Vorerst ohne konkretes Ergebnis, aber mit einem Polarlicht am Horizont. So in etwa könnte man den Ausgang des EU-Sondergipfels am Montag in Brüssel beschreiben. Ein 12-seitiges Reformprogramm, das die griechische Regierung dort unterbreitete wurde grundlegend angenommen. Nun geht es um die Details, in denen ja bekanntlich oftmals der Teufel steckt. Die Seite der Geldgeber will in den kommenden beiden Tagen Punkt für Punkt gründlich unter die Lupe nehmen.
Am Mittwoch soll während eines weiteren Treffens der Eurogruppe auf Basis dieser Vorschläge eine Entscheidung über eine mögliche Griechenland-Rettung getroffen werden. Eine politische Entscheidung wird während eines EU-Gipfeltreffens am Donnerstag oder Freitag erwartet. Diese Eile ist u.a. deshalb geboten, weil am kommenden Dienstag (30. Juni) das europäische Hilfsprogramm für Griechenland ausläuft. Aus diesem Programm ist noch die Auszahlung einer Kredittranche in Höhe von 7,2 Milliarden Euro an Athen offen. Damit könnte das Land bis Monatsende eine Rate von 1,5 Milliarden Euro an den Internationalen Währungsfonds (IWF) zurückzahlen. Sollte dies nicht geschehen, droht den Hellenen eine Staatspleite, die sich letztlich im Verlust der europäischen Gemeinschaftswährung manifestieren könnte.
Einsparungen und zusätzliche Einnahmen
Der Vorschlag Athens sieht Einsparungen und zusätzliche Einnahmen in Höhe von 7,9 Milliarden Euro vor – verteilt auf dieses und das kommende Jahr. Das entspricht 4,38 % des Bruttoinlandproduktes. Darunter ist eine Sondersteuer in Höhe 12 % für Unternehmen geplant, die einen Jahresgewinn von mehr als 500.000 Euro erzielen. So können noch in diesem Jahr Einnahmen von 945 Millionen Euro generiert werden. Zudem sollen die Rüstungsausgaben 2016 um 200 Millionen Euro zurückgefahren werden. Geschlossene Berufsgruppen werden demzufolge nun endgültig liberalisiert. Durch die Besteuerung von Fernsehwerbung erwartet der Fiskus ein Einnahmeplus in Höhe von 100 Millionen Euro. Durch eine zusätzliche Luxussteuer u. a. für Jachten und Swimmingpools sollen weitere 47 Millionen Euro in die Staatskassen gespült werden.
Doch auch Arbeitnehmer und arme Menschen sind von den Reformen betroffen. So soll die gängige Praxis der vorzeitigen Pensionierungen ab 2016 abgeschafft werden. Ab 2025 dürften dem Papier zufolge alle Arbeitnehmer erst mit 67 in Rente gehen können. Gleichzeitig sollen bis dahin auch die Zuschüsse des Staates für die Pensionskassen minimiert werden.
Mit am stärksten dürfte sich die Anhebung der Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel von bisher 13 % auf 23 % auf das verfügbare Einkommen der Verbraucher auswirken. Dieser neue Satz trifft auch auf die Gastronomie zu. Was das Hotelgewerbe betrifft, so soll hier die MWSt. von 6,5 % auf 13 % geliftet werden. Abgeschafft werden sollen Steuervergünstigungen auf den Inseln. Und last but not least: Beibehalten wird die ungeliebte Immobiliensteuer (ENFIA).
Absegnung im Eilverfahren
All diese Maßnahmen, so scheint es, sollen nun im Eilverfahren von allen Seiten abgesegnet werden. Kurz nach dem EU-Gipfel stellte EU-Ratspräsident Donald Tusk fest: „Die Zeit läuft ab.“ Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel gab sich eher bedeckt und räumte nach dem Gipfeltreffen einen „gewissen Fortschritt“ ein. Bis Donnerstag müsse aber noch „sehr viel Arbeit“ geleistet werden. Parallel dazu zeigte sich Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker optimistisch, dass es zu einem Kompromiss mit Griechenland in dieser Woche kommen werde.
Ebenfalls zuversichtlich wirkte Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras. Er verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, dass Griechenland „innerhalb der Eurozone zu Wachstum zurückfinden“ könne. Sein Regierungssprecher Gavriil Sakellaridis stellte fest, dass es zu einer Einigung kommen werde. Auch auf Fragen, ob die Vereinbarung zwischen Griechenland und den Geldgebern das Parlament passieren werde, antwortete er zuversichtlich. – Doch ob dies alles tatsächlich so glatt über die Bühne geht? Die Abstimmung in der griechischen Volksversammlung steht vermutlich am Wochenende an.
Zumindest die linke Plattform der Regierungspartei SYRIZA dürfte das acht Mrd. schwere Sparpaket als Zumutung empfinden. Mit dem im vorigen Herbst in Thessaloniki vorgestellten Programm hat es so gut wie nichts mehr zu tun. Auch der Juniorpartner in der Regierung, die rechtspopulistische ANEL, hatte sich bisher regelmäßig gegen weitere Sparmaßnahmen ausgesprochen. Selbst die Kürzungen bei den Rüstungsausgaben dürften den Politikern um ANEL-Chef und Verteidigungsminister Panos Kammenos wie ein Stein im Magen liegen. Er hatte erst kürzlich im Wert einer halben Milliarde Euro die Modernisierung veralteter Flugzeuge durch eine US-Firma unter Dach und Fach gebracht.
Falls Premier und SYRIZA-Chef Tsipras das in Brüssel vorgelegte Programm seinen linken Genossen und den Koalitionären aus der nationalpopulistischen Ecke nicht schmackhaft machen kann, könnte das auf Neuwahlen hinauslaufen.
Elisa Hübel
Unser Foto (© Eurokinissi / Europäische Union) zeigt Ministerpräsident Tsipras (2.v.r.) mit Mitgliedern seiner Delegation am Montagabend in Brüssel im Gespräch mit EU-Ratspräsident Tusk (r.). In der Bildmitte Vizeregierungschef Jannis Dragasakis und links Finanzminister Janis Varoufakis. In griechischen Medien wurde berichtet, dass sich die Geldgeber mit der Unterschrift von Varoufakis unter die von Griechenland aufgezeigten Vorschläge nicht begnügten und stattdessen darauf bestanden, dass dieses Papier von Premier Tsipras unterzeichnet wurde – was dieser dann auch tat.