In wenigen Tagen, am 21. Mai finden Parlamentswahlen statt. Eine TV-Debatte der Vorsitzenden der sechs im Parlament vertretenen Parteien am Mittwochabend (10.5.) brachte keine Überraschungen.
Es wirkte eher so, dass sich alle sechs Parteichefs darum bemühten, möglichst keine Angriffsflächen zu bieten: Vorsicht ist bekanntlich die Mutter der Porzellankiste.
Eher ein Defensivspiel
So gesehen war es ein Defensivspiel. Und Trotzdem wollte man kurz vor den Wahlen natürlich auch noch ein paar Punkte sammeln. Da muss man hin und wieder doch in den Angriff gehen. Diese Ansätze oder zügigeren Spielphasen wiederum wurden durch ein enges zeitliches Korsett – sowohl für die Journalisten als auch für die sechs versammelten Politiker – und den genau vorgegebenen thematischen Ablauf des TV-Events – immer wieder ausgebremst. Ein florierendes Spiel, ein freier Gedankenaustausch mit offenem Ausgang war es nicht.
Monologe und Statements
Jeder der anwesenden Politiker versuchte, mit besonders klugen Formulierungen, auf seine potentiellen Wähler Rücksicht zu nehmen und möglichst noch weitere hinzuzugewinnen. Bis auf einige Ausnahmen waren es parallel geführte Monologe und Statements, die abgegeben wurden. Kyriakos Mitsotakis, Premierminister und gleichzeitig Vorsitzender der konservativen Nea Dimokratia (ND), versuchte zu punkten, indem er die Verlängerung des „market pass“ für das zweite Halbjahr 2023 in Aussicht stellte: Eine Art Rabattkarte für Einkäufe von Lebensmitteln, um die negativen Folgen der Inflation abzufedern. Der Vorsitzende des Linksbündnisses SYRIZA, Alexis Tsipras, plädierte für das Ziel, „mit fortschrittlichen Kräften“ eine Regierungskoalition zu bilden, wobei er als potentieller Partner vor allem auf die sozialistische PASOK abzielte.
Der Schatten des Abhörskandals
Für eine gewisse Schärfe sorgte während der Debatte der Abhörskandal. Nikos Androulakis von der PASOK, der selbst unter den Opfern ist, konstatierte, dass das Land „auf dem Weg nach Ungarn“ sei. Mitsotakis – dem durch eine Gesetzesänderung zu Beginn seiner Regierungsübernahme 2019 auch der Geheimdienst unterstellt wurde – räumte ein, dass dieser Skandal „einen Schatten“ auf seine Regierung geworfen habe. Dennoch habe man in Fragen der Demokratie aber Fortschritte erzielt. Gleichzeitig stellte er klar, dass der Politiker Androulakis nicht hätte abgehört werden dürfen, da dieser „keine Gefahr für das Land“ sei. Letzterer reagierte darauf mit der Feststellung: „Ich bin keine Gefahr für das Land, aber für die Nea Dimokratia.“ Eher farblos blieben auch die Vertreter der anderen Parteien: Dimitris Koutsoumpas (KKE); Kyriakos Velopoulos (Griechische Lösung); Janis Varoufakis (MeRA25). Unter dem Strich blieb nicht allzu viel, was das mehrstündige Ausharren vor dem Fernseher tatsächlich gelohnt hätte.
Vermutlicher Sieger ohne Siegerehrung
Die TV-Bilder erinnerten an ausgesucht tüchtige Rennpferde, potentielle Champions sozusagen, die gut gestriegelt an der Starlinie stehen, aufgeregt mit den Vorderhufen scharren und tänzeln, bevor der Startschuss fällt. Sollte man Prognosen wagen, könnte man die Meinung vertreten, dass der jetzige Premier und ND-Vorsitzende Kyriakos Mitsotakis als erster über die Zielmarke laufen dürfte. Eine Siegerehrung wird es – eigenen Einschätzungen und auch den Umfragen zufolge – wohl nicht geben; vielmehr dürfte im Juli eine zweite Wahlrunde – ein zweites Rennen also – angesagt sein. (Griechenland Zeitung / Jan Hübel)