Der frühere Finanzminister Janis Varoufakis, der diesen Posten vom 27. Januar bis 6. Juli 2015 innehatte, sorgt wieder einmal für Schlagzeilen. In seinem jüngsten Buch „Adults In The Room: My Battle With Europe’s Deep Establishment”, das in diesen Tagen auf Englisch im Verlag Penguin erscheint, gibt er interessante Einblicke hinter die Kulissen der großen Politik.
Anschließend soll das Werk auch im griechischen Verlag Patakis herauskommen. Bei Amazon ist die englischsprachige Version ab 4. Mai lieferbar: fest gebunden, als Softcover und auch als E-Book.
Aus dem Blickwinkel eine „Outsiders“ versucht Varoufakis, das innere Machtspektrum in der EU zu skizzieren. Der renommierte Wirtschaftsprofessor vertritt darin u. a. die Ansicht, dass die Europäische Union nur durch radikale Reformen vor einem Kollaps zu retten sei. Interessant ist u. a. eine Begegnung mit seinem deutschen Amtskollegen Wolfgang Schäuble. Der Leser mag sich vielleicht fragen, wie es ihm gelingt, sich im Nachhinein derartig detailliert an das Gespräch zu erinnern – aber das ist letztlich Sache des Autors. Er dürfte zumindest unmittelbar nach dem Treffen fleißig Notizen gemacht haben.
U. a. habe Schäuble noch unmittelbar vor der Volksabstimmung im Sommer 2015 der griechischen Seite einen Austritt aus dem Euro nahe gelegt. Man müsse den Griechen ganz klar sagen, worum es ginge. Man müsse ihnen klar vermitteln: Wenn sie den Euro behalten wollen, dann müssten sie die Spar- und Reformprogramme akzeptieren. Das Dilemma, so der „Politiker in Lederjacke“ sei klar gewesen: Entweder die Drachme oder das Memorandum. Allerdings habe Schäuble auch eingeräumt, dass die Memorandumspolitik „schlecht“ für das griechische Volk sei. Sie werde einer wirtschaftlichen Entwicklung nicht dienlich sein.
Als eine Art Kompromisslösung sei die Rede von einem „Time-out“ gewesen. Griechenland könne dann durch eine Währungsabwertung seine Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen, so die Argumentation des Finanzministers aus Berlin. Im Anschluss, vielleicht schon nach einem Jahr, könne das Land ja dann in die Eurozone zurückkehren. Varoufakis habe daraufhin entgegnet, dass er eine solche Option nicht begrüßen könne. Außerdem verwies er auf die technischen Schwierigkeiten. Um auf eine neue Landeswährung umzustellen, benötige man mindesten ein Jahr. Außerdem argumentierte der Grieche damit, dass ein Time-out seines Landes aus dem Euro ein Schlag gegen die Volkswirtschaften Spaniens und Italiens sei, in der Folge wohl auch gegen Frankreich.
Nicht zuletzt habe Schäuble die Ansicht vertreten, dass alle, die den Euro wollen, Disziplin unter Beweis stellen müssten. Letztlich habe er seinem Athener Kollegen auch zu verstehen gegeben, dass es keinen Sinne habe, auf die anderen Kollegen in der Eurozone zu hören. Auch würde es keine Ergebnisse bringen, wenn sich Tsipras immer wieder mit Bundeskanzlerin Merkel konsultiere. Und – last but not least – er habe Varoufakis ein merkwürdiges Kompliment unterbreitet: Innerhalb der Eurozone sei er der einzige, der kapiert, dass die Eurozone nicht lebensfähig ist. (Griechenland Zeitung / jh)
Unser Archivfoto (© Eurokinissi) entstand im Februar 2015. Es zeigt den deutschen Finanzminister Wolfang Schäuble (l.) und seinen griechischen Amtskollegen Janis Varoufakis.