Die Stunde der Entscheidung rückt für Griechenland immer näher. Ministerpräsident Alexis Tsipras möchte wenn möglich noch in dieser Woche eine Einigung mit den internationalen Geldgebern aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalen Währungsfonds (IWF) erzielen.
Den drei Institutionen liegt jetzt ein 47-seitiger Einigungsvorschlag der griechischen Seite vor, auf dessen Basis es zu einer Vereinbarung kommen soll. In diesem Zusammenhang erklärte Tsipras per Twitter: „Wir haben einen realistischen und vollständigen Plan übergeben. Die Entscheidung liegt nun bei der politischen Führung Europas.“ Damit spielte Tsipras auch darauf an, dass die Rettung Griechenlands aus seiner Sicht eine rein politische Entscheidung sei. Dieser Eindruck wurde in Athen dadurch untermauert, dass sich am Montag in Berlin die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Francois Hollande, EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker, IWF-Chefin Christine Lagarde sowie EZB-Präsident Mario Draghi noch einmal zu diesem Thema intensiv beraten hatten.
Zur Griechenlandfrage tagt heute auch die Euroworking Group. Bereits am Freitag könnte dann eventuell die Eurogruppe über eine Freischaltung der letzten ausstehenden 7,2 Milliarden Euro-Rate für Hellas debattieren.
Als eines der wichtigsten Treffen der seit vier Monaten anhaltenden Verhandlungen bezeichnet die griechische Presse die heutige Zusammenkunft zwischen Tsipras und Kommissionspräsident Juncker in Brüssel. Dazu eingeladen hatte der „Philhellene“ Junker unerwartet am Dienstagabend. Die größten Haken für eine Übereinkunft sind nach wie vor das System der Sozialversicherung, Veränderungen im Arbeitsrecht, die Mehrwertsteuer und der von Athen zu erwirtschaftende Primärüberschuss.
Die griechische Regierung hat finanziell keinerlei Spielraum mehr, um ihren Verbindlichkeiten nachzukommen. Sie muss im Juni vier Raten an den IWF in Höhe von insgesamt 1,55 Milliarden Euro überweisen. Die erste Rate in Höhe von 304 Millionen Euro steht bereits am Freitag dieser Woche an. Athen ist sich bewusst, dass das vorhandene Geld in den Staatskassen nicht ausreichen wird, um gleichzeitig die Schulden an den IWF als auch Renten und Gehälter des öffentlichen Dienstes zu zahlen. Zuletzt hatten die internationalen Geldgeber – ehemals „Troika“ / heute „Institutionen“ – im August 2014 finanzielle Mittel nach Griechenland überwiesen, nun ist Ebbe im Portemonnaie.
(Griechenland Zeitung / eh)
Unser Foto (© Eurokinissi) zeigt Tsipras und Juncker während des EU-Gipfels in Riga am 22. Mai. Juncker – stets für ein Späßchen mit Tsipras zu haben – gilt als erklärter Freund Griechenlands. Positiv wurde von vielen Griechen nicht zuletzt die Tatsache bewertet, dass er sich während seiner Aufenthalte im Lande häufig ohne Personenschutz zeigte und während gelegentlicher Strandbesuche am Rande der politischen Programme ganz unbefangen mit den Einheimischen plauderte. Ob er allerdings in letzter Minute die gesuchte Lösung für Hellas herbeiführen kann, bleibt abzuwarten.