Am kommenden Sonntag, dem 5. Juli, wird das griechische Volk über seine Zukunft entscheiden. Das entschied in dieser Nacht das Parlament in Athen. Angenommen wurde dieser Antrag, den die Regierung unter Alexis Tsipras vom Bündnis der Radikalen Linken (SYRIZA) eingebracht hatte, mit 178 zu 120 Stimmen. Dafür votierten SYRIZA, die Unabhängigen Griechen (ANEL) und die faschistische Chryssi Avgi. Dagegen stimmten die konservative Nea Dimokratia (ND), die liberale "To Potami", die sozialistische PASOK und die kommunistische KKE.
Die am kommenden Sonntag per Referendum gestellte Frage lautet: „Ja oder Nein zu den Sparmaßnahmen". Dabei geht es um eine Vereinbarung mit den internationalen Gläubigern (Europäische Kommission, Europäische Zentralbank und Internationaler Währungsfonds), damit Griechenland ein neues Hilfspaket erhalten kann.
"Europa ist das Haus der Griechen"
Seinen Plan der Volksabstimmung hatte Ministerpräsident Alexis Tsipras in der Nacht von Freitag auf Samstag überraschend angekündigt. Gleichzeitig, so stellte er fest, sei "Europa das Haus der Griechen". Das Land werde seiner Einschätzung zufolge nicht nur in der EU, sondern auch im Euroraum verbleiben. Zuvor hatte sein Kabinett einstimmig die Durchführung eines Referendums abgesegnet. Einige Stunden später wurde die Vollversammlung des Parlaments einberufen.
Die Regierungskoalition verfügte mit den 149 Sitzen des Bündnisses der Radikalen Linken (SYRIZA) und den 13 Stimmen der rechtspopulistschen „Unabhängigen Griechen“ (ANEL) über die notwendige Mehrheit, um das Plebszit tatsächlich auf den Weg zu bringen. Dass auch der Juniorpartner mitziehen wird, daran ließ der ANEL-Vorsitzende und Verteidigungsminister Panos Kammenos bereits im Vorfeld keinen Zweifel. Mit patriotisch klingenden Worten forderte er die Wähler dazu auf, am kommenden Sonntag "gegen die Abtretung unserer Unabhängigkeit und Souveränität" zu votieren. Seiner Ansicht nach werde damit der Verbleib des Landes in der Europäischen Union nicht aufs Spiel gesetzt. Lediglich, so räumte der Rechtspopulist ein, könne der Verbleib in der Eurozone gefährdet sein.
Opposition appelliert an die Vernunft
Wesentlich kritischer beurteilt die Opposition die Lage. Der frühere Regierungschef Antonis Samaras von der konservativen Nea Dimokratia sieht hinter dem Referendum die Entscheidungsfrage „Ja oder Nein zu Europa“. Die Forderung der Regierung, eine solche Frage zu stellen, sei „fatal, schwach und verantwortungslos“. Ähnlich reagierte die Vorsitzende der sozialistischen PASOK, Fofi Genniata. Sie rief Tsipras dazu auf, die sein Amt niederzulegen und sofort Neuwahlen auszurufen. Die liberale Partei "To Potami" spricht von einem Versuch, dem griechischen Volk in letzter Minute die Verantwortung für die seit fünf Monaten erfolglosen Verhandlungen zuzuschieben.
Viele Griechen, die bislang noch an einen positiven Ausgang der Verhandlungen in Brüssel glaubten, wurden in Schrecken versetzt. Vor vielen Geldautomaten bildeten sich am Samstag Warteschlangen, bereits am Samstagmittag war dort vielerorts das Bargeld ausgegangen. Im Athener Zentrum kam es zu einem Scharmützel zwischen etwa 50 Randalierern aus dem autonomen Lager und der Polizei. Letztere brachte die Situation schnell unter Kontrolle.
Jorgos Papandreou war am Plebiszit gescheitert
In der neugriechischen Geschichte wurde bisher siebenmal das Volk in wichtigen Entscheidungen unmittelbar zu Rate gezogen. Zuletzt war im Dezember 1974 die Abschaffung der Monarchie beschlossen worden. Im Herbst 2011 wollte der damalige sozialistische Ministerpräsident Jorgos Papandreou (PASOK) unter ähnlichen politischen Umständen wie jetzt ebenfalls ein Plebiszit duchführen. An diesem Plan scheiterte er, kurze Zeit später musste er seinen Hut nehmen. Der jetzige Premierminister Tsipras, damals noch Vorsitzender einer eher kleinen Oppositionspartei, hatte sich 2011 vehement gegen das von Papandreou anvisierte Referendum ausgesprochen.
(Griechenland Zeitung / Elisa Hübel)
Unser Foto (Eurokinissi) zeigt Parlmentspräsidentin Zoi Konstantopoulou nach der Abstimmung im Parlament in der Nacht von Samstag auf Sonntag bei Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos, damit dieser die Entscheidung des Parlaments mit seiner Unterschrift absegnen kann.