Seit Dienstag haben Spannungen in der Ägäis deutlich zugenommen. Die Türkei schickt sich an, in Regionen, die zum griechischen Festlandsockel gehören, nach Erdgas zu suchen. Athen versetzte Militär und Flotte in Alarmbereitschaft.
In der Ägäis kriselt es heftig. Die türkische Küstenwache deklarierte ab Dienstag (21.7.) über eine sogenannten NAVTEX („NAVigational TEXt Messages“), die Sicherheitsinformationen für die Seefahrt beinhaltet, einen Teil der Ägäis für Forschungszwecke. Es handelt sich um den Abschnitt südlich der griechischen Inseln Kastellorizo und Rhodos sowie südöstlich von Kreta. Dieser liegt zu etwa zwei Dritteln über dem griechischen Festlandsockel, den Ankara allerdings in Frage stellt. Gültig ist diese NAVTEX bis zum 2. August. Nach der Veröffentlichung dieser Information für die Seefahrt drangen zwei türkische Kampfjets demonstrativ in griechischen Luftraum über den Inseln Kastellorizo und Stogyli ein.
„Illegale NAVTEX“
Daraufhin wurden die griechische Armee und die Kriegsmarine in Alarmbereitschaft versetzt. Generalstabschef Konstantinos Floros musste einen offiziellen Besuch auf Zypern abbrechen. Athens Streitkräfte beobachten derzeit aufmerksam die Lage. Seit Dienstag wurden neunzehn weitere türkische Kriegsschiffe in der Ägäis identifiziert. Erdogan hatte in einer Mitteilung in kämpferischem Ton erklärt, dass man „weder für unsere Forschungsschiffe noch für unsere Bohrschiffe eine Genehmigung“ einholen müsse.
Die griechische Botschaft in Ankara reagierte mit einer Protestnote gegen die türkische Provokation. Das griechische Außenministerium sprach von einer „illegalen NAVTEX“, wodurch die Spannungen in der Ägäis verschärft würden. Als Antwort versandten sowohl Athen als auch Nikosia eine Art Gegen-Sicherheitsinformation für die Seefahrt. Darin werden u. a. „illegale Aktivitäten“ der Türkei gemeldet, die gegen das internationale Recht gerichtet seien. Auch werden die Seeleute dazu aufgerufen, die türkische NAVTEX zu ignorieren.
Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis sprach davon, dass das internationale Umfeld „instabil“ sei, weil das Nachbarland dafür sorge, die Lage anzuheizen. Griechenland sei sich jedoch seiner Stärke bewusst und werde entschlossen und vereint gegen derartige Provokationen vorgehen. Während eines Treffens mit dem deutschen Außenminister Heiko Maas am Dienstag in Athen sprach der Regierungschef von „aggressive Aktivitäten gegenüber Griechenland, Zypern und letztendlich der EU als Ganzes“.
Mitsotakis informierte anschließend telefonisch auch die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel über die Situation. Diese war zuvor bereits mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Kontakt getreten. Die deutsche Bild-Zeitung berichtete am Mittwoch, dass Merkel in letzter Minute einen Krieg zwischen beiden Ländern verhindert habe: „Die Kriegsschiffe waren bereits auf den Weg, Kampfflugzeuge schon in der Luft, doch dann kam Rettung aus Deutschland.“
Die EU will im September angesichts der türkischen Provokationen über mögliche Sanktionen beraten; Deutschland hat derzeit die Ratspräsidentschaft inne.
Suche nach Erdgas
Beauftragt mit der Suche nach Fossilen Brennstoffen in der Ägäis ist das türkische Forschungsschiff Oruc Reis – das offiziell seismische Untersuchungen durchführt. Seit drei Jahren ist das 87 Meter lange und 23 Meter breite Schiff bereits im östlichen Mittelmeer unterwegs und hat des Öfteren auch zyprische Hoheitsgewässer verletzt.
Reaktion der USA
Zu Wort meldete sich auch das Außenministerium der Vereinigten Staaten. Ankara wurde dazu aufgerufen von Aktionen abzusehen, die Spannungen in der Ägäis anwachsen lassen. Position bezogen auch Griechenlands Oppositionsparteien. Der für außenpolitische Fragen zuständige Funktionär des Bündnisses der Radikalen Linken (SYRIZA) Jorgos Katroungalos gibt der Regierung der konservativen Nea Dimokratia die Schuld am Verhalten der Türkei, weil nicht früh genug Sanktionen gegen Ankara beschlossen worden seien. SYRIZA-Chef Alexis Tsipras, der bis 2019 als Premierminister fungierte, beriet sich prompt mit ehemaligen Mitgliedern der griechischen Streitkräfte. Am Donnerstag und Freitag will Regierungschef Mitsotakis den Vorsitzenden der Oppositionsparteien Bericht über die entstandene Lage erstatten. (Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)