Ministerpräsident Alexis Tsipras will den Sozialstaat ausbauen. Einen entsprechenden Plan unterbreitete er am Mittwoch. Beinhaltet sind die Bereiche Gesundheitswesen, Sozialversicherung, sozial schwache Gruppen, Arbeitslosigkeit, Arbeitsbeziehungen, Wohnungspolitik und Bildung.
Gegenüber dem Rat für Sozialpolitik stellte der Premier fest, dass man noch für dieses Jahr die vorgesehenen Sozialausgaben um 823 Millionen Euro erhöhen werde. Allerdings muss die Seite der internationalen Geldgeber vorher noch zustimmen; entsprechende Verhandlungen laufen bereits seit Mai.
Garantiertes Grundeinkommen
Die Regierung in Athen argumentiert damit, dass der erzielte Primärüberschuss über den Planvorgaben liegt. Außerdem brachte Tsipras die Einschätzung zum Ausdruck, dass diese Ausgaben schon bald noch weiter erhöht werden könnten. Ab 2017 soll jedem Bürger ein Grundeinkommen garantiert werden. Tsipras bezeichnete dies als „Soziales Einkommen der Solidarität“. Dies Kosten dafür werden auf 900 Millionen Euro veranschlagt. Grundlage für diese Zuwendungen sei der zu erwartende Wirtschaftsaufschwung. Allerdings hat auch diese Seite einen Haken: Im Memorandum III, das im vorigen Sommer mit den Geldgebern unterzeichnet wurde, ist als Ausgleich dafür vorgesehen, dass andere Sozialzulagen gestrichen werden. So berichtet etwa die Wirtschaftszeitung Naftemporiki, dass bereits eine entsprechende Studie in Zusammenarbeit mit der Weltbank erstellt worden sei.
Viele Maßnahmen in Aussicht gestellt
Was den Gesundheitsbereich betrifft, so stellte Tsipras klar, dass auch Unversicherte Zugang zur öffentlichen Gesundheitsbetreuung haben. Kostenlos mit Medikamenten versorgt werden jene Bürger, die nicht über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügen. Außerdem soll das öffentliche Gesundheitssystem künftig eine neue Politik bei den unter Vertrag stehenden Privatärzten verfolgen – nähere Angaben wurden dazu noch nicht gemacht. Im Bereich der Renten sagte Tsipras die Einführung der Mindestrente zu. Zudem soll die Praxis der Auszahlungen von Abfindungen (öffentliche Hand und bestimmte Berufsgruppen) beim Eintritt ins Rentenalter, die 2013 gestoppt wurde, wieder aufgenommen werden. Was die Bekämpfung der humanitären Krise betrifft, so werden weiterhin 90.000 bedürftige Haushalte kostenlos mit Elektroenergie versorgt; gleiches trifft auf 58.000 Haushalte bei der Trinkwasserversorgung zu. Weiterhin dürfen Arbeitslose kostenlos die öffentlichen Verkehrsmittel benutzen. Das Programm der Schulspeisung, das in einer ersten Phase bereits begonnen hat, soll auf 270 Grundschulen ausgeweitet werden. Was den Schutz der Arbeitsrechte betrifft, so zeigte sich Tsipras entschlossen, dass Massenentlassungen per Gesetz verhindert werden. Auch der Möglichkeit der Aussperrung von Streikenden seitens der Arbeitgeber soll nicht stattgegeben werden. Zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit sollen
Schutz für Kreditnehmer und Obdachlose
Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen auf 165.000 Arbeitslose erweitert werden, ein Großteil davon soll jungen Menschen zu Gute kommen. In Sachen Wohnungspolitik wird der Pfändungsschutz für den Erstwohnsitz beibehalten. Das heißt mit anderen Worten, dass 94 Prozent aller Wohndarlehen geschützt werden. Auch über andere Kreditnehmer, die etwa Konsumkredite aufgenommen haben, soll in vielen Fällen eine schützende Hand gehalten werden. Das betrifft vor allem auch Freiberufler, Landwirte und Händler, aber auch kleine und mittlere Unternehmen. Vor allem um Obdachlosen und anderen sozial schwachen Schichten ein Heim zu bieten, soll eine staatliche Immobilien-Institution ins Leben gerufen werden. Auf dieser Basis sollen die Betreffenden in Liegenschaften der öffentlichen Hand untergebracht werden.
Opposition konstatiert Kommunikationstrick
Seitens der Opposition stießen die Ankündigungen des Premierministers auf heftige Kritik. Die konservative Nea Dimokratia (ND), nach dem Linksbündnis SYRIZA von Tsipras zweitstärkste Kraft im Parlament, konstatierte „einen Kommunikationstrick“. Dies sein nicht nur „nicht überzeugend“, sondern „empörend“ zugleich. Der Sprecher der ND, Jorgos Koumoutsakos, legte dem Premier in seinen Ausführungen nahe, auf „großmündige Ankündigungen“ zu verzichten: „Niemand hört diese, niemand glaub sie!“ Die sozialistische PASOK sprach von einem „dauerhaften Aprilscherz“. Nun, wo man die Zusatzrenten (EKAS) abschaffe, verspreche man den bisherigen Beziehern eine öffentliche Armenausspeisung. Es sein kein Zufall, dass im ersten Halbjahr 2016 lediglich 20 Prozent der vorgesehenen Sozialausgaben ausgeschöpft worden seien. Und schlimmer noch, so das Urteil der PASOK: „Natürlich kein Wort von Entwicklungen, Schaffung von Arbeitsplätzen, Zukunftshoffnung für das Land.“ Die Kommunistische Partei (KKE) stellte fest, dass die angekündigten Maßnahmen „der Sargdeckel für die Sozialversicherung“ seien. (Griechenland Zeitung / jh)
Unser Archivfoto (© Eurokinissi) entstand am 1. Mai 2016 bei einer Ausspeisung für Obdachlose und Arme anlässlich des Osterfestes. Organisator war die Gemeinde Athen. Ort des Geschehens war eine Sporthalle im Athener Stadtviertel Rouf, etwa drei Kilometer entfernt vom Athener Omonia-Platz.