Linke sprechen von „Putsch"
In der wegen der
Sommersessionen verkleinerten Vollversammlung votierten für den
Entwurf 52 Abgeordnete, 39 stimmten mit „Nein" und fünf haben sich
ihrer Stimme enthalten. Aus den Reihen der Regierung Samaras, die
sich aus Konservativen (ND) und Sozialisten (PASOK) zusammensetzt,
gab es keine Abweichler. Mitglieder der Demokratischen Linken, die
bis Juni noch das Koalitionskabinett mitgetragen haben, stimmten
mit „anwesend". Die Opposition stellte sich mit scharfen Tönen
gegen die Gesetzesnovelle; in den Reihen des Radikalen
Linksbündnisses (SYRIZA) war die Rede von einem „Putsch".
Angst vor Arbeitslosigkeit
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Staatsdiener werden in diesen Tagen offiziell darüber informiert
werden, dass sie in die Arbeitsreserve geschickt werden. Viele von
ihnen werden aufgrund des Ferienmonats August vielleicht bereits an
einem Strand liegen oder sich gerade im Dorf ihrer Verwandten
ausruhen. Falls sie in die Arbeitsreserve geschickt werden,
bedeutet das zunächst, dass sie ihren bisherigen Job verlieren. Für
weitere acht Monate werden sie etwa 70 Prozent ihres bisherigen
Gehaltes erhalten. Wenn für sie in diesem Zeitraum kein
anderer Posten im Öffentlichen Dienst gefunden wird, müssen
sie sich im kommenden Frühling arbeitslos melden. Um einen weiteren
Anstieg der Arbeitslosigkeit zu vermeiden – sie betrug im ersten
Quartal des Jahres 27,4 Prozent – versucht die Regierung, möglichst
viele Stellen im Staatssektor zu finden, wo neue Arbeitskräfte
benötigt werden. Die Auswahl des Personals soll nach konkreten
Kriterien erfolgen.
Selbst Ärzte sind betroffen
Die meisten zu
versetzenden Staatsdiener stammen aus dem Innenministerium (3.000)
sowie dem Gesundheitsministerium (1.500). Darunter befinden sich
auch zahlreiche Ärzte, die in Krankenhäuser versetzt werden, die an
Personalmangel leiden. Andere Krankenhäuser, vor allem in Athen,
sollen schließen bzw. zusammengelegt werden. Der rechtskonservative
Gesundheitsminister Adonis Georgiadis hat immerhin versichert, dass
keine Ärzte entlassen würden. Jedoch wurde das Kontingent der
Arbeitsreserve in seinem Ministerium innerhalb von nur wenigen
Wochen um 275 Personen erhöht. Von der Arbeitsreserve verschont
werden Angestellte des Öffentlichen Dienstes, die viele Kinder
haben oder Personen mit Behinderung pflegen; bei verheirateten
Paaren wiederum darf nur ein Partner betroffen sein.
Kleine Protestwelle
Als Protest gegen diese
Maßnahmen hat die Gewerkschaft Öffentlicher Dienst ADEDY am Freitag
(2.8.) in Attika zu einem 24-stündigen Streik aufgerufen. Am
Vormittag wurde vor dem Ministerium für Verwaltungsreform
demonstriert (siehe unser Foto). Der Widerstand gegen die
Regierungspolitik und die Beteiligung an den Protesten ist jedoch
deutlich schwächer als noch vor drei Jahren, als sich die Finanz-
und Wirtschaftskrise erstmals richtig bemerkbar machte. Ein Grund
dafür ist sicherlich, dass bereits der Ferienmonat August begonnen
hat. Andererseits hat es den Anschein, dass viele Bürger einfach
müde geworden sind bzw. resigniert haben. Viele bauen wohl auch
darauf, dass die Regierung die Maßnahme der Arbeitsreserve nach
einem konkreten Plan und möglichst gerecht umsetzen wird. Durch
gezielte Versetzungen besteht darüber hinaus die Chance, dass der
Staatsapparat besser funktioniert als bisher.
Erste Feuertaufe
Die erste Feuertaufe
hinsichtlich objektiver Aufnahmekriterien erfolgt mit der Besetzung
des neuen staatlichen Rundfunks, Fernsehens und Internets
NERIT. Vor knapp zwei Monaten hatte die Regierung über Nacht den
bisherigen staatlichen Radio- und Fernsehsender ERT geschlossen.
Von einem Tag auf den anderen wurden mehr als 2.600 Angestellte
arbeitslos. Am Freitag (2.8.) lief die Frist für die Abgabe von
Anträgen für 589 Stellen ab. Bis Donnerstag hatten rund 4.500
Interessierte ihre Unterlagen eingereicht. In den kommenden Tagen
sollen weitere 1.400 Stellen ausgeschrieben werden. Nun liegt der
Ball bei den Verantwortlichen, parteipolitisch motivierten
Einstellungen – wie sie bisher sehr häufig waren – den Rücken zu
kehren und bei NERIT tatsächlich die qualifiziertesten und
motiviertesten Bewerber zu übernehmen: Die Auswahl ist schließlich
groß genug.
Text: Elisa Hübel, Foto:
Eurokinissi