Die konservative Regierung unter Ministerpräsident Mitsotakis brachte am Dienstag eine Multigesetzesnovelle des Ministeriums für Umwelt und Energie durch das Parlament. Die Abstimmung fand auf elektronischem Wege statt. Der Opposition zufolge könne in diesem Gesetz von Umweltschutz keine Rede sein.
Mitten in der Corona-Pandemie ist in Griechenland eine Debatte über den Umweltschutz ausgebrochen. Am Dienstag (5.5.) verabschiedete das griechische Parlament eine Gesetzesnovelle unter dem Titel „Modernisierung der Umweltgesetzgebung“. Dafür stimmten geschlossen die 158 Abgeordneten der konservativen Regierungspartei Nea Dimokratia (ND) unter Premierminister Kyriakos Mitsotakis. Die Vertreter der größten Oppositionspartei des Landes Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) beteiligten sich an der Abstimmung nicht; sie verließen aus Protest den Saal. Die Rede war u. a. von einem „Skandal“, einem „Putsch“ und einem „Verbrechen“ gegen die Umwelt. Die Mitglieder der übrigen Parlamentsparteien stimmten dagegen.
Erneuerbare Energie unterstützen
Festgelegt wurde nun per Gesetz die Einrichtung einer zentralen Institution für Natura-Schutzgebiete. Letztere sollen in vier verschiedene Zonen aufgeteilt werden und aus 24 Einheiten bestehen. Als Vorbilder dienen etwa Irland, Portugal und Finnland. Kritiker meinen, dass sich somit der Weg für Investitionen in Naturschutzgebieten öffne; selbst der Bergbau werde davon nicht ausgeschlossen.
Weiterhin wird eine bürokratische Vereinfachung von Investitionen im Bereich der Erneuerbaren Energiequellen ermöglicht. Ein entsprechender Antrag kann drei Mal jährlich gestellt werden; die erteilten Genehmigungen gelten für jeweils 25 Jahre. In letzter Minute wurde, auf Druck der Opposition, ein Passus hinzugefügt, der vorsieht, dass die jeweiligen Unternehmen nach Ablauf der Lizenz für die Wiederherstellung der natürlichen Umwelt im Umkreis der von ihnen errichteten Anlagen sorgen müssen.
Auch für Jäger hat das Gesetz etwas zu bieten: Künftig ist in Hellas die Jagd mit Hilfe von Greifvögeln erlaubt.
Anschluss an Kanalisation
Im Gesetz gibt es auch Aspekte, die von Umweltschützern begrüßt werden. So ist etwa beinhaltet, dass die Nutzung von Einweg-Plastiktüten ein für alle Mal aus Griechenland verbannt wird: Ab dem 1. Januar 2021 wird keine Ausnahme mehr gemacht. Bereits seit Anfang 2018 fällt eine entsprechende Steuer für derartige Tüten etwa beim Kauf in Supermärkten an; dadurch war ein deutlicher Rückgang des Gebrauchs zu erkennen. Doch bisher waren bei weitem nicht alle Geschäfte von dieser Regelung betroffen. Dem soll nun ein Riegel vorgeschoben werden.
Ein weiterer Punkt betrifft den Anschluss zahlreicher Immobilien an die öffentliche Kanalisation, vor allem in Ostattika. Diese Projekte werden von der öffentlichen Hand finanziert. Gleichzeitig – und hier liegt wieder ein Wermutstropfen für die Umwelt – sollen illegale Bauten, auch in Waldregionen, für die kommenden dreißig Jahre legalisiert werden – allerdings „auf Basis vorgesehener Umweltschutzkriterien“, wie es im Gesetz heißt.
42.000 Protest-Unterschriften
Die Umweltschutzorganisationen WWF und Greenpeace hatten 42.000 Unterschriften von Bürgern gesammelt, um in letzter Minute Bohrungen nach Erdgas- und Erdöl zu verhindern, die mit dem neuen Gesetz erlaubt werden. Die Umweltaktivisten gehen davon aus, dass dadurch sowohl wirtschaftliches Wachstum als auch die Umwelt und die Bedürfnisse der betreffenden Gemeinden untergraben werden. Man spricht von einer „beispiellosen Gefahr“ für die Natur Griechenlands; selbst in funktionierenden Ökosystemen dürfte künftig gebohrt werden, gaben die Kritiker zu bedenken. Eine in letzter Minute eingebrachte Änderung sieht nun ein Mitentscheidungsrecht der Gemeinden vor, wenn Bohrungen länger als drei Monate dauern.
„Intransparentes Verfahren“
Eingebracht worden war die Multi-Gesetzesnovelle am 4. März, als sich die Corona-Krise bereits abzeichnete; die erste Infektion mit dem Virus wurde in Griechenland am 26. Februar registriert.
Beinhaltet waren in der ersten Fassung 82 Artikel; knapp 50 weitere kamen in den Wochen darauf dazu. Kritiker sprechen von einem „intransparenten Verfahren“; viele der Artikel seine der Öffentlichkeit nicht zugänglich gemacht worden. Etwa 170 Umweltschutzorganisationen, Institutionen und die gesamte Opposition stellten sich gegen dieses Gesetz. Ihrer Ansicht nach verstoße dieses nicht zuletzt gegen rechtliche Regelungen, die in der EU gelten, auch verfassungsrechtliche Bedenken kamen zur Sprache.
Vor allem fragte man sich, aus welchem Grund ein derartig einschneidendes Gesetz ausgerechnet im Zuge der Ausgangsbeschränkungen, die durch die Corona-Pandemie auferlegt wurden, verabschiedet werden musste. Die Volksvertreter mussten zum Teil von zu Hause aus auf elektronischem Wege abstimmen; das Parlament konnte wegen der Furcht vor einer Ausbreitung des Corona-Virus nicht in der Vollversammlung tagen. Zudem konnten Umweltorganisationen und Experten nicht ausreichend zur Beratung herangezogen werden, um eventuelle Gegenvorschläge zu unterbreiten. Demonstrationen gegen das Gesetz konnten nur mit geringer Beteiligung oder gar nicht stattfinden.
Übereinstimmung mit EU-Ländern
Umwelt- und Energieminister Kostis Chatzidakis erklärte trotz aller Kritik, dass das Wachstumsmodell der Regierung modern sei, und mit dem der anderen EU-Länder übereinstimme. Ministerpräsident Mitsotakis stellte fest, dass er „permanent“ daran festhalten werde, die „Grüne Wirtschaft zur Dampfmaschine des Wachstums“ zu machen. Der SYRIZA-Funktionär Dimitris Tzanakopoulos warf der Regierung hingegen vor, eine internationale Krise benutzt zu haben, um bestimmte wirtschaftliche Interessen zu bedienen. (Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)