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Deutsch-griechische Beziehungen: Potenzial ist noch nicht ausgeschöpft

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Unser Foto (© lisa-badum.de/) zeigt die deutsche Bundestagsabgeordnete Lisa Badum (Bündnis 90 / Die Grünen) und Präsidentin der Vereinigung der Deutsch-Griechischen Gesellschaften. Unser Foto (© lisa-badum.de/) zeigt die deutsche Bundestagsabgeordnete Lisa Badum (Bündnis 90 / Die Grünen) und Präsidentin der Vereinigung der Deutsch-Griechischen Gesellschaften.

Die Entwicklung der deutsch-griechischen Beziehungen war das Thema einer Online-Diskussion, an der sich u. a. die deutsche Bundestagsabgeordnete Lisa Badum (Bündnis 90 / Die Grünen) und außerdem Präsidentin der Vereinigung der Deutsch-Griechischen Gesellschaften, beteiligte. Dabei kam die gesamte Bandbreite des bilateralen Verhältnisses zur Sprache.

Die deutsch-griechischen Beziehungen sind auf einem guten Weg, es ist aber noch Luft nach oben. Zu diesem Ergebnis kamen die Teilnehmenden einer Online-Paneldiskussion zum Thema „Deutsch-Grieche Beziehungen: Alte Probleme, neue Chancen?“, die am Mittwoch (23.3.) von der Hellenischen Stiftung für Europa- und Außenpolitik (ELIAMEP) in Zusammenarbeit mit der Friedrich-Ebert-Stiftung durchgeführt wurde.
Zu Wort kamen neben Lisa Badum, Bundestagsabgeordnete für die Partei Bündnis 90 / Die Grünen und seit Ende 2021 Präsidentin der Vereinigung der Deutsch-Griechischen Gesellschaften (VDGG) auch der leitende Politikberater von ELIAMEP Jens Bastian sowie der Leiter der Geschäftsstelle der Friedrich-Ebert-Stiftung in Athen Arne Schildberg.

Klare Haltung gegenüber Putin

Mit Blick auf die aktuelle Situation in der Ukraine stellte der Moderator Ronald Meinardus zum Einstieg die Frage in den Raum, welche Auswirkungen die Anwesenden durch den Angriff Russlands auf die Ukraine für Griechenland, aber auch für die deutsch-griechischen Beziehungen sähen. Badun antwortete u. a. mit der Bemerkung: „Die griechische Abhängigkeit vom Gas ist ungefähr genauso groß wie die deutsche. Insofern haben wir eine gemeinsame Aufgabe, diese Abhängigkeit zu verringern.”
Bastian sprach neben der einvernehmlich klaren Haltung gegenüber Putin auch Griechenlands Ressourcen an Flüssigerdgas an, die in Zukunft ein Faktor für die Entwicklung der bilateralen Beziehungen der beiden Länder sein könnten.

Reparationen: „Elefant im Raum“

Eine Entwicklung des Status Quo gehe nicht nur Griechenland und Deutschland selbst etwas an, so Badum, denn Themen wie der Corona-Wiederaufbau oder die Situation der Geflüchteten auf Lesbos seien auch für den Rest Europas von Bedeutung.
Als „Elefant im Raum” bezeichnete sie Griechenlands Forderungen nach Reparationszahlungen durch Deutschland an, denen bisher nicht nachgekommen worden sei. Die Teilnehmenden der Diskussionsrunde waren sich darin einig, dass die Anerkennung der deutschen Kriegsverbrechen seitens der deutschen Bundesregierung sowie die Bereitschaft zur politischen und juristischen Aufarbeitung ein wichtiger Schritt für künftige Begegnungen der beiden Länder auf Augenhöhe seien. Bastian kritisierte: „Diese Arbeit haben wir in den vergangenen Jahrzehnten in Deutschland nicht unternommen.”

Vor allem auf den Bereich der wirtschaftlichen Zusammenarbeit blickt Bastian mit Zuversicht. Während Deutschland vor einigen Jahren noch mit erhobenem Zeigefinger auf Griechenland gezeigt habe und seitens der FDP im Jahr 2017 sogar Forderungen nach dem Ausschluss Griechenlands aus der Euro-Zone laut geworden seien, sei die Diskussionsebene nun sachlicher. Im letzten Jahr habe Christian Lindner die Reformleistungen der griechischen Wirtschaft nicht nur anerkannt, sondern diese öffentlich sogar als möglichen Antriebsmotor für die deutsche Politik wahrgenommen.

Große historische Wissenslücke

Was die Kulturvermittlung angeht, sieht Arne Schildberg eine große Chance in der Arbeit kultureller Bildungseinrichtungen. Vor allem in der deutschen Zivilgesellschaft herrsche eine große Wissenslücke über die bilaterale Geschichte. Die Vergangenheitsfrage müsse geklärt werden, denn „man kann die Beziehungen nicht außerhalb vom europäischen Kontext sehen”. Badum führt hier auch die Rolle der griechischen Diaspora an. Im Moment lebten in Deutschland etwa 450.000 Menschen mit griechischem Migrationshintergrund. Die verschiedenen Generationen gesellschaftlich zusammenzubringen, das sei vor allem auch eine Aufgabe der deutsch-griechischen Gesellschaften. Wichtig sei ihr dabei auch, Frauen stärker mit einzubeziehen.

Das Dreieck Berlin-Athen-Ankara

Schließlich wurde auch auf die Haltung Berlins im griechisch-türkischen Verhältnis eingegangen. In Griechenland sei die Bedrohung seitens der Türkei ein tiefsitzendes Thema, so der Moderator Meinardus. Es sei jedoch eine weit verbreitete Meinung, dass man im Notfall von Berlin aus nicht unterstützt werde. Schildberg deutete an, dass die deutsche Politik den Konflikt zwischen Griechenland und der Türkei als rein bilaterales Anliegen am Rande Europas wahrnehme. In Athen fühle man sich daher von Berlin als EU-Mitgliedsstaat nicht entschieden genug unterstützt, viel mehr wünsche man sich eine gemeinsame europäische Haltung und Außenpolitik gegenüber der Türkei. Ein Umdenken der deutschen Regierung sei deshalb nicht ausgeschlossen: „Vielleicht sind wir jetzt durch den Krieg in der Ukraine mehr sensibilisiert, Griechenland ist es auf jeden Fall und schaut ganz genau hin.”

Politikwechsel bei den Grünen?

An Badum gerichtet stellt Meinardus zum Abschluss die Frage, ob der aktuell notwendigen Realpolitik die wertebasierte Außenpolitik der Grünen geopfert werden müsse.
Das Parteiprogramm vor der Bundestagswahl im letzten Jahr habe unter anderem ein Ende der Rüstungsgeschäfte mit der Türkei vorgesehen, was in der griechischen Politik und Zivilbevölkerung für große Sympathien für diese Partei gesorgt habe. Noch Anfang letzten Jahres habe sich die Grünen-Fraktion außerdem für ein EU-Waffenembargo gegen die Türkei ausgesprochen. Bade reagierte auf diese Feststellungen mit den Worten, dass sie die derzeitige Handlungsstrategie der Ampel-Koalition nicht als Widerspruch zu den „nach wie vor geltenden Werten“ sehe: „Die NATO steht jetzt enger zusammen, das bezieht die Türkei mit ein. Aber wenn wir wieder nach alten Rezepten handeln ohne klaren Kompass (...), wird uns das wieder in eine ähnliche Bredouille bringen wie jetzt.”

(Griechenland Zeitung / Linda Behringer)

 

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