Der Wahlkampf in Griechenland kommt langsam wieder auf Touren: Am 25. Juni finden Parlamentswahlen statt. Die Parteien, die ins Parlament einziehen wollen, nutzen die verbleibende Zeit, um auf ihre politischen Programme aufmerksam zu machen.
Am Mittwoch (7.6.) appellierte Oppositionschef Alexis Tsipras vom Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) im Athener Vorort Chalandri: „Die Zukunft des Landes und seiner Bürger steht auf dem Spiel.“ Die Rede des Linkspolitikers stand unter dem Motto „Gerechte Gesellschaft – Wohlstand für alle“. Dabei stellte er einen Sieben-Punkte-Plan vor, den SYRIZA realisieren will, falls man als Sieger aus den Wahlen hervorgehen sollte.
Stärkung der öffentlichen Systeme
Punkt eins dieses Programms postuliert ein „gerechtes, tragfähiges und grünes Wachstum“. In einer „dynamischen und extrovertierten Wirtschaft“ müsse vor allem das Phänomen der Vetternwirtschaft abgeschafft werden, so Tsipras. Stützen müsse man sich auf junge Wissenschaftler, spezialisierte Handwerker sowie auf die Erfahrungen der Landwirte. Mit einem zweiten Punkt möchte SYRIZA das Einkommen und die Kaufkraft der Bürger stärken. Um das zu finanzieren, sollen etwa die großen zusätzlichen Gewinne der Energieunternehmen besteuert werden, erklärte Tsipras. Mit seinen Punkten drei, vier und fünf will das Linksbündnis gerechte Regelungen auf dem Arbeitsmarkt schaffen sowie den staatlichen Gesundheitsdienst und das Bildungssystem stärken. Vor allem spricht sich SYRIZA für die bedingungslose Beibehaltung öffentlicher Schulen und Universitäten aus, deren Besuch weiterhin kostenlos sein müsse. Auch Masterabschlüsse im Hochschulbereich sollen in Hellas kostenlos zu erwerben sein.
Bei den Programmpunkten sechs und sieben schließlich geht es der früheren Regierungspartei um die Bekämpfung extremer Armut und um den Schutz des Erstwohnsitzes der Bürger vor Versteigerungen. So etwa will SYRIZA die Vermietung von Airbnb-Wohnungen nur für Privatpersonen erlauben. Der geschäftsmäßigen Ausnutzung dieses Online-Systems soll ein Riegel vorgeschoben werden.
Armutsfalle für mehr als ein Viertel der Bürger
Während seiner Rede erklärte der frühere Ministerpräsident, dass während seiner Regierungszeit (2015-2019) eine humanitäre Krise, Ungleichheiten und die Kinderarmut bekämpft worden seien. Außerdem hätten 2,5 Millionen Bürger ohne Sozialversicherungsschutz Zugang zum öffentlichen Gesundheitssystem erhalten. Gleichzeitig machte der SYRIZA-Chef darauf aufmerksam, dass seine Regierung ihren Nachfolgerin, der Nea Dimokratia (ND), 37 Milliarden Euro als Polster bzw. Finanzreserve in den öffentlichen Kassen hinterlassen habe. Diese habe die damit verbundenen Chancen nicht genutzt.
Gegenwärtig, so Tsipras, seien in Griechenland 28,2 % der Bürger von Armut bedroht. Ähnlich schlimme Zustände herrschten in der EU lediglich in Bulgarien und Rumänien. In diesem Zusammenhang bemängelte der SYRIZA-Chef, dass Griechenland nicht mehr auf einem Konvergenzkurs mit der EU sei und dass der Reichtum bei nur wenigen liege: Daten der Bank von Griechenland zufolge würden 0,7 % der reichen Griechen über 42 % der Bankeinlagen des Landes verfügen.
Gleichzeitig habe die Bevölkerung in den vergangenen 16 Monaten sechs Milliarden Euro mehr an indirekte Steuern als zuvor bezahlen müssen. Dies habe zu einer Neuverteilung von Geld „zu Gunsten der Wenigen geführt“, so Tsipras.
Das Wort ergriff am Mittwoch auch der frühere Finanzminister Efklidis Tsakalotos. Dieser stellte fest: „Eine Stimme für SYRIZA ist eine Stimme für Demokratie“; es sei eine Stimme „für mehr öffentlichen Dialog, weniger Fake News und Gespräche über die Zukunft“.
Konzentration auf die Wählerschaft Kretas
Während der Wahlen vom 21. Mai hatte SYRIZA mit nur 20,07 % der Stimmen ein enttäuschendes Ergebnis eingefahren. Die konservative Nea Dimokratia (ND), die das Land seit 2019 regierte, hatte mehr als das Doppelte der Wählerstimmen auf ihrem Konto verbuchen können. Während einer Rede, die er kurz nach dem Urnengang Ende Mai gehalten hatte, hatte Tsipras dazu festgestellt, dass verlorene Kämpfe nur diejenigen seien, an denen man sich nicht beteiligt habe.
Beobachter meinen nun, dass es das eigentliche Ziel von SYRIZA beim kommenden Urnengang sei, zumindest die erreichten 20 % beizubehalten bzw. den Stimmanteil eventuell auf 23 % zu erhöhen. Dafür will die Partei ihren Einfluss in ausgesuchten Wahlreisen ausbauen, etwa auf Kreta, wo sie im Vergleich zu früher besonders enttäuschend abgeschnitten hatte. In den vier Regionen der Großinseln ist SYRIZA fast gleichauf mit der sozialistischen PASOK gewesen, die bisher – relativ abgeschlagen – Griechenlands drittstärkste Kraft im Parlament ist. Besonders große Anstrengungen will die Parteizentrale aus dem gleichen Grund auch für Ilia auf der Peloponnes und in Epirus unternehmen. Auf der Insel Chios lag SYRIZA (12,36 %) sogar mit circa sechs Prozentpunkten hinter der PASOK (19,30 %): Ein derartiges Comeback der Sozialisten, die bis zum Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise eine der beiden Volksparteien des Landes waren, möchte man in der SYRIZA-Parteizentrale unbedingt vermeiden.
(Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)