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Karolos Papoulias (1929-2021), die Bäume im Kölner Königsforst und der Sozialismus

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Karolos Papoulias (1929-2021) (Foto: © Eurokinissi) Karolos Papoulias (1929-2021) (Foto: © Eurokinissi)

Der frühere Staatspräsident Karolos Papoulias starb am Sonntag (26.12.) im Alter von 92 Jahren in Athen und wird heute (29.12.) in einem Staatsakt verabschiedet. In seine Amtszeit als erster Mann im Staate (2005 bis 2015) fiel die griechische Staatsschuldenkrise. Griechenland-Korrespondent Gerd Höhler lernte Papoulias schon in den 1980er Jahren als integeren und liebenswürdigen Mann kennen. 

Auch wenn das griechische Staatsoberhaupt weitgehend zeremonielle Kompetenzen hat, war es doch wesentlich dem politischen Geschick von Papoulias in den turbulenten Jahren der Finanz- und Wirtschaftskrise zu verdanken, dass Griechenland damals regierbar blieb und nicht in die Staatspleite abstürzte. Papoulias spielte in den Krisenjahren eine Schlüsselrolle als Integrationsfigur und politisches Vorbild.

Die Rolle Deutschlands

Der Sohn eines Generalmajors aus dem nordgriechischen Dorf Molyvdoskepastos studierte in Athen und Mailand Jura, bevor er an der Universität Köln promovierte. Deutschland spielte in seinem Leben eine besondere Rolle. Wie kein zweiter griechischer Politiker personifizierte Papoulias die Ambivalenz des griechisch-deutschen Verhältnisses: Als 14-Jähriger schloss er sich den Partisanen an und kämpfte in den Bergen seiner nordgriechischen Heimat Epirus gegen die Nazi-Besatzer. Ein Vierteljahrhundert später fand Papoulias während der Obristendiktatur in Deutschland politisches Asyl. Als Mitarbeiter des griechischen Programms der Deutschen Welle war er damals für viele Griechinnen und Griechen in der Heimat eine Stimme der Freiheit.

Morddrohungen der Obristen

Sein Eintreten für die Demokratie trug ihm in jenen Jahren mehrere Morddrohungen ein, hinter denen wohl die Athener Obristen standen. Willy Brandt hörte davon und sorgte dafür, dass Papoulias Personenschutz bekam.
Mit Köln war Karolos Papoulias seit seiner Studienzeit eng verbunden. Dort arbeitete seine Frau Mai Panou nach dem Studium der Psychosomatik und Psychotherapie. Auch die drei Töchter des Ehepaars leben in Deutschland. In Köln hat Papoulias bleibende Spuren hinterlassen: Um als Doktorand seinen Lebensunterhalt zu finanzieren, verdingte er sich als Waldarbeiter – und pflanzte im Königsforst mehrere tausend Bäume.
Nach dem Sturz der Junta 1974 kehrte Papoulias nach Griechenland zurück. Er gehörte als einer der engsten Vertrauten von Andreas Papandreou zu den Mitbegründern der Panhellenischen Sozialistischen Bewegung (PASOK).
Pflanzen, Bücher und Musik gehörten zu seinen großen Leidenschaften. Die Zitronenbäumchen auf dem Balkon seiner bescheidenen Dreizimmerwohnung in der Athener Asklepios-Straße berieselte er regelmäßig mit klassischer Musik. Das fördere ihr Wachstum und Wohlbefinden, wusste Papoulias.

Liebenswürdig und integer

Meine Bekanntschaft mit Karolos Papoulias geht zurück ins Jahr 1979. Er war damals außenpolitischer Sprecher der PASOK und nicht nur in dieser Eigenschaft für mich ein wertvoller Gesprächspartner, sondern auch wegen seiner Deutschkenntnisse – das Griechisch des erst wenige Monate zuvor nach Athen übergesiedelten Korrespondenten war damals noch sehr holprig.
Ich habe Papoulias damals und in den Jahren hernach als einen liebenswürdigen und bescheidenen, persönlich integren, bedächtigen und politisch gradlinigen Mann erlebt – Charakterzüge, die unter Politikern nicht häufig anzutreffen sind.
Nach dem Wahlsieg der PASOK im Oktober 1981 wurde Papoulias von Papandreou zum Vize-Außenminister berufen. Aus jener Zeit datiert eine lustige Begebenheit. Wenige Tage nach dem Antritt der neuen sozialistischen Regierung war ich mit Papoulias zum Abendessen verabredet. Ich solle in seinem Büro vorbeikommen, und dann würden wir gemeinsam in eine Taverne fahren, so die Vereinbarung.
Ich erschien, wie besprochen, gegen 20 Uhr im Außenministerium. Papoulias Büro befand sich im Erdgeschoss gleich hinter dem Eingang. Das Vorzimmer war bereits verwaist. Er erledigte noch zwei Telefonate und ein paar Unterschriften, dann waren wir bereit zum Aufbruch.
Aber wo war der Fahrer? Papoulias Dienstwagen, ein schon etwas älterer dunkelblauer Mercedes 200, stand vor dem Ministerium, aber von dem Chauffeur keine Spur. Papoulias Rufe nach ihm verhallten ungehört im großen Treppenhaus und den Fluren des klassizistischen Gebäudes. Auch der Portier wusste nichts über den Verbleib des Fahrers.
Der hatte ihm aber immerhin den Wagenschlüssel hinterlassen. So setzte sich Papoulias kurz entschlossen selbst an Steuer, und ich nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Papoulias startete den Motor mit den Worten: „Das ist der Sozialismus!“
Gerd Höhler

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