beamten aber verweigert worden und man habe das Seil auf der anderen Seite wieder gelöst.
Inzwischen hat sich die Justiz der Sache angenommen, um den konkreten Hergang der Katastrophe zu ermitteln. Außerdem sind auch zahlreiche Verwandte der Opfer aus verschiedenen Ländern der Welt, darunter etwa aus Deutschland und Österreich, vor Ort, um mehr über das Schicksal ihrer Angehörigen zu erfahren. Das internationale Medieninteresse ist nach wie vor groß.
Schiff der griechischen Küstenwache
Bisher haben die griechischen Behörden neun mutmaßliche Menschenschmuggler verhaftet, die sich unter den Überlebenden befanden. Vorgeworfen werden ihnen u. a. die Gründung einer kriminellen Organisation, illegaler Menschenschmuggel sowie Verursachung eines Schiffsuntergangs. Bei allen handelt es sich um ägyptische Staatsbürger im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Der Kapitän des Schiffes ist nicht unter ihnen; er soll während des Untergangs in der Kommandobrücke mit in die Tiefe gerissen worden sein.