Gegen 18.30 Uhr wird Ministerpräsident Alexis Tsipras am heutigen Montag (10.6.) von Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos die Auflösung des Parlaments und die Ankündigung vorverlegter Parlamentswahlen fordern.
Diese werden dem Vernehmen nach am 7. Juli durchgeführt. Hintergrund dafür ist eine schmerzhafte Niederlage, die die Regierungspartei SYRIZA bei den Europawahlen Ende Mai hinnehmen musste. Mit knapp zehn Prozentpunkten Rückstand kam sie hinter der konservativen Nea Dimokratia (ND) durchs Ziel. Die gleichzeitig stattgefundenen Regional- und Kommunalwahlen bestätigten dieses Bild
Tsipras setzt auf die Mittelschicht
Tsipras hat sich nun das Ziel gesetzt, ein derartiges Ergebnis beim bevorstehenden Urnengang für die Sitzverteilung im nationalen Parlament möglichst zu vermeiden. Vor allem aus der Mittelschicht möchte er Bürger zurückgewinnen. Diese wurden im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise und den damit verbundenen Spar- und Reformmaßnahmen am härtesten zur Kasse gebeten. In der Parteizentrale von SYRIZA hofft man vor allem auch darauf, dass ein großer Teil jener Wähler, die sich an den letzten Urnengängen Ende Mai bzw. bei den Stichwahlen Anfang Juni nicht beteiligt hatten, dem Linksbündnis ihre Stimmen schenken mögen. Auf eine derartige Eventualität spekulieren auch kleiner Parteien, die sich dem linken politischen Spektrum zugehörig fühlen. Am Montagabend will Tsipras außerdem das Programm seiner Partei für die kommenden vier Jahre vorstellen, falls er abermals in die Regierung gewählt werden sollte.
Streben nach regierungsfähiger Mehrheit
ND-Chef Kyriakos Mitsotakis versucht hingegen, den jüngst eingefahrenen Vorsprung weiter auszubauen. Sein erklärtes Ziel ist es, eine regierungsfähige Mehrheit zu erhalten. Der Konservative verspricht, die Steuern für große sowie für kleinere Unternehmen sowie für die Arbeitnehmer zu senken. Während eines Besuches auf der Dodekanes-Insel Kos am Wochenende rief er sein Publikum dazu auf, für seine Partei zu votieren, damit er sein Wahlprogramm in die Tat umsetzen könne.
Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt Oppositionschef Mitsotakis (l.) am Wochenende auf der Insel Kos.
Nicht zuletzt bezog sich der Konservative auch auf die Lage vieler Asylsuchender in Griechenland: Er versprach, das Verfahren für die Vergabe einer Aufenthaltsgenehmigung zu vereinfachen. Durch langwierige Asylverfahren sitzen viele Schutzsuchende auf einer der griechischen Ägäis-Inseln, wo sie erstmals EU-Territorium betreten haben, regelecht fest. Ziel der meisten von ihnen ist eine Weiterreise in Länder Mittel- und Nordeuropas.
Mitsotakis betonte in diesem Zusammenhang kurz und bündig: „Wer ein Recht auf Asyl hat, der wird unter Schutz gestellt. Wer dazu nicht berechtigt ist, muss zurück in die Türkei.“ Das entspricht im Prinzip auch den Buchstaben des EU-Türkei-Paktes, der in der Vergangenheit nur sehr schleppend angewendet wurde.
Streitereien bei den Sozialisten
Unmittelbar vor den Wahlen sind auch die griechischen Sozialisten stark in die Bredouille geraten, die heute von der Bewegung der Veränderung (KinAl) vertreten werden. Diese wurde kurz vor dem Urnengang auf eine Zerreißprobe gestellt, weil der frühere PASOK-Vorsitzende und KinAl-Fahrensmann Evangelos Venizelos in der vorigen Woche den Schoß der Partei verlassen hatte. Nun bleibt abzuwarten, ob der Abgang des einstigen Vize-Regierungschefs unter dem konservativen Premier Antonis Samaras Auswirkungen auf das Verhalten traditioneller PASOK-Wähler haben wird. Eventuell könnte sogar SYRIZA von diesem Streit bei der KinAl profitieren. (Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)