Das neue Jahr beginnt für die griechische Regierung mit heftigen Turbulenzen. Sie muss in den kommenden Wochen eine Gesetzesnovelle mit Veränderungen im System der Sozial- und Rentenversicherung durch das Parlament bugsieren. Angesichts der desolaten Kassenlage drängen die Geldgeber auf weitere Pensionskürzungen. Athen möchte einen moderaten Mittelweg finden. Bereits am Freitag werden die Verhandlungen mit den Geldgeber-Institutionen wieder aufgenommen. Im Vorschlag der griechischen Regierung wird die künftige Mindestrente auf 384 Euro veranschlagt. Die Höchstrenten für kombinierte bzw. Mehrfachpensionen, wie sie zum Beispiel Ärzte im öffentlichen Dienst empfangen können, soll auf maximal 3.000 Euro gedeckelt werden. Damit Verwaltungskosten gespart werden, sollen sämtliche Versicherungskassen vereinigt werden.
Um die Vorschläge der Regierung darzulegen, hatte sich Arbeitsminister Jorgos Katroungalos am Montag mit Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos und den Vorsitzenden der Oppositionsparteien getroffen. Seine Reformvorschläge stießen bei Letzteren weitgehend auf Ablehnung. Der Interimschef der konservativen ND Jannis Plakiotakis kommentierte: „Ministerpräsident Tsipras sucht Zustimmung für einen Fehler.“ Die Vorsitzende der sozialistischen PASOK Fofi Gennimata warf ein „klares Nein zu Rentenkürzungen“ in die Debatte. Als Gegenvorschlag möchte sie mit einem Teil der erwarteten Privatisierungserlöse das Rentensystem stützen. Klar abgelehnt wurden sämtliche Sparideen auch von der kommunistischen KKE. Der Vorsitzende der liberalen Partei „To Potami“ Stavros Theodorakis hat sich dem Treffen mit dem Arbeitsminister gänzlich verweigert. In der Begründung hieß es, dass solche Treffen lediglich für die Medien bestimmt seien und keinen tieferen Sinn machen würden. Etwas verhaltener reagierte einzig der Vorsitzende der „Zentrumsunion“ Vassilis Leventis. Er sagte zu, die Vorschläge von Katroungalos zu prüfen. Gleichzeitig forderte er abermals die Bildung einer ökumenischen Regierung, um die bevorstehenden Hürden schultern zu können.
Mitten in der Diskussion über Einsparungen bei den Rentenausgaben hatten während der Weihnachtszeit pensionierte Parlamentarier für Furore gesorgt. Sie forderten rückwirkend die Auszahlung jener Pensionsbeträge, die ihnen in den Jahren der Krise abgezwackt wurden. Pro Volksvertreter geht es um eine Summe von etwa 100.000 Euro. Sie berufen sich als Präzedenzfall auf die Richter des Landes, die Ähnliches durchsetzen konnten.
Ministerpräsident Alexis Tsipras versucht in dieser emotional angeheizten Situation den Goldenen Schnitt. In einem Interview mit der der Zeitung „Real News“ erklärte er am Wochenende, dass er sich an die mit den Gelgebern getroffenen Vereinbarungen halten wolle. Dabei werde er aber keine Ungerechtigkeiten hinnehmen.
Der Premier prognostiziert für das eben begonnene Jahr voller Optimismus ein Comeback seines Landes und den Ausweg aus der seit sechs Jahren anhaltenden Finanz- und Wirtschaftskrise. Eine eventuelle Bildung einer ökumenischen Regierung, aber auch die Durchführung eines vorverlegten Urnengangs schließt er hingegen klar aus.
Doch mit einer hauchdünnen Mehrheit von 153 der 300 Sitze im Parlament balanciert Tsipras schon bei den ins Visier genommenen Änderungen im System der Sozialversicherung auf einem dünnen Seil. Gleichzeitig muss er mögliche Widerständler in der eigenen Fraktion – das heißt, bei seinem Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) und dem Koalitionspartner Unabhängige Griechen (ANEL) – auf Kurs halten. Er selbst gibt sich überzeugt, dass er sich auf seine 153 Mandate verlassen kann. Vor allem aber würden auch Vertreter der Opposition für das neue Versicherungsgesetz stimmen, so seine Einschätzung.
(Griechenland Zeitung/eh)
Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt Arbeitsminister Jorgos Katroungalos (l.) am Montagabend während des Treffens mit Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos.