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Es steht zu viel auf dem Spiel: Das Verhandlungskarussell dreht sich weiter Tagesthema

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Es steht zu viel auf dem Spiel: Das Verhandlungskarussell dreht sich weiter

Eine Lösung für das Finanzierungsproblem Griechenlands scheint wieder etwas mehr in die Ferne gerückt. Vorerst.

Aber das ist bei guten Verhandlungen immer so. Es geht vor und zurück, schließlich, wenn keiner mehr daran glaubt, liegt das Ergebnis auf dem Tisch und es wird unterzeichnet. Soweit ist es noch nicht. Die auf 47 Seiten aufgelisteten Reformvorschläge aus Athen werden in Brüssel abgelehnt. Auch die griechische Seite zeigt sich hart: An den in den letzten Monaten immer wieder nach unten korrigierten „Roten Linien“ werde man nichts mehr ändern. Außerdem erklärte Ministerpräsident Alexis Tsipras am Freitag im Parlament, dass man keiner Vereinbarung mit den internationalen Geldgebern zustimmen werde, wenn diese nicht mit einem neuen Schuldenschnitt einhergehe. Vor allem auch müssten Renten und Gehälter geschützt werden. Tsipras hielt sich relativ bedeckt, was das weitere Vorgehen seiner Regierung bei der Suche nach einem Kompromiss betrifft. Er stellte lediglich klar, dass man eine „sozial vertretbare und ökonomisch lebensfähige Lösung“ suche. Der von ihm unternommene Versuch, mit den anderen Parteien einen Konsens zu erzielen, um eine gemeinsame Haltung der griechischen Seite bei den Verhandlungen an den Tag zu legen, scheiterte – wie zu erwarten war.
Statt eines gemeinsamen Tenors hagelte es seitens der Opposition scharfe Kritik. Vor allem wurde der Regierung vorgeworfen, dass sie wertvolle Zeit vergeudet habe, um zu einer Einigung zu finden. Der frühere Ministerpräsident und Vorsitzende der konservativen Nea Dimokratia Antonis Samaras forderte, dass die Regierung die Wahrheit sagen solle, „statt das Volk zu veralbern“. Seiner Ansicht nach müsse die Wirtschaftspolitik grundlegend geändert werden. Geschützt werden müsse vor allem die Privatwirtschaft. Er sprach sich u. a. gegen die „Heiligen Kühe des öffentlichen Sektors und der Gewerkschaften“ aus.
Stavros Theodorakis, Vorsitzender der liberalen Partei „To Potami“, sagte warnend, dass das griechische Volk einen „ehrenhaften Kompromiss“ wolle und „keinen Bruch“. Nach Ansicht des Generalsekretärs der Kommunistischen Partei (KKE) Dimitris Koutsoumpas verfolge die heutige Regierung „die gleiche Politik“ wie ihre Vorgängerinnen.
Für großes Aufsehen hatte auch die Entscheidung Athens gesorgt, eine fällige Kreditrate an den IWF vorerst nicht zu bedienen. Überweisungstermin dafür wäre der vorige Freitag gewesen. Auch im Inland sorgte dieser Standpunkt für weitere Unsicherheit, zahlreiche Kleinanleger zogen ihre Spareinlagen ab.
Über den Mut, mit dem das kleine Hellas der Finanzelite der Welt die Stirn bietet, kann man sich nur wundern. David gegen Goliath, könnte man meinen. Doch letztlich wird wahrscheinlich kein Kopf abgetrennt, dafür steht offenbar einfach zu viel auf dem Spiel. US-Präsident Barack Obama zeigte sich beim G7-Gipfel in Deutschland zuversichtlich, dass die europäischen Partner mit Griechenland zu einer Einigung finden werden, um unvorhergesehene Entwicklungen auf den internationalen Finanzmärkten zu vermeiden. Durchaus klare Worte.
Unterdessen dreht sich das Verhandlungskarussell hinter den Kulissen munter weiter – und wohl auch schneller denn je. Am Samstagabend hatte Ministerpräsident Alexis Tsipras erneut eine Videokonferenz mit Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Francois Hollande. Am Mittwoch dieser Woche soll es im Rahmen des EU-Gipfels in Brüssel zu einer weiteren Begegnung kommen. Zudem reiste am heutigen Montag der griechische Finanzminister Janis Varoufakis nach Berlin, um sich dort mit seinem Amtskollegen Wolfgang Schäuble zu beraten. In der vorigen Woche hatte letzterer mit seinem US-Amtskollegen Jack Lew telefoniert, der Amerikaner soll sich dafür ausgesprochen haben, Griechenland auf alle Fälle unter die Arme zu greifen. (Griechenland Zeitung / jh)

Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt einen Blick hinter die Kulissen: Die griechische Verhandlungsgruppe tagte Ende Mai unter Vorsitz von Premier Alexis Tsipras im Finanzministerium in Athen, um ihren Kurs abzustecken. Unter anderem mit dabei: Finanzminister Janis Varoufais, Vizeregierungschef Jannis Dragasakis und Wirtschaftsminister Georgios Stathakis.

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