Am Donnerstag fand in Griechenland ein Generalstreik statt. Es war der 36. dieser Art seit November 2010. Daran beteiligten sich Vertreter der unterschiedlichsten Berufszweige: das öffentliche Leben war stark beeinträchtigt. Es fuhren weder Schiffe noch Eisenbahnen.
An einem Generalstreik am Donnerstag haben sich an die Hunderttausend Demonstranten im ganzen Land beteiligt. Allein in Athen sind mehr als 50.000 Menschen auf die Straßen gegangen. Sie versammelten sich anschließend vor dem Parlament am Syntagma-Platz. Zuvor fanden Protestmärsche durch die Innenstadt statt. Zum Streik aufgerufen hatten die Dachgewerkschaft Öffentlicher Dienst (ADEDY) und der Privatwirtschaft (GSEE) sowie die kommunistische Gewerkschaft PAME. Der Protest richtet sich in erster Linie gegen den Plan der Regierung, das Renten- und Sozialversicherungssystem zu reformieren, was mit höheren Abgaben verbunden ist – und künftig mit niedrigeren Renten. Protestiert wurde darüber hinaus auch gegen weitere Steuererhöhungen.
Bauern fahren mit Traktoren in die Städte
In der zweitgrößten Stadt Thessaloniki sind mindestens 20.000 Menschen zum Protest auf die Straßen gegangen. Auch in vielen kleineren Städten wurde demonstriert, etwa in Volos (Mittelgriechenland), Ioannina (Eprius) oder in Städten auf der Peloponnes. Selbst auf vielen Inseln fanden größere Kundgebungen statt, etwa auf Chios (3.500 Teilnehmer).
In mehreren Städten sind Landwirte mit ihren Traktoren bis ins Stadtzentrum vorgerückt: So etwa in Thessaloniki und Patras auf der Peloponnes. Andernorts haben Fischer parallel zu den Kundgebungen von ihren Fischerbooten („Kaikia“) aus demonstriert, etwa auf der Insel Ägina oder in Volos. Sie machten u. a. mit Leuchtraketen auf sich aufmerksam.
Weder Züge noch Fähren im Einsatz
Der Fernverkehr kam am Donnerstag nahezu vollständig zum Erliegen. Nicht zuletzt beteiligten sich die Angestellten der griechischen Bahn OSE am Ausstand: Es drehte sich kein Rad mehr. Davon betroffen war auch die Athener Vorortbahn „Proastiakos“, die den internationalen Flughafen „Eleftherios Venizelos“ bedient. Ebenfalls völlig lahmgelegt war der Fährverkehr. Die Matrosen bleiben auch am heutigen Freitag der Arbeit fern; erst am Samstag ab 6 Uhr werden wieder Schiffe verkehren. Dadurch sitzen nicht zuletzt viele Flüchtlinge auf den Inseln fest. Der Flugverkehr erfolgte am Donnerstag aufgrund einer mehrstündigen Arbeitsniederlegung der Fluglotsen nur eingeschränkt.
Beeinträchtigt war auch der Straßen-Güterverkehr. Am Donnerstag traten die LKW-Besitzer in einen Dauerstreik. Zudem drohen sie damit, Straßenabschnitte zu sperren, wie sie es bereits 2010 schon einmal getan hatten. Verschärft wird die Lage beim Gütertransport durch den Ausstand der Bauern, die bereits seit Wochen zeitweise Straßen und Grenzübergänge abgeriegelt haben. Falls die Regierung nicht einlenkt, wollen sie diese Proteste weiter forcieren.
„Schließen, damit sie uns nicht schließen“
Am Generalstreik haben sich auch zahlreiche Besitzer und Angestellte aus dem Gastronomiegewerbe sowie viele Händler beteiligt. Auf Transparenten war zu lesen: „Wir schließen, damit sie uns nicht schließen“. Die Rollläden haben auch viele Kioskbesitzer am Donnerstag unten gelassen. Selbst Angestellte und Besitzer von Bestattungsbüros haben aus Protest gegen die Sparmaßnahmen der Regierung die Arbeit niedergelegt. Am Ausstand beteiligten sich auch Rechtsanwälte, Notare, Apotheker, Ärzte, Krankenhauspersonal, Lehrer, Taxifahrer und Bankangestellte … Stelios Z., Besitzer einer Autowerkstatt in Athen, der an diesem Tag ebenfalls sein Geschäfte geschlossen hielt, sagte gegenüber der Griechenland Zeitung: „So kann es einfach nicht mehr weitergehen. Wir können weder unsere Werkstatt über Wasser halten, noch unsere Familie ernähren: Nichts geht mehr!“ – Wer noch die Kraft habe ins Ausland zu gehen, so der 58jährige, der sei „gut beraten“. Auch Stelios hatte sich am Donnerstag – erstmals in seinem Leben – zur Protestkundgebung am Athener Syntagmaplatz eingefunden.
Scharmützel zwischen Autonomen und der Polizei
Am Rande der friedlichen Proteste kam es zu einigen kleineren Auseinandersetzungen zwischen Autonomen und der Polizei. Rund 1.000 Gewaltbereite hatten sich zum Teil unter die Demonstranten in Athen gemischt, sie brachten Molotowcocktails und andere Gegenstände in erster Linie gegen Polizisten zum Einsatz. Eine Gruppe von etwa 15 Hooligans attackierte einen Journalisten des Radiosenders der Stadt Athen (98,4 fm). Der Mann erlitt eine Kopfverletzung. Im Athener Stadtteil Exarchia ging mindestens ein PKW in Flammen auf, mehrere Gebäude wurden beschädigt. Zu kleineren Zwischenfällen kam es auch in Thessaloniki, der zweitgrößten Stadt des Landes. Dort entstanden ebenfalls Sachschäden an Gebäudefassaden.
Elisa Hübel
Unser Foto (© Eurokinissi) entstand am Donnerstag in Iraklio auf Kreta. Einige Bauern hatten als Zeichen des Protestes sogar ihre Traktoren in Brand gesetzt.