Griechenlands Politiker geben am heutigen Freitag, dem letzten Tag des Wahlkampfes, mit Ansprachen und Interviews für die Medien noch einmal alles, um vielleicht in letzter Minute unentschiedene Wähler für sich zu gewinnen. Am Sonntag sind knapp 10 Millionen Griechen an die Wahlurnen gerufen. Der Ausgang ist derzeit unklar, die Linkspartei SYRIZA und die konservative ND liefern sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen.
Am Sonntag werden die Griechen zum dritten Mal in diesem Jahr an die Wahlurnen gebeten. Das Ergebnis ihres Votums ist herzlich ungewiss. In den aktuellen Umfragen liefert sich das bisher regierende Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) einen Zieleinlauf mit der konservativen Nea Dimokratia (ND). Eine regierungsfähige Mehrheit dürfte allem Anschein nach keine der beiden Parteien erhalten. Deshalb dürfte am Montag zunächst für den Wahlsieger die Suche nach Koalitionsmöglichkeiten beginnen.
Kampf um den dritten Platz
Allen Meinungsumfragen zufolge könnte die faschistische Chryssi Avgi (CA) mit etwa 6 % der Stimmen abermals drittstärkste Kraft im neuen Parlament werden. Doch auch andere Parteien geben sich beim Kampf um den dritten Platz noch nicht geschlagen. Anspruch erheben neben der CA auch die sozialistische PASOK, die liberale „To Potami“ und die kommunistische KKE. Sie alle rufen die Wahlberechtigen dazu auf, für sie zu votieren, um damit letztlich auch die Neofaschisten in die Schranken zu weisen. Während PASOK und To Potami mit anderen Parteien koalieren möchten, sprechen sich die Kommunisten deutlich gegen eine solche Option aus. Sie sind für einen Austritt aus der Eurozone, der EU und der Nato. Gegen das Spar- und Reformpaket, das der bisherige Ministerpräsident Alexis Tsipras im Juli mit den internationalen Geldgebern unterzeichnet hatte, wollen sie massiv Front machen.
Aufruf zur Wahlbeteiligung
SYRIZA-Chef und Ex-Ministerpräsident Tsipras ruft die Wähler immer wieder dazu auf, von ihrem Stimmrecht Gebrauch zu machen: eine große Stimmenthaltung wäre seiner Meinung nach ein Gewinn für die Konservativen. Die Parlamentswahlen bezeichnet der Linkspolitiker als ein Referendum darüber, ob das Land „vom Neuen“ oder „vom Alten“ regiert werden wird. Ein Wahlsieg für seine Partei wäre laut Tsipras die erste wirkliche Chance, dass Griechenland von einer linken Partei regiert wird – die zurückliegenden sieben Monate seiner Amtszeit seien einfach zu kurz gewesen, um eine entsprechende Politik zu verwirklichen. Sollte er erneut das Mandat zur Regierungsbildung erhalten, werde er das Memorandum „von Anfang an“ neu verhandeln. Seine letzte Rede, die zugleich der Höhepunkt in diesem Wahlkampf ist, wird er heute Abend um 19.30 Uhr am Athener Syntagma-Platz vor dem Parlament halten. Anwesend sein werden u. a. der Fraktionsvorsitzende der deutschen Partei „Die Linke“ Gregor Gysi sowie der Generalsekretär der spanischen Partei „Podemos“ Pablo Iglesias.
ND: „Schluss mit dem SYRIZA-Experiment“
ND-Chef Evangelos Meimarakis gibt sich seinerseits überzeugt, dass „das Experiment SYRIZA am Sonntag sein Ende finden wird“. Seine zentrale Wahlrede hat er am Donnerstag am Athener Omonia-Platz (Platz der Eintracht) gehalten, was für die Konservativen ein eher ungewöhnlicher Versammlungsort ist. Symbolisch wollte er damit „Eintracht“ vermitteln und deutlich machen, dass er bereits am Montag in einer Koalitionsregierung mitwirken möchte. In seinem Wahlprogramm verspricht der konservative Politiker einschneidende Reformen, größere Transparenz sowie entscheidende Verfassungsänderungen.
Die ersten sicheren Ergebnisse des Urnengangs werden am Sonntag gegen 21 Uhr erwartet.
Elisa Hübel
Der Countdown läuft: In Pyrgos auf der Peloponnes begann bereits am Donnerstag die An- bzw. Auslieferung von Materialien, die für die reibungslose Durchführung der Parlamentswahlen am Sonntag unerlässlich sind. In den abgebildeten Säcken befinden sich die Stimmzettel. (Foto: © Eurokinissi)