In dieser Woche wurden in Griechenland zwei Gerichtsprozesse, in die das deutsche Unternehmen Siemens involviert ist, vorläufig vertagt. Die Fälle betreffen die Digitalisierung des griechischen Telefonnetzes sowie die Bestechung eines früheren Transportministers. Für einige der erhobenen Vorwürfe droht Verjährung.
Ein Prozess, bei dem es um Bestechungsgelder geht, die der Technologiekonzern Siemens an griechische Amtsträger gezahlt haben soll, wurde in dieser Woche bis auf weiteres vertagt. Damit droht eine Verjährung einiger der den Betroffenen vorgeworfenen Straftaten. Hintergrund ist, dass das Außenministerium die geforderten Unterlagen aus dem Griechischen nicht rechtzeitig ins Deutsche und ins Französische übersetzen ließ. Dadurch konnten sich einige der Angeklagten über die gegen sie erhobenen Vorwürfe nicht rechtzeitig in ihrer Muttersprache informieren.
Interne Untersuchungen
Daraufhin kam es seitens der Opposition in Griechenland zu heftigen Vorwürfen vor allem gegenüber der Justiz. Seitens der konservativen Nea Dimokratia (ND) forderte Dora Bakojianni, dass die Verantwortlichen ausfindig gemacht werden und zur Verantwortung gezogen werden müssten. Justizminister Nikos Paraskevopoulos hat am Donnerstag bei der zuständigen Staatsanwältin des Landeshöchstgerichtes (Areopag), Xeni Dimitriou, zwei Anträge gestellt, damit der „Siemens“-Prozess trotz der aufgetretenen Pannen fortgesetzt werden kann. Gegenüber den Medien verlieh er seiner Hoffnung Ausdruck, dass das Verfahren beschleunigt werde. Dimitriou hat ihrerseits eine Voruntersuchung eingeleitet, die herausfinden soll, ob möglicherweise Justizbeamte für den Aufschub des Prozesses Verantwortung tragen könnten. Anschließend hat sie Ministerpräsident Alexis Tsipras über den eingeleiteten Vorgang Bericht erstattet.
Verflechtung und Korruption
Sowohl nach Ansicht des Außenministers Nikos Kotzias als auch des Verteidigungsministers Panos Kammenos sollen Phänomene wie Interessenverflechtung und Korruption für die Verzögerung des Prozesses verantwortlich sein. Der stellvertretende Staatssekretär im Außenministerium Jannis Amanatidis hat der Präsidentin des Areopags Vasiliki Thanou eine Akte mit der gesamten Korrespondenz zwischen der zuständigen Übersetzungsabteilung seines Ministeriums und der Staatsanwaltschaft übergeben. Gegenüber Journalisten stellte er klar, dass es „unter der SYRIZA-Regierung absolut keine Verjährung“ geben werde. In einer Mitteilung des Außenministeriums heißt es, dass die „1.580 Seiten rechtzeitig übergeben wurden“. Die ersten 700 Seiten seien am 2. November 2015 und die übrigen am 13. Mai 2016 abgeliefert worden.
„Vertrag 8002“ mit Siemens
Gegenstand des Prozesses ist der „Vertrag 8002“ aus dem Jahr 1997 zwischen der griechischen Telekom OTE und Siemens. In diesem Vertrag war die Digitalisierung des griechischen Telefonnetzes vorgesehen. Damit der Auftrag dem deutschen Unternehmen erteilt wurde, sollen Bestechungsgelder geflossen sein. Die Anklage ist nicht gegen die Unternehmen gerichtet gewesen, sondern gegen einzelne Personen, die bei Siemens oder OTE tätig gewesen sind.
Zeitgleich zur Vertagung des OTE-Vertrags wurde auch der Fall des früheren sozialistischen Transportministers Tassos Mantelis bis auf weiteres vertagt. Dieser hat bereits vor längerer Zeit zugegeben, 400.000 D-Mark von Siemens auf intransparentem Wege erhalten zu haben. Er besteht allerdings darauf, dass dieses Geld für die Finanzierung einer Wahlkampagne der PASOK vorgesehen war. Der Fall kam bereits im November 2013 vor Gericht, musste aber wegen Streiks der Rechtsanwälte verschoben werden. Als offizieller Grund dafür, dass bisher kein Urteil gefällt werden konnte, wurde angegeben, dass der Präsident des Gerichts verstorben ist und kein Nachfolger benannt werden konnte.
Elisa Hübel
Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt Justizminister Nikos Paraskevopoulos am Donnerstag (14.7.2016) vor dem Areopag in der Athener Alexandras Avenue.